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Gott. „Irgendwann kommt man aus so ’ner Nummer nicht mehr raus.“

      Ich gucke.

      „Ja, du hast ja recht“, sagt Gott widerstrebend, „ich hab da wohl bei der einen oder anderen Filiale ein bisschen was schleifen lassen. Aber echt mal, da muss man auch erst einmal drauf kommen, dass es für die eigenen Leute so unglaublich wichtig sein kann, ob jemand im Stehen oder im Sitzen pinkelt. Das ist mir doch so dermaßen egal.“

      „Du musst ja auch nicht das Klo putzen“, sag ich.

      Gott bekommt einen Hustenanfall.

      „Also, was ist jetzt mit Maria?“, frag ich.

      „Ich könnte sie mal wieder brauchen“, röchelt Gott. „Aber es wäre schön, sie würde selbst reden. Es wird schon so viel über sie geredet und das meiste hat mit ihr etwa so viel zu tun wie die AfD mit Weltoffenheit.“

      „Ach, echt?“, frag ich. „Was denn?“

      „Na ja, Jungfrau, immer lieb und nett und so“, sagt Gott. „Ich könnte dir da das eine oder andere erzählen, von wegen lieb und nett.“

      „Apropos Jungfrau“, sag ich. „Hab ich dir eigentlich schon mal erzählt, dass ich mich als Kind immer gefragt habe, warum nur Maria immer mit ihrem Sternzeichen genannt wird?“

      „Jetzt hast du mich abgehängt“, sagt Gott.

      „Na weil ihr Geburtstag doch im September gefeiert wird“, sag ich. „Da ist doch klar, dass sie Jungfrau ist, oder? Ich hab mich nur immer gewundert, warum dann nie vom Steinbock Jesus die Rede war.“

      Gott fängt wieder an zu husten.

      „Da kann man noch so lange Gott sein“, keucht Gott zwischen zwei Hustern, „kleine katholische Kinder haben echt die abstrusesten Ideen von allen. Darf ich einen von den Keksen da?“

      „Tu dir keinen Zwang an“, sag ich.

      „Also, ich hätte Maria gern wieder etwas weiter vorne“, sagt Gott. „Ich hätte gern, dass meine Leute etwas mehr von der Energie haben, mit der sie damals über das Gebirge gestürmt ist. Und von ihrem Jubel über meine Barmherzigkeit und Gerechtigkeit.“

      „Hm“, sag ich. „Vielleicht würde es helfen, du würdest deinen Leuten auch so nahe kommen wie ihr damals.“

      „Vielleicht würde es helfen, meine Leute wären so aufmerksam wie Maria damals“, sagt Gott.

      „Sollen wir Schnickschnackschnuck darum spielen, wer recht hat?“, frag ich.

      „Nee, lass mal“, sagt Gott und nimmt sich noch einen Keks.

      „Weißt du, was mir daran nicht gefällt, wenn Maria immer das leuchtende Vorbild ist?“, frag ich.

      „Du wirst es mir sagen“, sagt Gott.

      „Diese ganze Kiste mit empfangend und demütig und so“, sag ich. „Maria ist da immer so passiv und still.“

      „Passiv und still, Maria? Ich glaub, es hackt“, sagt Gott. „Das wäre nun wirklich das Letzte, was mir zu ihr einfallen würde. Maria wäre die Richtige, eine Weltrevolution anzuzetteln.“

      „Die Mächtigen vom Thron zu stürzen?“, frag ich.

      „Ja“, sagt Gott. „Zum Beispiel.“

      „Aber heute ist es komplizierter“, sag ich. „Die Mächtigen sitzen nicht mehr auf dem Thron. Sie kaufen Saatgutkonzerne und privatisieren das Wasser, sie handeln mit Waffen und spekulieren ganze Volkswirtschaften in Grund und Boden.“

      „Aber niemand kann sagen, er hätte mich dabei auf seiner Seite“, sagt Gott und knallt das Bier so heftig auf den Tisch, dass es ein bisschen spritzt. „Dafür hat Maria gesorgt.“

      „Und du hättest gern, dass sie das nochmal klarstellt“, sag ich.

