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großen Gefühlen helfen: Geplante Wutanfälle

      Oftmals kündigt sich ein schwerer Trotzanfall in der Form an, dass mein Sohn schlecht gelaunt / streitlustig / im Streit mit seiner Schwester ist, und all die Dinge tut, bei denen die Eltern bestrebt sind, ihren Kindern beizubringen, diese nicht zu tun. Und dann bricht ein riesiger Sturm an Emotionen los. Auch wenn ich gelernt habe, (meistens) ruhig zu bleiben, ist es für mich dennoch sehr aufreibend, und meistens begreife ich erst, wenn sich der Sturm gelegt hat, dass er gerade einen »Wutanfall« hatte und dass es toll ist, dass er etwas von dem Ärger in seinem »emotionalen Rucksack« loslassen konnte.

      Lindsay

      Was ist ein geplanter Wutanfall? Es handelt sich hierbei um die gleiche Art von Trotzanfall, den Ihr Kind auf dem Spielplatz oder im Supermarkt hat, mit dem Unterschied, dass Sie ihm die Möglichkeit geben, diesen Trotzanfall zu Hause zu bekommen und Sie ihm Ihre Aufmerksamkeit schenken können, während Ihr Baby schläft.

      Vielleicht erscheint es befremdlich, Ihrem Kind die Möglichkeit zu geben, einen Wutanfall zu haben. Aber Ihr Kind wird diese Gefühle haben, ganz gleich, ob Sie diese willkommen heißen oder nicht. Bei kleinen Kindern entwickelt sich der Teil im Gehirn noch, der für Schlussfolgerungen zuständig ist, und somit überfordern Gefühle kleine Kinder schnell. Manchmal müssen Kinder (wie Erwachsene auch) einfach weinen. Sobald Sie dem Kind die Gelegenheit geben, diese beängstigenden Gefühle in der Sicherheit Ihrer liebenden Gegenwart zu fühlen, verfliegen die Emotionen und es kann einfach sein Leben weiterleben. Tatsächlich reduzieren Tränen die Stresshormone im Blut Ihres Kindes, sodass es glücklicher und entspannter ist. Somit ist es ein großes Geschenk, wenn Sie den Ärger Ihres Kindes willkommen heißen und ihm durch den Sturm helfen können. Ihr Kind wird nicht nur den Rest des Tages glücklicher sein (und wahrscheinlich den Rest der Woche auch), sondern sich Ihnen auch näher fühlen und kooperativer sein.

      Ich habe noch keinen Vater und keine Mutter getroffen, deren erste Reaktion auf einen Tobsuchtsanfall ihres Kindes lautete: »Juchu! Jetzt kann es mir diese angestauten Emotionen zeigen und sich besser fühlen!« Von Natur aus reagieren wir auf das provokative Verhalten unserer Kinder in der Art, dass wir uns immer mehr aufregen, bis wir sie schließlich am liebsten im Zimmer einsperren oder Schlimmeres machen würden. Erst später sind wir in der Lage, zu verstehen, dass alles besser wurde, nachdem unser Kind geweint hatte. Es musste sich ganz offensichtlich durch ein paar große Emotionen hindurcharbeiten – aber wie hätten wir das wissen können?

      Die Antwort lautet, dass, wenn Kinder jammern, unnachgiebig und fordernd sind oder sich bewusst daneben benehmen, es immer ein Anzeichen dafür ist, dass etwas nicht in Ordnung ist. Dies kann etwas Körperliches sein, wie zum Beispiel die Abwehr einer Erkältung, oder etwas Emotionales, wie zum Beispiel die krankheitsbedingte Abwesenheit eines Lehrers, oder ein großer Entwicklungssprung, wie zum Beispiel Fahrrad fahren zu lernen. Doch oftmals ist es nichts Konkretes, sondern nur die Anhäufung von kleinen Belastungen, die das Kind nicht durch Spiel oder Worte aufarbeiten konnte und so im Unterbewusstsein, oder wie ich es nenne, im »emotionalen Rucksack« ablegt.

      Wenn Ihr Kind also einen harten Tag hat, dann hat dieser harte Tag eine reale Ursache, genauso wie unsere harten Tage eine reale Ursache haben. Um unserem Kind im Umgang mit seinen Gefühlen helfen zu können, müssen wir glücklicherweise den Grund für sein Unglücklich-Sein nicht kennen. Wenn Kinder gestresst sind, werden sie dies immer zum Ausdruck bringen, und Lachen oder Weinen wird für gewöhnlich heilen, was auch immer nicht in Ordnung ist. Es sei denn, der Grund für den Stress bleibt bestehen. Sprich, immer dann, wenn Ihr Kind besonders schwierig ist, sollten bei Ihnen die Alarmglocken läuten. Es ist nicht nur einfach widerborstig. Es ist emotional gestresst und braucht Ihre Hilfe.

      Ihr Ziel ist es, Ihrem Kind dabei zu helfen, Ihnen zu zeigen, was los ist. Wenn Kinder verärgert sind, sind Worte kontraproduktiv, denn das Kind muss sich zu sehr anstrengen nachzudenken, und die Emotionen werden abgeschaltet. Angesehen davon sind die meisten Kinder nicht in der Lage, auszudrücken, warum sie verärgert sind, zumindest nicht bevor sie eine Weile geweint haben. Zum Glück sind Kinder so »konzipiert«, dass sie sich selber heilen können, indem sie ihre Schmerzen sichtbar machen, ganz genauso wie ihr Immunsystem eine Infektion an die Oberfläche bringt, um zu heilen. Alles, was Sie tun müssen, ist einen sicheren Raum zu schaffen, um diesen natürlichen Prozess zu unterstützen.

