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      »Er ist nicht immer in den besten Händen«, sagte Terra über die Achsel. Mangolf trat vor. »Ich bin in der Lage –«

      »Der Kurier?« fragte der Botschafter schnell. Um sein doppeltes Mißverständnis zu entschuldigen, lud er zum Sitzen ein.

      »Zweifle noch einmal an mir!« raunte Terra. Aber Mangolf sah ergriffen aus. Dies alles war vom Schicksal auf ihn gemünzt! Terra dachte sich aufzuspielen und doch setzte er nur das Schicksal in Gang. »Hier sitze ich endlich im Angesicht der Macht. Sie hatte schon immer ein Auge auf mich, vielleicht war dies Auge Graf Erwin selbst?«

      Graf Lannas verhörte, indem er einen Teller mit Kuchen aufaß, die jungen Leute wohlwollend über Familie, Studien, gesellschaftliche Verbindungen. Dazwischen fragte er alle Welt nach seinem Kurier. Mangolf stand auf. »Ich stelle mich zur Verfügung, wenn Eure Exzellenz einen sicheren Boten nach dem Ministerium des Äußeren brauchen. Der Minister ist jetzt nicht dort, ich kann den Kurier abfangen.«

      Der Diplomat stutzte. Dann nickte er Mangolf zu. »Nicht übel. Sie haben sich vorbereitet.« Er bekam sein Grübchen. »Wenn die Herren mich aufsuchen wollten, sagen Sie es doch!«

      Die junge Gräfin bemerkte: »Du wirst noch behaupten, Papa, daß ich meinen Ariost nur verloren habe, damit die Herren sich bei Dir einführen können.«

      »Tatsächlich, warum soll er nur Dir vorlesen. Liest er gut? Dann will ich mit zuhören.«

      Er gähnte, sah noch einmal nach der Uhr und nach dem Eingang, worauf er die Herren in sein Zimmer bat. Etwas kurzatmig infolge der vielen Kuchen, betrat er den Aufzug, mit ihm Mangolf. Die Gräfin war schon fast oben, Terra, den sie nicht ansah, sagte: »Jetzt haben Sie etwas angerichtet, ich kann nicht italienisch.« – »Das sieht Ihnen ähnlich«, sagte sie, zwischen den Zähnen. Da trafen sie schon mit dem Vater zusammen.

      Als der Botschafter Terras ansichtig wurde, erschien über seiner Nasenwurzel ein ernster Gedanke. Zwischen Tür und Angel hielt er den Studenten am Knopf fest. »Warum nannten Sie mich Staatssekretär?« fragte er. Terra besah ihn sich, er hätte fast gesagt: »Weil ich kein Hornochs bin.« Er sagte: »Wollen Eure Exzellenz sich, bitte, keinem, wenn auch verschwindend kleinen Zweifel über die Diskretion des Grafen Erwin und meine eigene Zuverlässigkeit hingeben.« – Nach dieser Rede ließ der Graf ihn sogar vor sich eintreten.

      Mangolf inzwischen hatte beschlossen, dem Sohn hier zu helfen, wie jener ihm. Die Bezahlung des Wechsels war hiermit gesichert. So strich er dem Vater den Sohn heraus, der, schwankend aber nicht leichtsinnig, nur eines ernsteren Führers bedurfte, um immer wieder den Weg in die gute Gesellschaft zu finden. Häuser und Namen zogen vorbei.

      »Personalkenntnis«, sagte Graf Lannas mit Anerkennung. Und unser Ariost?«

      Die Gräfin sah umher. »Das Buch muß unten geblieben sein.«

      »Hier ist es«, sagte Terra und zog es ungesehen aus ihrer Tasche. Er las so gut, daß Graf Lannas sich immer tiefer in seinen Sessel senkte. Endlich entriß er sich dem Genusse. »Lesen Sie ruhig weiter! Sie lesen zu dramatisch, es kommt auf die Melodie an.«

      »Ich habe wenig Melodie«, sagte Terra und sah die Gräfin an. Sie hatte den Zeigefinger an ihrer hellen Wange und die Stirn in Falten.

      Der Botschafter räumte ächzend die Papiere vom Tisch. »Ich habe meinen Privatsekretär bis morgen fortschicken müssen. Lesen Sie weiter, junger Mann! ... Wo hat er den Akt F H/6235?« Der Botschafter suchte im Schweiß seines Angesichts. Da trat aus dem Nebenzimmer Mangolf. Mit anmutiger Verbeugung überreichte er das Gewünschte. Er habe nebenan den Schreibtisch des Sekretärs bemerkt. Alles liege offen. Bevor ein Unberufener darüberkomme, habe er sich erlaubt –«

      »Alle Wetter«, sagte der Botschafter. – Zwischen dem Lesen des Schriftstückes schob er ein: »Mein Sekretär taugt nichts. Sie sind Referendar?«

      Hier klopfte es. Mangolf ging zur Tür, als sei er schon im Dienst. »Der Kurier«, meldete er. Der Botschafter, so peinlich er gewartet hatte, schien nur ungern zu hören, daß es etwas zu tun gab. Er winkte, damit Mangolf den Kurier von außen in das Zimmer des Sekretärs führe, dann bequemte er selbst sich hinein.