      „Nein, nein, das war schon klar genug“, sagt Gott wieder ruhiger und wischt den Tisch mit dem Ärmel trocken. „Aber sie ist ja schon jemand, die Leute zusammenbringen kann. Mehr Frauen, die gemeinsam was reißen, das fände ich gut.“

      „Nichts dagegen“, sag ich. „Aber wenn Maria gerade nicht greifbar ist, dann könntest du ja vielleicht doch noch mal gucken, wie du deinen Leuten selber beibringst, dass du kein Macho-Gott bist. Hast du noch so ein Bier für mich?“

      „Klar“, sagt Gott. „Aber weißt du, eigentlich ist das Coole am Gottsein ja gerade, sich nicht erklären zu müssen.“

      „Da ist vermutlich was dran“, sag ich.

      „Kann ich heute bei dir pennen?“, fragt Gott.

      „Fühl dich wie zu Hause“, sag ich.

      „Danke“, sagt Gott. „Und morgen starten wir dann die Weltrevolution.“

      „Oder wir gehen nochmal zu den Ladys in deiner Kirche und lassen ihnen eine Portion Mut und Hoffnung herüberwachsen“, sag ich. „Wenn du dabei bist, dann geht das bestimmt. So wie bei Maria damals. Weil sie zu deinem Team gehören und für Gerechtigkeit aufstehen können.“

      „Hab ich dir eigentlich schon mal gesagt“, sagt Gott, „dass ich es immer toll finde, wenn wir zwei das Gleiche vorhaben? So machen wir das.“

      „Ja“, sag ich. „Ich freu mich drauf. Und Amen.“

       Bratkartoffeln

      Bei Zeitfenster haben wir in den vergangenen Jahren in der Karnevalszeit jeweils einen Gottesdienst mit einem Preacher-Slam anstelle einer Predigt gefeiert. Dabei geht es um einen Wettbewerb zwischen mehreren Prediger*innen, zu einem vorgegebenen Thema dicht, poetisch und natürlich auch theologisch zu sprechen. 2017 stand der Zeitfenster-Preacher-Slam unter dem Thema „Essen ist fertig“.

      „Warum genau sind wir nochmal hier?“, fragt Gott und hebt die gebratene Garnele sorgfältig mit der Gabel an, um den darunter liegenden Kokos-Chili-Schaum zu betrachten.

      „Du wolltest eine Location für den nächsten Betriebsausflug testen“, sag ich. „Und du wolltest, dass es richtig schön ist und man richtig gut essen kann.“

      „Ja“, sagt Gott. „Ich dachte dabei aber eher an Bratkartoffeln und ‚All you can eat‘, verstehst du? Also schön ist es ja, aber ich hatte eigentlich nicht an Portionen im unteren zweistelligen Grammbereich gedacht.“

      „Das klingt, als wären wir hier am falschen Ort“, sag ich.

      Gottes Miene hellt sich auf.

      „Nach allem, was du mir erzählt hast“, sagt Gott, „ist das bestimmt ein katholisches Restaurant, oder?“

      „Was?“, frag ich. „Wie kommst du denn darauf?“

      „Ich dachte“, sagt Gott, „weil Katholiken ja auch die sind, die mein Abendmahl mit kleinen runden Esspapierscheibchen feiern. Ich dachte, das hätte vielleicht Prinzip. Abstraktes Essen oder so. Immerhin klingeln die Scheibchen auch beim Hochheben.“

      „Erstaunlicher fand ich als Kind immer, dass der Kelch klingeln konnte“, sag ich.

      „Ich weiß“, sagt Gott. „Das war witzig, wie du immer den Hals gereckt hast, um zu sehen, wo an diesem Kelch die Glöckchen waren.“

      „Die Dorfkirche war klein und ich durfte halt nie vorne bei den Messdienern sein“, sag ich. „Und eigentlich können weder der Kelch noch die Scheibchen klingeln.“

      „Du bist echt süß, dass du mir das erklären willst, Herzchen“, sagt Gott. „Auch wenn ich im Nachhinein beim letzten Abendmahl einen klingelnden Kelch schon schick gefunden hätte. Erklär mir lieber, wie man hiervon satt werden soll.“ Gott balanciert probeweise ein wenig Kokos-Chili-Schaum auf der Gabel.

      „Komm“, sag ich und lege mein Besteck beiseite. „Wir gehen besser.“

      „Bezahlst

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