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die provisorischen Parlamente im Süden veranlasste, die berüchtigten »Black Codes« einzuführen, Gesetze auf lokaler und bundesstaatlicher Ebene, die die Rechte der Schwarzen einschränkten. Ein Plantagenbesitzer aus Alabama formulierte es so: »Wir haben die Macht, strenge Kontrollgesetze zu erlassen, um die Neger zu regieren – das ist ein Segen –, denn irgendwie müssen sie kontrolliert werden, oder die Weißen können nicht unter ihnen leben.«12 Während einige dieser Gesetze darauf abzielten, Systeme der Leibeigenschaft ähnlich der Sklaverei zu errichten, handelte es sich bei anderen um Vorboten von Jim Crow. So wurden beispielsweise gemeinsame Abteile für Schwarze und Weiße in der ersten Klasse der Eisenbahn verboten und eine Rassentrennung in Schulen eingeführt.

      Häufig wird übersehen, dass auch Bestimmungen für Strafgefangene, die in dieser Zeit erlassen wurden, als Teil der Black Codes betrachtet werden müssen. So meint der Historiker William Cohen: »Die Hauptaufgabe der Black Codes war es, die befreiten Sklaven unter Kontrolle zu bringen, und die Frage, wie man mit den verurteilten schwarzen Gesetzesbrechern verfahren sollte, stand ganz im Mittelpunkt dieser Kontrollbemühungen.«13 Neun Südstaaten erließen Gesetze gegen sogenanntes »Vagabundieren«, wonach es praktisch ein Straftatbestand war, keinen Arbeitsplatz zu haben. Diese Gesetze wurden ganz gezielt gegen Schwarze eingesetzt. Acht dieser Staaten erließen Gesetze, die es den Countys ermöglichten, Gefangene an Plantagenbesitzer und Privatunternehmer zu vermieten. Die Gefangenen mussten Zwangsarbeit verrichten, für die sie keinen oder nur einen sehr geringen Lohn erhielten. Ein Gesetz gegen das Vagabundieren bestimmte, dass »alle freien Neger und Mulatten über 18 Jahre« alljährlich einen Beschäftigungsnachweis vorzulegen hatten. Wer das nicht konnte, wurde als Landstreicher angesehen und verurteilt. Ziel der Black Codes im Allgemeinen und der Gesetze gegen Landstreicherei im Besonderen war ganz eindeutig, ein neues System von Zwangsarbeit einzuführen. »Die Codes sprachen für sich selbst. … Kein Jurastudent, der sie unvoreingenommen liest, kann übersehen, dass sie nur auf Versklavung in tagtäglicher Plackerei hinausliefen.«14

      Doch schließlich wurden die Black Codes aufgehoben, und in der relativ kurzen Phase des Fortschritts für die Schwarzen während der Ära der Reconstruction verabschiedete die Bundesregierung eine ganze Reihe von Bürgerrechtsgesetzen zum Schutz der befreiten Sklaven. Zu den beeindruckenden Leistungen dieser Zeit gehören der 13. Zusatzartikel zur Verfassung, mit dem die Sklaverei abgeschafft wurde; der Civil Rights Act von 1866, der allen Afroamerikanern die vollen Bürgerrechte zuerkennt; der 14. Zusatzartikel zur Verfassung, der es den Bundesstaaten verbietet, Personen ein ordentliches Gerichtsverfahren oder »den gleichen Schutz durch das Gesetz« zu versagen; der 15. Zusatzartikel, der bestimmt, dass das Wahlrecht nicht aufgrund der Rassenzugehörigkeit entzogen werden darf; und die Ku Klux Klan Acts, die unter anderem Wahlbehinderung zum Verstoß gegen Bundesrecht erklärten und gewaltsame Verstöße gegen Bürgerrechte unter Strafe stellten. Die neue Gesetzgebung führte auch eine Aufsicht des Bundes über die Wahlen ein und autorisierte den Präsidenten, sowohl bestimmte Gerichtsbeschlüsse auszusetzen als auch die Armee in Gebiete zu schicken, die die Bundesregierung als aufständisch deklariert hatte.

      Außer der Bürgerrechtsgesetzgebung des Bundes wurde in der Zeit der Reconstruction auch die Arbeit des Freedmen’s Bureau ausgeweitet, einer Behörde, die an mittellose ehemalige Sklaven Nahrung, Kleidung, Brennmaterial und andere Hilfsgüter verteilte. Im Süden entwickelte sich ein öffentliches Schulsystem, womit viele Schwarze (und arme Weiße) zum ersten Mal Gelegenheit erhielten, lesen und schreiben zu lernen.

