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target="_blank" rel="nofollow" href="#ulink_bc292d23-4210-5079-9421-26eb5001f944">1 Das Motto ist ein Zitat aus dem Interview „Die Wiederverzauberung der Welt“ von Alex Rühle mit der Autorin Marion Poschmann. Süddeutsche Zeitung Nr. 68 vom 23.03.2021, S. 12.

      Sabine Apfler & Bettina Mikas

      Heimatkundeunterricht neu gedacht

      1. Einleitung

      Im Rahmen des Sachunterrichts werden mit der Auseinandersetzung mit der unmittelbaren Lebenswelt der Kinder aktuelle Themen wie Klimawandel und Klimaschutz und der Einfluss des Menschen auf den Lebensraum Erde bearbeitet. Besonders in den letzten etwa 200 Jahren, seit Beginn der Industriellen Revolution, ist dieser Einfluss so stark, dass man von einem „menschgemachten Zeitalter“, dem Anthropozän, spricht.

      Durch eine Verknüpfung der Themenbereiche Anthropozän und Bildung für nachhaltige Entwicklung steht in Bildungsprozessen die Mensch-Natur-Beziehung im Mittelpunkt. Im Unterricht der Primarstufe können Kinder angeleitet werden, sich mit dem Verhältnis von Mensch und Natur auseinanderzusetzen und ein Verständnis für die Auswirkungen menschlichen Handelns auf Natur und Umwelt zu erlangen. Dabei ist der historische Kontext ebenso bedeutsam wie der Blick in die Zukunft. (Vgl. Scheuch & Sippl 2019)

      Auf der Grundstufe 2 erarbeiten die Kinder im Rahmen des Heimatkundeunterrichts ihren Heimatort. Dabei bilden „Beispiele aus der Umgebung der Kinder […] die Grundlage für das Erkennen und Verstehen von Zusammenhängen zwischen landschaftlichen, kulturellen, wirtschaftlichen und verkehrstechnischen Gegebenheiten.“ (Scheuch & Sippl 2019, 21)

      Die Erkundung des eigenen Heimatortes ist in erster Linie dem Lern- und Erfahrungsbereich Raum zuzuordnen. Dennoch stellt sich die Frage, ob es im Rahmen eines projektorientierten Unterrichts möglich ist, auch in den anderen Lern- und Erfahrungsbereichen des Sachunterrichts (Gemeinschaft, Natur, Zeit, Wirtschaft und Technik) und in den Fachbereichen Mathematik und Deutsch sowie in den künstlerischen Unterrichtsfächern vielfältige Lernmöglichkeiten zu bieten.

      Exemplarisch dazu werden im Folgenden Methoden zur projektorientierten Auseinandersetzung mit dem Anthropozän in Verbindung mit der Erkundung des Heimatortes am Beispiel Puchberg am Schneeberg gezeigt. In einer ersten Projektphase wurde gemeinsam mit einem Projektpartner aus dem kulturellen Bereich eine Broschüre für Kinder über den Heimatort erarbeitet, die publiziert und vermarktet wurde.

      In einer zweiten Phase, die hier genauer beschrieben wird, erfolgte, aufgrund der pandemiebedingten Schulschließungen im Frühjahr 2020, eine Auseinandersetzung mit dem Heimatort mithilfe digitaler Medien. Das Ziel dieser Projektphase, in der das Onlinetool ThingLink eingesetzt wurde, war eine Beschäftigung mit der Frage, welche Auswirkungen die Geschichte des Ortes, der aktuelle Tourismus und die Industrie auf den Ort haben und welche Möglichkeiten Bildung für nachhaltige Entwicklung für die Lernentwicklung der Schüler*innen bietet.

