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gegeneinander platzen. Von uns werden sie noch gezähmt. Das Kaiserreich ist der Friede.«

      Terra fand es angezeigt, auf seinem Stuhl sich ganz still zu verhalten. Mangolf fragte geschäftsmäßig: »Die Besetzung von – gehört doch zu dem Akt F H/6235?«

      »Ganz recht. Wir schicken Truppen hin.«

      »Das Kaiserreich ist der Friede«, wiederholte Terra mit Überzeugung.

      »Wir haben das Spiel in der Hand«, sagte der leitende Staatsmann von morgen und schien in der Luft seine Karten auszubreiten, mit Händen wie ein Taschenspieler. Vor Freude über seine Gewandtheit bekam er sogar sein Grübchen.

      Plötzlich erinnerte er sich einer Verabredung. Es war klar, er ward sich bewußt, an wie geringes Publikum er die Proben seiner Kunst hier verschwendete. Er gab laue, flüchtige Händedrücke und war schon draußen. »Alice, ich erwarte Dich.« Mangolf ihm nach, er fühlte: ihm nach, durch Dick und Dünn, jetzt oder nie! Terra sah sich um, die Gräfin hatte den Rücken gekehrt. Er ging hin und flüsterte ihr dringend über die Schulter. Sie antwortete nicht, er fühlte sie beben. Aber die Tür stand offen. Er wagte sie nicht zu schließen und ging.

      Mangolf trat gleichzeitig aus einem Zimmer gegenüber, argwöhnisch musterte er Terra, der ihn ironisch musterte.

      »Die Karriere beginnt«, sagte Terra.

      Die Gräfin dachte, als sie sich am Abend allein davonmachte: »Was wage ich viel. Das ist keiner, den man aus der Hand verliert. Viel gefährlicher war es damals mit –«. Sie ging Erinnerungen durch, mit ihren achtzehn Jahren. »Aber dieser ist sonderbarer ... Er ist, wie ich es will. Mit ihm werde ich gewiß etwas erleben, die Saison war so schlecht, – und es wird im Grunde nichts kosten.« Da hielt der Einspänner vor der Wiese.

      Die Gräfin drang sicheren, leichten Schrittes in die ausgestorbene Budenstadt. Einmal stieß sie im Dunkeln an einen Schlafenden oder Betrunkenen, sprang um eine Ecke und rührte sich minutenlang nicht. Unkenntliche Gerüste standen auf allen Seiten im Himmel: – wo nur der Turm, von dem man in zwei Sekunden abfuhr? »Ach! ich befinde mich gerade unter ihm, und dort –«. Sie machte sich steif, aus einem Schatten, der wohl das Karussell barg, löste sich eine Gestalt.

      »Gräfin sind pünktlich« – Terra verbeugte sich, wie in einem Salon. »Somit werde ich die Ehre haben. Ihnen die Wiese bei Nacht zu zeigen.«

      »Ich kenne sie schon, es hat sich nicht gelohnt.«

      »Was unternehmen wir statt dessen. Eine Freifahrt?«

      »Verbraucht.«

      Ein Pfiff, dann Laufen irgendwo in der Nacht, – und eine Frau, die langsam dahinten vom Erdboden aufstand, glitt bläulich durch einen Lichtkreis, den Laufenden nach. Die Gräfin drängte rückwärts, da traf sie auf den ausgestreckten Arm des Mannes. »Komm' mit, mein Kind«, sagte Terra und schlug seinen Mantel auch um sie.

      Unter einer Lampe hielten sie. »Nicht«, sagte sie – und streckte sich dennoch an ihm hinan, wie er an ihr. Auf der Zeltwand neben ihnen wuchs schlank ihr vereinigter Schatten. Gespannt blickten sie einander in die durch Lampenschein entblößten Gesichter. Er löste den Arm von ihrer Hüfte und faßte ihre hellen, schmalen Wangen in seine beiden Hände. Unter dem schwermütigen Feuer seines Blickes schmolzen ihre jungen, festen Züge, die geistreichen Strahlen in ihren Augen erloschen und auseinander glitten die Lippen. Er neigte sich tiefer auf diese schimmernden und noch zusammengehaltenen Zähnchen – neigte sich so langsam, daß er endlich fast anhielt. In diesem irrsüßen und verklärten Gesicht berührte ihn grauenvoll die tiefe Ähnlichkeit mit seiner Schwester. Noch gestern, ihr verstörtes Warten hinter dem Haustor ... Dann senkte er sich umso stärker, umso schwärmerischer auf diesen Mund.

