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Ausdruck zu bewahren. In ihren Augen funkelten Neid und Begierde, dachte er befriedigt, während er die Gedanken an die äußerst verlockenden Kaufangebote verscheuchte, die ihm von einigen seiner Konkurrenten angetragen worden waren. Nein, er würde Meriban nicht verkaufen, nicht für alle Dukaten der Welt, und gewiß nicht im Moment, da sie sich auf dem Höhepunkt ihrer Kraft und Gewandtheit befand. »Wir beide sind ein unschlagbares Gespann, meine Schöne«, raunte er der Stute zu, und als hätte sie seine Worte verstanden, wandte das Tier in diesem Augenblick den Kopf und blickte ihn aus seinen wunderbaren, glänzenden schwarzen Augen an.

      Eigentlich gab es nur einen ernstzunehmenden Gegner, und der Namenlose – oder wer auch immer – hatte es so gefügt, daß sie beide für das erste Rennen ausgelost worden waren. Sindar war ein muskulöser, feuriger Nebelschimmel (womöglich gar ein wenig sprungstärker als meine Meriban, ging es Fuxfell durch den Kopf, aber bei weitem nicht so fügsam und klug), und seine Reiterin, die junge Brinna von Efferdas, war eine kühne und kämpferische Frau. Verstohlen schaute er zu der Baroneß hinüber, aber sie blickte starr geradeaus, fast als schliefe oder träumte sie. Vielleicht sollte auch ich mich mehr auf das Rennen einstimmen, dachte Fuxfell. Meriban ist immer etwas langsam beim Start, da werden wir wohl ein paar Schritt zurückfallen, aber nach dem zweiten Hindernis sollten wir die Gegner hinter uns gelassen haben – bis auf Sindar, vermutlich. Ich hätte mir den Hengst genauer ansehen sollen, um ihn besser einschätzen zu können, aber wer konnte auch damit rechnen, daß wir für ein und dasselbe Rennen ausgelost werden? Nun, die Hürden und Wassergräben werden Meriban keine Schwierigkeiten bereiten, heikler wird es bei den Hecken – Hindernisse, die sie nicht überblicken kann, machen sie stets nervös. Da kommt es darauf an, daß ich ihr die Furcht nehme. Sie muß gehorchen und mir vertrauen … Weiter kam er nicht mit seinen Überlegungen, denn soeben hatte der oberste Phexenspriester, der traditionsgemäß das Starten übernahm, seinen Platz neben der Strecke bezogen. Er hielt einen aus feinstem Papier gefertigten Beutel in der Rechten, den er nun an die Lippen setzte und aufzublasen begann. Als der Beutel prall gefüllt war, holte er mit der Linken weit aus. »Und…«, erklang es in der atemlosen Stille, die sich über dem Rennplatz ausgebreitet hatte. Das nachfolgende »Los!« wurde übertönt von dem lauten Knall, mit dem der Beutel zerplatzte, als der Geweihte die Hände zusammenschlug.

      Sechs Pferde stoben davon, allen voran Praiosblume, ein Falber aus dem Gestüt derer von Onjaro. Meriban, die bei dem Knall ein wenig gestiegen war und ein leises Wiehern ausgestoßen hatte, brauchte einen Moment, bis sie sich so weit gesammelt hatte, daß sie sich der Führung ihres Reiters überlassen konnte. Nun lief sie dreißig Schritt hinter dem Feld, und Fuxfell hieb ihr zornig die Fersen in die Flanken. »Schneller, Mädchen, mach mir keine Schande!« schrie er, und wieder war es, als hätte die Stute die Worte ihres Herrn verstanden: Mit geblähten Nüstern, den schönen Kopf stolz erhoben, begann sie zu laufen, schneller und immer schneller, bis ihre kleinen Füße den Boden kaum noch zu berühren schienen. »So ist es brav, meine Schöne«, rief Fuxfell begeistert, »zeig ihnen, was du kannst!« Sein Ärger über den mißlungenen Start war verflogen, als er spürte, wie das Tier seine Bewegungen aufnahm und Roß und Reiter zu der gewohnten Einheit verschmolzen, die ihn stets mit einem Gefühl von Glück und Macht erfüllte.

      Das Feld rückte näher, bald unterschied er die einzelnen Tiere und ihre Reiter, und noch vor dem ersten Hindernis hatte er Aldara überholt, die schwächste seiner Konkurrenten. Sindar, Nachtvogel und Praiosblume bildeten die Spitze und erreichten fast gleichzeitig die erste Hürde. Sindar und Praiosblume nahmen das Hindernis ohne Mühe, aber Nachtvogel verweigerte, und Fuxfell sah, wie sein Reiter das Tier unwirsch herumriß, um einen zweiten Anlauf zu nehmen. Zwei weniger, dachte er mit Genugtuung, denn einen solchen Zeitverlust könnte auch das schnelle Halb-Shadif nicht wieder aufholen.