      Gestehen Sie sich zunächst jegliches Gefühl von Ärger, das Sie fühlen, ein und versuchen Sie dann Ihre innere Haltung zu einer empathischen Haltung hin zu verlagern, damit Sie mitfühlen können. Dies ist nicht einfach, wenn Ihr Kind provoziert. In so einer Situation hilft es, ein Mantra zu wiederholen, das Sie daran erinnert, dass »Kinder genau dann am meisten Liebe brauchen, wenn sie es am wenigsten verdienen«. Ihr Kind braucht in diesem Moment von Ihnen das Gefühl, dass Sie es immer noch lieben, egal, was passiert.

      Schaffen Sie einen sicheren Raum. Beginnen Sie mit körperlicher Zuneigung. Wenn Ihr Kind offen dafür ist, dann raufen Sie ein wenig mit ihm, um es zum Lachen zu bringen (siehe Kapitel 8). Dadurch schaltet sein Körper von Stresshormonen auf Bindungshormone um und die Wahrscheinlichkeit steigt, dass es weinen wird anstatt in der Wut festzustecken.

      Laden Sie den Wutanfall ein, indem Sie eine freundliche Grenze (bei egal was) setzen. Wenn Ihr Kind zum Beispiel nicht genügend Zeit mit Ihnen alleine hatte, dann wird ein »Ich befürchte, wir müssen bald mit dem Spielen aufhören, Schatz« all die Trauer darüber, dass es Sie verloren hat, hervorbringen und ggf. Tränen verursachen. Sie können auch in Bezug auf sein Verhalten oder auf etwas, das es will, eine freundliche Grenze setzen.

      Wenn Ihr Kind wütend wird, vergrößern Sie Ihr Mitgefühl. Kinder werden oftmals wütend, wenn wir empathisch sind. Das bedeutet nicht, dass Sie etwas falsch machen. Ihr Kind schnauzt Sie an, weil es in Kontakt mit seinen Gefühlen gebracht wird, wenn Sie ihm Verständnis anbieten. Die Gefühle stehen in diesem Moment bedrohlich vor ihm und drohen, es mit Schmerz und Angst zu überwältigen. Somit macht es das, was wir alle machen, wenn wir uns bedroht fühlen – es schlägt um sich. Anders ausgedrückt: Seine Wut ist ein Schutz vor weiteren verletzenden Gefühlen. Ihr Ziel ist es, ihm dabei zu helfen, sich sicher genug zu fühlen, um hinter die Wut zu gelangen. »Mein Schatz, ich sehe, wie verärgert du bist … es tut mir leid, dass es so schwer für dich ist.« Wenn Sie mitfühlend genug bleiben können – was die Herausforderung schlechthin für die meisten von uns ist – wird es beginnen zu weinen. Und das hat eine heilende Wirkung, nicht die Wut.

      Was, wenn es nicht weint? Nehmen Sie Abstand und stellen Sie für ein paar Tage Sicherheit und Verbundenheit her mithilfe der vorbeugenden Werkzeuge wie Empathie, Raufen und Wunschzeit. Dann nehmen Sie all Ihr Mitgefühl zusammen und versuchen es erneut.

      Heißen Sie den Ärger willkommen. Wenn Sie auf die Wut Ihres Kindes mit Mitgefühl und einem weichen Herzen reagieren, wird es vermutlich weinen. Je mehr es weint, desto besser. Die Angst ist in seinem Körper eingesperrt. Vielleicht schlägt es um sich und schwitzt und will irgendwo gegendrücken; dies hilft seinem Körper, die Angst loszulassen. Wenn es um sich schlägt, gehen Sie etwas zurück, damit es Ihnen nicht wehtun kann. Denken Sie daran, die Wut gehört nicht zum heilenden Teil. Ihre Aufgabe besteht darin, dass Sie Ihrem Kind dabei helfen, sich sicher genug zu fühlen, um die Wut zu überwinden und an die verletzlicheren Gefühle von Angst, Trauer und Machtlosigkeit heranzukommen.

      Was, wenn es Sie anschreit und sagt, dass Sie still sein sollen? Hören Sie auf zu reden. Die tiefste Heilung findet jenseits der Worte statt. Also stellen Sie keine Fragen, sobald Ihr Kind wütend ist, und sagen Sie selber so wenig wie möglich. Helfen Sie ihm einfach dabei, sich sicher genug zu fühlen, um weinen zu können. »Du bist in Sicherheit … ich bin hier … Jeder muss manchmal weinen.« Es wird später noch genügend Zeit geben, um Ihrem Kind etwas beizubringen.

      Was, wenn Sie es nicht in den Arm nehmen dürfen? Bleiben Sie bei ihm. Sagen Sie: »Ich bin hier, wenn du eine Umarmung brauchst.« Versuchen Sie, beim Schmerz Ihres Kindes zu bleiben. Denken Sie nicht an Ihre Einkaufsliste. Schon bald wird Ihr Kind in Ihren Armen liegen und weinen.

      Was, wenn es Sie anschreit und

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