      Ein Keuchen, – das nicht seines, nicht ihres war. Es kam näher, ward Schnauben, und schon rollte ein wilder Körper ihnen vor die Füße. Eine Frau dann – sie sah sie nicht, sie breitete schützend die Arme vor den Zusammengebrochenen. Und jetzt der Verfolger, ein halbnacktes Ungeheuer, daherstampfend und eine dicke Eisenstange schwingend. Das Mädchen duckte sich, da stürzte das blinde Ungeheuer, die Stange flog klirrend dahin.

      Die Gräfin hatte geschrieen, das Mädchen sah auf, es streckte die Hände vor, als bäte es: nicht dies! Nun wankte es her. Es mußte von Angesicht zu Angesicht sehen, was viel schrecklicher war, als daß Männer einander töteten. Erstarrtes Entsetzen; reglos auch jene Beiden samt ihren vereinigten Schatten. Da schien das Mädchen aufzuflattern, drehte sich um sich selbst und lief, in die Flucht geschlagen.

      Die beiden Herkulesse krochen am Erdboden auf einander zu. Unerwartet schnellten sie auf und standen, die Fäuste in Bereitschaft, vor einander. »Das gibt ein Schauspiel!« sagte die Gräfin, leise jubelnd, sprang davon und war im Turm. Terra folgte, verlor sie in den Windungen, fand sie auch auf der Plattform nicht, – aber drunten, von der blutigen Lampe beschienen, keuchte der Kampf, keuchte bis hier herauf, und jetzt ein Brüllen.

      »Sie bringen sich um, nur schnell dazwischen!« Er setzte sich in eines der kleinen Fahrzeuge und sauste hinab, in Spiralen, schnell und unendlich wie Gedanken. Er dachte auf der Fahrt: »Sie töten sich. Das ist bei uns Menschen der Anfang, die ersten Beziehungen, die Spur.« Auflodernd haßte er Mangolf. Wo war jetzt Mangolf mit Lea, – deren Tod er war. Schwester! Ihr Gesicht in den Gesichtern der anderen Frauen, der Gräfin, der Frau von drüben, – und jene Nacht am Hafen, als eine andere, wie heute diese, an seiner Brust lag in der Nähe fließenden Blutes! So hing denn alles zusammen auf der schwindelnden Nachtfahrt, die wir machen; ging eins in das andere über, wie Spiralen, und führte in das Leere ... Da fuhr er unten auf.

      Die Ringer lagen und zuckten nur noch in ihrem Blut. Terra umkreiste sie entsetzt. Der Stärkere war auf den Schwächeren gefallen, er hatte ihm mit der Eisenstange den Schädel zerschlagen. Aber wie er zuschlug, traf ihn selbst das Messer.

      Von droben klang heller Jubel. Dort stand die Gräfin und winkte. Jung, hochgemut, unangreifbar und ohne zu begreifen, sah sie herab auf das Sterben.

      Hochatmend vom Rausch der Abfahrt war sie da und fragte: »Ist es alle Nächte so? Soll dies sein?«

      »Verdammt«, sagte Terra und regte sich wieder. »Wir täten gut, Gräfin, von hier zu verduften.«

      Er nahm sie beim Arm und machte Schritte, daß sie laufen mußte. Nach kurzem Laufen weigerte sie sich. Sie hatte ein beleidigtes Damengesicht und ging weiter wie es ihr gefiel, in gemessenem Abstand von ihm, der sie ließ. Keiner sprach.

      Vorbei an diesem gefahrdrohenden Lichtkreis, ihn fliehen – wie auf Verabredung. Aber beide zugleich auch stockten. In dem Lampenschein, weißbläulich wie von einem schlechten Mond, lag eine Gestalt, – ach, beide klopfenden Herzen wußten schon, welche. Sie lag mit hart gestreckten Gliedern, die Augen starr offen, – und über ihrem schwarz und schillernd umwundenen Hals stand still ein Schlangenkopf.

      Die Gräfin langte nach seiner Hand, wie nach Verzeihung, wie um zu helfen, hielt ihn fest, der los wollte, zog ihn mit, der verharren wollte über der Toten. Im Gehen, ganz plötzlich, empörte er sich laut. »Wie konnte sie es tun!«

      Die Gräfin fragte so sanft, als sei sie abwesend: »Haben Sie noch keiner Frau gesagt, Sie würden für sie sterben?«

      »Ja, aber nur aus Galanterie«, sagte er, mit den Zähnen klappernd.

      Die Gräfin fühlte: »Der Wagen! Mein Bett! Wie komme ich hierher?«

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