      Terra las noch eine Strophe – die Stirn gefaltet, denn er fühlte sich lächerlich. Als er aber aufsah, fand er keine Ironie bei ihr, sondern Unwillen.

      »Sie sind taktlos. Nach manchem, das ich Ihnen gesagt hatte, durften Sie mir nie wieder begegnen.«

      »Ich habe alles vergessen. Ich denke einzig an das, was Sie mir erlaubt haben.«

      Hierfür bekam er einen schwarzen Blick. Dann wendete sie sich ab, und Terra fuhr laut zu lesen fort. Die Tür zum Nebenzimmer stand halb offen, man hörte Papier rascheln.

      Terra sagte zwischen zwei Versen: »Sie beherrschen alle meine Gedanken.« Plötzlich sah er glühend auf. Sie fuhr merklich zurück, dann biß sie sich auf die Lippe. »Es war ein Zufall«, behauptete sie.

      »Nein, Gräfin. Zufall allein würde mir die Kühnheit nicht verliehen haben, mich Ihrem Vater vorzustellen.«

      Jetzt lächelten ihre Augen zum ersten Mal wieder und wurden geistreich. Darauf sagte er, in dem Ton, wie auf dem Karussell: »Übrigens haben Sie es erwartet.«

      Sie, auch wieder herausfordernd: »Geschickt. Sie werden es weit bringen.« Und infolge seiner Miene: »Wenn Sie wollen.«

      »Ich wüßte nur einen einzigen Grund zu wollen«, – und er beugte sich weit vor. Sie blieb dreist lächelnd sitzen.

      »Sagen Sie ihn nicht! Es wäre in unserer Bekanntschaft die erste gewöhnliche Wendung.«

      »Was glücklich macht, ist gewöhnlich.« Worauf er sich erhob. Er stand achtungsvoll beiseite, als Graf Lannas wieder eintrat.

      Der Botschafter trocknete die Stirn und sank erleichtert in seinen Sessel. Zu Mangolf, der ihm folgte: »Ist drinnen abgeschlossen? ... Übrigens, lieber Doktor, begraben Sie alles in Ihrem Herzen!«

      Mangolf legte die Hand auf das Herz. Der Botschafter entspannte sich vollends, er ließ Likör einschenken und reichte Zigarren. Terra sah sich den beflissenen Mangolf an, der ihm auswich; dann nahm er Platz, dem Botschafter gegenüber, die Knie auseinander und die Hände darauf. So sagte er nasal und klangvoll:

      »Wollen Eure Exzellenz einem niedrig Geborenen und durchaus Uneingeweihten, den aus der misera plebs vielleicht nichts anderes heraushebt, als nur seine besonders verehrungsvolle Bewunderung für die Person Eurer Exzellenz, – wollen Sie mir eine kurze Frage gestatten, so wäre es diese: »Wozu gibt es Diplomaten?«

      Da der Botschafter nur mit dem Kopf zuckte:

      »Ich fühle meine überwältigende Unwürdigkeit, mich irgend weiter zu erklären.«

      Er sah tief zerknirscht aus. Graf Lannas ließ Nachsicht walten. »Sie gehören wahrscheinlich zu den jungen Leuten, die sogar die internationalen Geschäfte öffentlich in den Parlamenten verhandelt sehen möchten.«

      Trotz der entrüsteten Verwahrung Terras behielt er seine milde Überlegenheit. »Das junge Geschlecht ist ungewöhnlich selbstbewußt, – was ich persönlich zu schätzen weiß. Wir haben das Glück in einem Staate zu leben, der kein Talent, ich sage kein irgend verwendbares Talent, unverwendet läßt.«

      Mangolf, der nun wußte, woher der Sohn seine Redensarten bezog, drückte mitten im Ordnen verstreuter Papiere, durch eine seitliche Verbeugung seine Überzeugtheit aus. Graf Lannas ließ sich dennoch auf eine ausführliche Darlegung ein, eigens für den tief ergriffenen Terra, der solcher hohen Belehrung rückhaltlos offen, den Mund aufhielt und bei der Anstrengung des Lernens die Zunge darin bewegte.

      Die Öffentlichkeit der internationalen Geschäfte, so lehrte Graf Lannas, sei eine Forderung der Demokratie. Es sei ihre letzte Forderung, es würde sie restlos vollenden. Nun bedenke man ihren Charakter. »Ich schätze die Demokratie.« Wer sehe aber nicht ein, daß sie rücksichtsloser, begehrlicher, brutaler sei als die mehr oder weniger gesättigten Vertreter der zum Glück noch unerschütterten

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