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is ja wie im Fernsehen“, rief ein Taxifahrer seinem Kollegen zu und biss genussvoll in sein Salamibrötchen.

      Mit rot-weißen Bändern, mit grimmigen Beamten, die den Tatort großräumig absperrten, mit zwei Stellwänden um das Opfer und einem Notarztwagen der Kölner Feuerwehr, deren Besatzung freilich schnell einsah, dass hier weniger ein Arzt als vielmehr ein Bestatter zum Zuge kommen würde.

      Hinter der Stellwand kniete ein schmaler Mann um die vierzig, schlank und hoch gewachsen, mit kurzem schwarzem Bart, grauen stechenden Augen und einem schlecht sitzenden, karierten Jackett, das er schon in den Tagen der Polizeischule getragen haben muss. Hauptkommissar Leo Breuer musterte den Toten aufmerksam.

      Mit Handschuhen fischte er vorsichtig die Brieftasche des Mannes aus der Jacke und blickte überrascht auf das Siegel mit dem Adler, das auf dem Ausweis des Mannes prangte: Gordon Rush, Central Intelligence Agency C18 Field Agent Er pfiff leise durch die zusammengepressten Lippen. CIA!

       Was macht ein Agent dieses ausländischen Dienstes hier bei uns? Und weshalb wurde er umgebracht? Da wartet eine Menge Arbeit auf uns! Oder auch nicht? Vermutlich wird das LKA die Sache an sich reißen. Oder der BND. Egal, erst mal weitermachen!

      Ohne weiter etwas zu berühren, wandte er sich an seinen uniformierten Kollegen: Spurensicherung und Rechtsmedizin verständigt?“

      „Sind in fünf Minuten da?“

      Breuer nickte. Jetzt galt es, die Kollegen abzuwarten und darauf zu achten, dass der Tatort nicht kontaminiert wurde, aber wie sein Blick zeigte, hatten die Kollegen ganze Arbeit geleistet.

      Fünfzehn Minuten später bog ein grauer Mazda auf die Domplatte, die sich inzwischen mit Gaffern und neugierigen Touristen gefüllt hatte. Ein Polizist winkte sie durch. Eine Frau in einem grauen Hosenanzug stieg aus, die langen grauen Haare zu einem Zopf gebunden, in der Hand trug sie einen schwarzen Ärztekoffer. Mit festem Schritt bahnte sie sich ihren Weg durch die Gaffer und eilte auf die Stellwände zu.

      „Ah, Frau Dr. Wendler. Schön, dass Sie so schnell hier sein konnten.“

      „Herr Breuer.“

      Die angesprochene Rechtsmedizinerin, eine resolute Endvierzigerin in einem altmodischen, grauen Kostüm, nickte knapp, zog ihre Handschuhe an und machte sich an die Arbeit.

      Sie drehte den Kopf des Opfers, betrachtete die grässliche Wunde am Hinterkopf und unterzog den restlichen Körper einer kurzen Untersuchung. Dann machte sie einige Fotos vom Kopf des Toten. Dachte einen Augenblick nach.

      „Tod durch Gewehrschuss. Projektil ausgetreten, sollte hier in der Nähe zu finden sein. Nach der Größe der Wunde vermute ich, dass es sich um ein großes Kaliber gehandelt hat, vielleicht 12 mm. Der Schütze war kaum mehr als hundert Meter entfernt. Tod trat unmittelbar ein. Alles Weitere nach der Obduktion.“

      Sie vermaß den Schusswinkel und blickte auf das Domhotel. „Schuss kam wahrscheinlich von dort“, sie deutete auf das Hotel. „Vielleicht zweiter oder dritter Stock.“

      Dr. Wendler war nicht gerade für übermäßige Geschwätzigkeit bekannt, ihre Analysen waren knapp aber zutreffend, weshalb sie bei der Polizei sehr geschätzt wurde.

      Breuer nickte und schickte sofort einige Beamten zum Domhotel, auch wenn er ahnte, dass der Täter dort wohl kaum auf die Beamten warten würde.

      Inzwischen hatte sich der Himmel verdunkelt, in einiger Entfernung durchzuckten erste Blitze das drohende Grau der Wolken.

      „Danke, Dr. Wendler. Wir sehen uns bei der Obduktion. Sie geben meinem Büro den Termin?“

      „Morgen früh, zehn Uhr!“, lautete die knappe Antwort, bevor die Ärztin so unauffällig verschwand, wie sie gekommen war. Sofort machte sich die Spurensicherung an die Arbeit und die Blitze der Fotoapparate hellten die zunehmende Dunkelheit auf.