      Doch obwohl die Zeit der Reconstruction von Korruption belastet und durch das Ausbleiben einer Bodenreform zum Scheitern verurteilt war, kam es trotzdem zu gewaltigen wirtschaftlichen und politischen Veränderungen, die das Potenzial hatten, das rassische Kastensystem im Süden ernsthaft zu unterhöhlen, wenn nicht ganz zum Verschwinden zu bringen. Unter dem Schutz von Bundessoldaten konnten die Afroamerikaner in großer Zahl wählen und hier und da auf lokaler Ebene auch die Kontrolle über den politischen Apparat gewinnen. Deutlich mehr Menschen lernten lesen und schreiben, und gebildete Schwarze übernahmen Positionen als Abgeordnete, eröffneten Schulen und betätigten sich erfolgreich als Geschäftsleute. Im Jahr 1867, zu Beginn der Reconstruction, bekleidete im Süden noch kein Schwarzer ein politisches Amt, doch drei Jahre später waren 15 Prozent aller Gewählten im Süden Schwarze. Dies ist umso bemerkenswerter, wenn man bedenkt, dass 15 Jahre nach Verabschiedung der Wahlrechtsgesetze von 1965 – dem Höhepunkt der Bürgerrechtsbewegung – weniger als 8 Prozent der Volksvertreter im Süden Schwarze waren.15

      Allerdings erwiesen sich viele der neuen Bürgerrechtsgesetze als weitgehend symbolisch.16 Besonders wirkte sich aus, dass der 15. Zusatzartikel den Bundesstaaten nicht untersagte, die Ausübung des Wahlrechts an Bedingungen wie Bildung, Wohnsitz oder andere Voraussetzungen zu knüpfen. Das ermöglichte ihnen, Wahlsteuern zu erheben, Lese- und Schreibtests einzuführen und andere Hürden zu errichten, um die Schwarzen von den Wahlurnen fernzuhalten. Andere Gesetze erwiesen sich eher als Absichtserklärungen, denn als direktes Eingreifen des Bundes in die Verhältnisse des Südens, weil Afroamerikaner ihre Fälle vor ein Bundesgerichte bringen mussten, damit sie durchgesetzt werden konnten – ein teures und zeitaufwendiges Verfahren und ein Ding der Unmöglichkeit für die große Mehrheit derer, die überhaupt Ansprüche hatten. Die Mehrzahl der Schwarzen war zu arm, um Bürgerrechte vor Gericht zu erstreiten, und eine Organisation wie die NAACP, die die Risiken und Kosten eines Rechtsstreits hätte auffangen können, existierte noch nicht. Hinzu kam, dass die Schwarzen durch Androhung von Gewalt von der Durchsetzung ihrer berechtigten Forderungen abgebracht wurden. Die »Bürgerrechte« existierten für die ehemaligen schwarzen Sklaven größtenteils nur auf dem Papier.

      Inzwischen setzte sich im Süden die Rassentrennung zunehmend durch, vorangetrieben vor allem durch Plantagenbesitzer, die darauf hofften, ein neues Kontrollsystem errichten zu können, das ihnen billige, gefügige Arbeitskräfte sicherte. Tatsächlich hatte der Prozess der Rassentrennung schon Jahre zuvor im Norden eingesetzt, wo man sich bemüht hatte, jeder Rassenvermischung einen Riegel vorzuschieben und die Rassenhierarchie auch nach Abschaffung der Sklaverei aufrechtzuerhalten. Sie hatte sich hier allerdings nie zu einem umfassenden System entwickelt – sie funktionierte mehr oder weniger als alltägliche Selbstverständlichkeit und wurde mit unterschiedlicher Konsequenz durchgesetzt. Selbst die schärfsten Gegner der Reconstruction hätten kaum erwartet, dass sich die Rassentrennung bald zu einem derart umfassenden und repressiven rassischen Kastensystem auswachsen würde, wie es dann unter dem schlichten Namen Jim Crow bekannt wurde.

       Die Entstehung von Jim Crow

      Nach den anfänglichen Fortschritten für die Afroamerikaner in der Zeit der Reconstruction kam der Gegenschlag rasch und heftig. Die Weißen reagierten mit Panik und Entsetzen, als die Afroamerikaner politische Macht errangen und sich auf den langen Marsch zu gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Gleichheit machten. Bald schworen die konservativen Kräfte im Süden, die Reconstruction ungeschehen zu machen, und strebten nichts weniger als die »Abschaffung des Freedmen’s Bureau und aller politischen Einrichtungen an, die dazu gedacht sind, die Vorherrschaft der Neger zu sichern«.17 Ihre Kampagne zur »Erlösung« des Südens, die sogenannte Redemption, wurde durch den wieder auflebenden Ku-Klux-Klan unterstützt, der eine Terrorkampagne gegen die Bundesvertreter und Lokalpolitiker der Reconstruction startete. Dazu gehörten Bombenanschläge, Lynchmorde und gewaltsame Ausschreitungen.

      Die Terrorkampagne erwies sich als äußerst erfolgreich. Das Ergebnis der »Erlösung« war, dass sich die Bundessoldaten aus dem Süden zurückzogen und die Afroamerikaner sowie alle, die sich für die Gleichberechtigung der Rassen eingesetzt hatten, ihrem Schicksal überließen. Die US-Regierung stellte ihre Bemühungen ein, die Bürgerrechtsgesetze des Bundes durchzusetzen, und die Finanzierung des Freedmen’s Bureau wurde so stark zurückgeschraubt, dass die Behörde ihre Aufgaben praktisch nicht mehr erfüllen konnte.

      Nun wurden auch wieder Gesetze gegen Landstreicherei und andere zu Straftatbeständen hochgeschraubte Dinge wie »unbotmäßiges Verhalten« und »beleidigende Gesten« mit aller Härte gegen Schwarze angewandt. Die aggressive Verfolgung dieser Vergehen eröffnete einen riesigen Markt für die Leiharbeit von Strafgefangenen, die an den Höchstbietenden vermietet wurden. Douglas Blackmon beschreibt in Slavery

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