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      Empathische Grenzen setzen

      Die ideale Linie zwischen strengem und nachgiebigem Handeln verläuft da, wo wir das Kind so unterstützen, dass es unsere Erwartungen erfüllt. Wie können wir unterstützen, wenn wir gleichzeitig Grenzen setzen müssen? Setzen Sie die Grenze mithilfe von Empathie, sprich, Sie verbinden sich mit dem Kind und erkennen seine Sicht der Dinge an. Hier ein paar Beispiele dazu.

      Atmen Sie zunächst immer einmal tief ein, um sich zu zentrieren. Führen Sie dann das Kind zu dem gewünschten Verhalten, während Sie sich mit ihm wieder verbinden.

      Die Grenze setzen und gleichzeitig die Gefühle des Kindes anerkennen

       Statt zu sagen: »Schrei das Baby nicht an! Dadurch weint es nur noch mehr!«

       Versuchen Sie: »Ich verstehe, dass das Weinen des Babys so laut ist, dass dir die Ohren wehtun. Meine Ohren tun auch weh. Aber es anzuschreien ist nicht in Ordnung … Es macht ihm Angst und es weint dadurch nur noch mehr.«

      Die Grenze empathisch setzen und dem Kind seinen Wunsch in der Fantasie erfüllen

       Statt zu sagen: »Sei nicht egoistisch. Ich spiele mit dir seit einer Stunde Kaffeekränzchen und das Baby hat Hunger!«

       Versuchen Sie: »Du wünschtest, wir könnten weiter Kaffeekränzchen spielen. Ich muss das Baby holen, wenn es weint, damit es sich nicht allein fühlt und verängstigt ist, genauso, wenn ich zu dir komme, wenn du weinst … Ich wette, du wünscht dir manchmal, dass es wieder nur uns beide gäbe, wie vorher, richtig? Es hört sich so an, als würdest du gerne mit mir hier den ganzen Morgen sitzen und Kaffeekränzchen spielen und müsstest mich mit niemandem teilen…«

      Die Grenze empathisch setzen und dem Kind die Wahl lassen

       Statt zu sagen: »Das ist gefährlich! Gib mir den Stock!«

       Versuchen Sie: »Andreas, hörst du Lukas? Er sagt, dass er den Stock nicht so nah an seinem Gesicht haben möchte … Du kannst entweder den Stock runternehmen oder mit mir hier rübergehen, um ihn durch die Luft zu wirbeln, denn so ist er weit genug von deinem Bruder entfernt.«

      Die Grenze empathisch setzen und das Kind spielerisch dazu auffordern, zu kooperieren

       Statt zu sagen: »Wenn ihr nicht aufhört, euch wegen der Couch zu streiten, müsst ihr beide von ihr runter!«

       Versuchen Sie: »Wir werden den Streit über die Couch lösen! Ich habe die Couch nie für mich alleine!«, während Sie sich auf die Kinder plumpsen lassen.

      Die Grenze empathisch setzen und Ihre Grenzen durch Handeln wahren

       Statt zu sagen: »Ich habe dir drei Mal gesagt, du sollst aufhören, deine Schwester nass zu spritzen! Los, aus der Wanne raus! Hör auf zu heulen, es ist deine eigene Schuld.«

       Versuchen Sie: »Paul, sieh dir das Gesicht deiner Schwester an … Das ist zu viel Nassspritzen für sie. Und für mich auch, ich werde auch ganz nass. Kannst du bitte damit aufhören? Nein? Okay, dann ist das Baden für heute Abend beendet … Komm raus. Du weinst, du wolltest noch nicht aus der Wanne … Du liebst es, mit dem Wasser zu spritzen, nicht wahr? Wenn das Baby in der Wanne ist, ist es nicht in Ordnung, so mit dem Wasser zu spritzen. Wie wäre es, wenn wir morgen das Planschbecken im Garten aufstellen und du so viel wie du willst im Wasser planschen kannst?«

      Die Grenze empathisch setzen und das Kind dazu auffordern, mit Ihnen eine Win-win-Lösung zu finden

       Statt zu sagen: »Nein, du kannst die Musik nicht anmachen, während das Baby schläft. Such dir eine andere Beschäftigung.«