      2. Sachunterricht in der Volksschule

      Kindern die Möglichkeit zu geben, sich mit ihrer unmittelbaren und mittelbaren Lebenswirklichkeit auseinanderzusetzen bedeutet, ihnen anhand altersgemäßer Lern- und Entdeckungsräume eine vielseitige Betrachtung dieser Wirklichkeit und der Stellung des Menschen darin bewusst zu machen. Das Ziel besteht darin, die Schüler*innen zu einem bewussten, eigenständigen und verantwortlichen Handeln zu befähigen. Der Unterrichtsgegenstand Sachunterricht wird dabei in die Erfahrungs- und Lernbereiche Gemeinschaft, Natur, Raum, Zeit, Wirtschaft und Technik gegliedert. Sowohl in der Auseinandersetzung mit dem eigenen Heimatort, als auch mit dem Thema Anthropozän können alle Lernbereiche miteinander verbunden werden. (Vgl. Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur 2012, 84)

      2.1 Heimatkunde und Anthropozän

      Der Einfluss des Menschen auf den Lebensraum Erde ist groß, was den Schluss auf ein menschgemachtes Zeitalter zulässt – das Anthropozän. Der Beginn des Anthropozäns kann mit dem Beginn der Industriellen Revolution vor ca. 200 Jahren datiert werden. Der Mensch ermöglichte sich selbst, in biologische, geologische und atmosphärische Prozesse der Erde massiv einzugreifen. Heutige Eingriffe werden jedoch vermutlich noch in 100.000 bis 300.000 Jahren nachwirken. Der Einfluss des Menschen auf die Erde ist global nachweisbar und kann nicht umgekehrt werden, was den Grund dafür liefert, das Anthropozän in die geologische Zeitskala aufzunehmen. (Vgl. BR Wissen 2018)

      Zunächst wird der Begriff des Anthropozäns geklärt und auf die Bedeutung des Zeitalters im Schulkontext fokussiert. Der Begriff Anthropozän leitet sich aus dem Griechischen ab und bedeutet sinngemäß das menschlich gemachte Neue. Der Mensch wird also zum Hauptakteur und initiiert und verstärkt als mächtiger Gestalter die Veränderungen des Erd-systems. Diese Veränderungen sind nachweisbar und schlagen sich langfristig in der Natur nieder. Dieser Umstand eröffnet auch neue Perspektiven, wenn er als Denk- und Handlungsrahmen genutzt wird. Der Mensch nutzt seine Umwelt, er prägt und verändert sie, indem er als Jäger Tierarten ausrottet, andere domestiziert oder Wälder abholzt, um Ackerbau und Viehzucht zu betreiben. Der Beginn dieser Entwicklung liegt also schon ca. 8000 Jahre zurück. Ein weiterer Marker wird im Zeitraum der Industriellen Revolution gesetzt, wobei die große Beschleunigung in den 1950er-Jahren stattfindet. Durch die Massenkonsumgesellschaften und den hohen Ressourcenverbrauch kommt es zu doppelten Umwelteffekten, da viele Ausformungen und Auswirkungen auf der gesamten Welt auftreten. Diese systemisch vernetzten Folgen sind nicht nur regional und lokal spürbar. (Vgl. Möllers 2014) Die Bedeutung von Klimaschutz und Klimawandel ist vielen Menschen, nicht zuletzt durch mediale Berichterstattungen, bewusst und sie setzen sich aktiv mit diesen Themen auseinander. Hier finden die Themenbereiche Anthropozän und Heimatkunde gute Anknüpfungspunkte. Anhand der geschichtlichen Entwicklung des Ortes können die Spuren des Menschen in Landwirtschaft, Industrie und Tourismus belegt und kritisch betrachtet werden.

      2.2 Mensch-Natur-Beziehung im Sinne der Bildung für nachhaltige Entwicklung

      Fließen in das Thema Anthropozän nicht nur geologische, sondern auch als kulturelle Aspekte ein, so entsteht ein Denkrahmen für Bildungsprozesse. Dabei soll es um eine Neudefinition der Mensch-Natur-Beziehung gehen. Kinder können im schulischen Kontext, dabei vor allem im Sachunterricht, Umweltbildung erleben, wenn auf die Subjekt-Objekt-Beziehung im Bereich der technisch-naturwissenschaftlichen Diskurse eingegangen wird. Im Bereich der Primarstufe kann das

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