      Meriban hatte nun ihren Rhythmus gefunden. Sie flog dahin, nahm die Hürde ohne Mühe und setzte ihren Lauf fort, als wäre er nie durch einen Sprung unterbrochen worden. »Weiter, Meriban, so ist’s gut, meine Schöne, lauf, lauf!« trieb er sein Pferdchen nun fast zärtlich an, denn das Tier hatte durch den weiten, eleganten Sprung so viel Raum gewonnen, daß es sich nun auf fast gleicher Höhe mit Beleman befand, einem etwas gedrungenen Fuchs-Wallach. Aber Beleman ist nicht schnell und auch nicht ausdauernd genug, um den Vorteil seines guten Starts zu halten oder gar auszubauen, dachte Fuxfell. Und richtig, just in dem Augenblick, als Beleman zum Sprung über den Graben ansetzte, hatte auch Meriban diesen erreicht, und wieder flog sie, fast ohne der sanften Anweisungen ihres Reiters zu bedürfen, in weitem Bogen über das Hindernis. Als sie, leicht wie eine Feder, ihren Lauf wieder aufnahm, hörte Fuxfell hinter sich das platschende Geräusch von Wasser. Er blickte sich um und sah, wie Freifrau Firisia von Marudret völlig durchnäßt aus dem Graben stieg, während Beleman verzweifelt versuchte, das Ufer zu erklimmen. Nun gut, nur noch zwei, und das Rennen ist noch lange nicht vorüber, dachte Fuxfell und fühlte, wie seine Lippen sich zu einem Lächeln verzogen.

      Die Rennstrecke war so angelegt, daß drei Hindernisse auf einer abgeflachten Kreisbahn aufgebaut waren: Hürde, Graben, Hecke. Diese Bahn mußte zweieinhalbmal umrundet werden, so daß der Reiter acht Hindernisse überwunden hatte, wenn er sein Pferd auf den geraden Abzweig lenkte, der zum dreihundert Schritt entfernten Ziel führte und auf dessen halber Strecke sich das letzte und schwierigste Hindernis befand, die Hecke mit dem Wasserbassin dahinter.

      Das nächste Hindernis, die Hecke, rückte näher, und Sindar hatte nun endgültig die Führung übernommen – er war Praiosblume um fast eine Länge voraus. Aber der Abstand zwischen Meriban und Sindar hatte sich nicht vergrößert, nein, er schrumpfte, er schrumpfte ganz eindeutig. »Oh, Meriban, meine Kluge, meine Schöne, ich liebe dich!« rief Fuxfell begeistert; für einen kurzen Moment spürte er ein Auflodern hitziger Leidenschaft. Und wieder war es, als hätte das Tier seine Worte verstanden: Ein winziger Schauder durchzuckte die Stute, und sie schüttelte den Kopf, als wollte sie sagen: ›Ich liebe dich auch, mein süßer Herr, und dies ist nur ein Spiel, ein schönes, wildes Spiel, und wir werden es gewinnen.‹

      Als zuerst Sindar und kurz darauf Praiosblume über die Hecke setzten, sah Fuxfell, daß beide Tiere die obersten Zweige gestreift hatten. Das durfte Meriban nicht passieren! Der plötzliche peitschende Schmerz an ihren empfindlichen Fesseln würde das empfindsame Tier so sehr verwirren, daß es womöglich aus dem Takt käme. »Keine Angst, meine Schöne, du schaffst es«, flüsterte er ihr zu, als er mit einem kurzen Ruck am Zügel die Stute zum Sprung ermunterte. Doch die kluge Meriban hatte das Kommando ihres Reiters schon im voraus erahnt und setzte ihren Sprung so hoch an, daß – als sie auf dem Scheitelpunkt ihrer Flugbahn elegant die Hinterläufe anzog – mehr als ein Spann Raum zwischen diesen und der Hecke blieb.

      Als die zweite Runde begann, war Fuxfell sicher, das Rennen zu gewinnen. Der Abstand zu Praiosblume hatte sich so weit verringert, daß Meriban ihn noch vor dem Graben einholen würde. Zwar ging ihr Atem inzwischen stoßweise, und das Fell ihres Halses war naß von Schweiß, aber Fuxfell kannte ihre Zähigkeit und Ausdauer. Nein, vor dem Ziel würde sie nicht aufgeben! Zunächst aber galt es, wiederum die Hürde zu überwinden. Sindar nahm sie ohne Mühe, kurz nach ihm setzte Praiosblume zum Sprung an, doch was war das? Entweder Pferd oder Reiter hatten den Sprung falsch berechnet und zu früh angesetzt. Wie dem auch sein mochte – Praiosblume streifte den oberen Holm der Hürde so heftig, daß er beim Aufsetzen strauchelte, stürzte – und der Baronet von Onjet flog in hohem Bogen auf die Rennbahn, wo er reglos liegenblieb.

      Bei Phex, was soll ich tun? Bürschchen, roll dich zur Seite! dachte Fuxfell verzweifelt, als ihm klar wurde, daß der Kopf des Baronets just an der Stelle lag, wo in wenigen Wimpernschlägen Meribans zierliche Hufe aufsetzen würden. Es war zu spät, denn schon spannte sie sich zum Sprung, wie er es ihr halb unbewußt befohlen hatte. Zu spät, zu spät, dachte er, denn nun stieg sie, flog – Fuxfell schloß die Augen – und gab im letzten Augenblick durch eine angestrengte Bewegung ihres Körpers und ihrer Füße dem Sprung eine andere Richtung, so daß sie wenige Spann neben dem Baronet landete.

      »Oh, Meriban, mein Kleinod, mein Juwel«, jubelte Fuxfell, »bist nicht nur schön und klug – auch rücksichtsvoll!« Denn als er nun zurückblickte, sah er, wie der Baronet sich mühsam erhob; es war ihm wahrhaftig kein Unbill widerfahren, weder durch den Sturz noch durch Meribans Hufe.

      Nun haben wir nur noch einen Gegner, dachte Fuxfell mit grimmiger

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