      Kurz darauf leitete ein Donnerschlag einen heftigen Regenguss ein, der Gaffer und Touristen vertrieb und Spuren zunehmend verwischte. Nur Breuer und seine Kollegen standen im Regen und machten ihre Arbeit, während ihnen das Wasser über die grauen Wangen lief.

       2. Kapitel

       Warschau (eine Woche vorher)

       Alle Dinge sind Gift, und nichts ist ohne Gift. Allein die Dosis macht, dass ein Ding kein Gift ist. (Paracelsus)

      Die polnische Hauptstadt lag friedlich in der Abendsonne, froh, einen weiteren Tag kaum erträglicher Hitze überstanden zu haben.

      Unweit vom Kulturpalast, dem Warschauer Wahrzeichen, das die Sowjetunion im Jahre 1952 dem polnischen Volk zum Geschenk gemacht hat (die Alternative wäre der Bau einer U-Bahn gewesen, was weniger prestigeträchtig, aber praktischer gewesen wäre), der im Baustil des sozialistischen Klassizismus immer noch alle anderen Bauwerke Warschaus wie auch Polens überragt, liegt die Ul.Grzybowska. Sie verbindet das Geschäfts -und Bankenviertel Wola mit der Innenstadt und der Zlote Tarasy, dem modernen, großen Einkaufszentrum, ist Tag und Nacht belebt und von zahllosen Geschäften, Bars und Restaurants aller Ausrichtungen gesäumt.

      Viele der Bars und Diners verfügen über eine Außengastronomie und die Menschen gönnen sich nach einem heißen Arbeitstag gerne einen kühlen Drink an den kleinen, mit bunten Decken gedeckten Tischen. Hier trifft man den Banker ebenso wie den Handwerker, die Studentin sitzt neben dem Touristen, der Busfahrer neben dem Versicherungsangestellten. Die Hausfrau hat ihre Einkäufe abgestellt und schlürft Hugo, der Arzt, der bemüht ist, Abstand von seiner Praxis zu bekommen, trinkt genüsslich seinen Weißwein.

      Dazwischen Jugendliche, die neben ihren Eltern sitzen und unbekümmert auf ihre Smartphones hämmern, als gäbe es kein Morgen mehr. Sie haben der Welt ihre Belanglosigkeiten mitzuteilen oder spielen ihre Spiele, immer in dem Bemühen, ein Leben mehr zu erreichen. Andere checken ihren Account bei Facebook und kontrollieren die Zahl ihrer Follower. Schon wieder fünf neue! Wieder andere, die unvermeidlichen Kopfhörer in den Ohren, nippen gedankenverloren an ihrer Cola und wippen im Takt berauschender Töne mit, von ihrer Umwelt nehmen sie kaum noch etwas wahr.

      An einem der Tische saß eine attraktive junge Frau, die die vierzig noch nicht erreicht hatte. Ihr langes blondes Haar fiel in Locken weit über die Schulter. Sie trug einen engen, schwarzen Rock, der ihre sportliche Figur vorteilhaft betonte und eine weiße Bluse, die einen dezenten Blick auf ihre schmalen Brüste zuließ. Ihr Gesicht war ebenmäßig, aber herb, weil sich an den Mundwinkeln Falten eingegraben hatten, die von vielen, wohl auch leidvollen Erfahrungen zeugten.

      Die hochhackigen Pumps hatte sie ausgezogen und neben den Tisch gestellt.

      Sie zog an ihrer Zigarette, nippte an einem Cocktail, blätterte durch ein englisches Modejournal und ignorierte völlig die interessierten Blicke, die die Männer ihr zuwarfen. Ein Bild völliger Entspannung, wie es nur jemand bieten kann, der mit sich und der Welt im Reinen ist. Eher keine gestresste Touristin, vielleicht eine entspannte, einheimische Urlauberin? Oder eine erfolgreiche Geschäftsfrau?

      Von der Straße näherte sich ein Mann von mittlerer Größe und untersetzter Figur.

      Sein beigefarbener Anzug war ein wenig zu groß und verdeckte die sehnige Gestalt.

      Die stechenden grauen Augen waren unter einem gleichfarbigen, breitkrempigen Sommerhut und einer schmalen Sonnenbrille verborgen. Er schien einen Tisch zu suchen und steuerte den Tisch neben der Frau an.

      „Autsch! Can’t you be careful?“

      „Oh, I am so sorry, Madam!“ Englisch mit deutlichem Akzent. Der Mann hatte die Frau angerempelt und die Frau hatte einen kurzen, stechenden Schmerz in der Seite gespürt, der sie zu dieser unwirschen Bemerkung veranlasst hatte.

      Der Mann murmelte einige weitere Worte der Entschuldigung, entfernte sich aber dann wieder, ohne an einem der Tische Platz zu nehmen. Irritiert blickte die Frau ihm nach,

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