       Versuchen Sie: »Du möchtest gerne laut Musik anmachen, damit wir Spaß haben und tanzen können … Ich möchte, dass es still ist, damit das Baby weiterschlafen kann und wir beide zusammen spielen können … hmm … Wie können wir alle nun zufrieden sein? Wie wäre es, wenn wir jetzt zusammen mit den Legos spielen, und wenn das Baby aufwacht, setze ich es in mein Tragetuch und wir können alle zusammen zu deiner Musik tanzen?«

      Auszeiten überdenken

      Ich habe Auszeiten mit meiner vierjährigen Tochter probiert. Genau wie Sie mich vorgewarnt haben, ging sie gleich über in »Ich bin so schlecht, ich kann nicht aufhören, meinen Bruder zu hauen, und du liebst mich nicht mehr.« Dies hat sie direkt beim ersten Mal gesagt, als ich sie, nachdem sie ihren zweijährigen Bruder gehauen hatte, in ihr Zimmer schickte.

      Valerie

      Wir haben untersucht, warum das Setzen von Grenzen ohne Bestrafung die Beziehung Ihrer Kinder untereinander verändern wird. Doch wie sieht es mit Auszeiten (Time-Outs) aus? Viele Eltern, die mehr als ein Kind haben, benutzen Auszeiten, wenn ihre Kinder sich streiten, um so ihre Kinder zu trennen, um ihnen so hoffentlich beizubringen, netter zueinander zu sein.

      Doch Auszeiten sind eine Form der Bestrafung. In Wirklichkeit bringen sie den Kinder nicht bei, netter zueinander zu sein. Tatsächlich sieht es so aus, dass sie das Verhalten der Kinder eher verschlimmern, so, wie andere Arten der Bestrafung auch. Woran liegt das?

       Auszeiten verursachen Scham. Kinder glauben, dass wenn sie »gut« wären, könnten sie die schlechten Gefühle, die ihr schlechtes Verhalten verursachen, unterbinden. Leider verhalten wir uns schlecht, wenn wir uns schlecht fühlen. Somit erzeugt Scham einen negativen Kreislauf, der das Gefühl des Kindes, ein schlechter Mensch zu sein, verstärkt.

       Auszeiten helfen den Kindern nicht, zu lernen, ihre Emotionen zu regulieren. Wenn Sie das Kind alleine auf sein Zimmer schicken, wird es sich irgendwann beruhigen. Doch da es diese Gefühle in Wirklichkeit nicht äußern konnte, tauchen diese ab ins Unterbewusstsein und können nicht mehr bewusst reguliert werden. Aus diesem Grund werden Kinder durch Auszeiten eher wütender und emotional weniger reguliert. So kann es vorkommen, dass das Kind dann an der Schwester vorbeigeht und sie grundlos schubst.19

       Auszeiten lösen tatsächlich nicht das Problem zwischen den Kindern, das dazu geführt hat, dass einer oder beide aufeinander losgehen. Eltern sind oft der Meinung, dass sie sich um das Problem gekümmert haben, wenn sie das Kind zu einer Auszeit oder Standpauke verdonnern. Doch es lernt nicht, wie es mit dem nächsten Konflikt besser umgehen kann.

       Wie alle Bestrafungen schwächen Auszeiten die Verbindung mit unserem Kind. Unglücklicherweise ist diese Verbindung der einzige Grund, warum Kinder sich vor allem benehmen. Somit sorgen Eltern dafür, die Auszeiten wiederholt benutzen, dass ihr Kind in einen Kreislauf steigenden Fehlverhaltens gerät.

       Auszeiten heizen Machtkämpfe zwischen Eltern und Kindern an. Je machtloser sich Kinder fühlen, desto mehr lassen sie es an schwächeren aus – meistens dann am Bruder oder der Schwester.

       Auszeiten »funktionieren«, weil sie auf Angst basieren und ein symbolisches Verlassen darstellen. Alfie Kohn weist darauf hin, dass sie eine Form des »Liebesentzuges« sind.20 Da Geschwisterrivalität aus der Angst Ihres Kindes herrührt, Ihre Liebe an das Geschwisterchen zu verlieren, wird jegliche Form der Maßregelung, die Liebesentzug beinhaltet, die Geschwisterrivalität zwangsläufig verschlimmern.

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