Скачать книгу

Der General späht in den Raum und bleibt an Kelloggs rasiertem Kopf hängen.

      »Achtung, General im Anmarsch!« Kellogg duckt sich.

      Der General lässt sich neben Ryder auf die Bank fallen, schiebt seine Sonnenbrille nach oben und durchbohrt Kellogg mit stählernen Blicken. »Leutnant Kellogg, Sie haben ja gar nichts zu essen. Kann ich Sie für dieses exotische Hühnerfrikassee begeistern? Ich verzichte vorerst auf tierisches Eiweiß.«

      »Sir, ich kann das leider nicht annehmen, Sir«, sagt Kellogg.

      »Sie fasten zu Ramadan, Leutnant?«

      »So ist es, Sir.«

      Ryder bereitet sich innerlich auf die unvermeidliche Glaubensdiskussion vor.

      »Ausgezeichnet. Ich mag charakterfeste Persönlichkeiten.« Der General trennt das Curry vom Kartoffelbrei. »Leutnant Shaikh Kellogg. Ihre Eltern stammen aus Pakistan, richtig?«

      »Stimmt genau, Sir. Ich bin allerdings hier geboren, Sir.«

      »Kellogg, ein eher ungewöhnlicher Name im Punjab, wenn Sie mir diese Bemerkung erlauben.«

      »Sir, eigentlich ist Shaikh mein Familienname, ich habe es aufgegeben, das den Leuten klarzumachen, Sir.«

      »Ihre Eltern haben Sie Kellogg getauft?«

      »Korrekt, Sir. Mein Vater ist sehr leidenschaftlich, was amerikanische Frühstückskultur angeht, Sir.«

      »Kann ich gut verstehen. Was mach ich jetzt mit dir, mein ar mes, vegetarisches Hühnchen?« Der General sieht von seinem Teller auf und nimmt Ryder ins Visier. »Ihnen scheint es immerhin zu schmecken, Leutnant.«

      »Ich bin nicht sonderlich verwöhnt, Sir«, sagt Ryder vorsichtig.

      »Was genau hat Sie noch mal zu den Marines gebracht, Leutnant?«

      »Sir, ich hab im College Basketball gespielt, bei den San Diego Aztecs. Das Training hat mich abgehärtet. Ich dachte mir, hier kann ich meine körperliche Fitness sinnvoll einsetzen, Sir, für die Nation, Sir.« Ryder hofft, dass der General schnell wieder das Interesse an ihm verliert.

      »Verstehe«, sagt der General und deutet auf Ryders Teller. »Wussten Sie, dass die Verdauungsgase von Rindern den Treibhauseffekt beschleunigen? Einer der Hauptgründe, warum ich mich zu einer Diät auf Pflanzenbasis entschieden habe. Abgesehen davon halte ich wenig davon, anderen Wesen das Leben zu nehmen, um ausgerechnet unsere Gattung zu erhalten. Die Schäden des Anthropozäns sind zwar irreversibel, aber jeder von uns kann dazu beitragen, dass die Löcher in der Atmosphäre nicht noch größer werden. Viele Weltreligionen haben derartige Überlegungen in ihren Glauben eingebaut. Die Hindus zum Beispiel beten Kühe an. Ich glaube, auch die Zuneigung, die Japaner für elektronische Haustiere verspüren, sind Zeugnis unserer Humanität. Selbst das Recht, sogenannte falsche Götter anbeten zu dürfen …«

      Meister Bender scheint geistig an ein fernes Universum angeschlossen. Ohne wirklich zuzuhören, lässt sich Ryder von der an genehmen Stimme berieseln. »Welchen beten Sie an, Leutnant? Gott? Welchen? Lassen Sie mich raten, Leutnant Ryder.«

      Die Worte des Generals verklumpen in Ryders Gehirn.

      Kellogg kommt ihm zu Hilfe. »Sir, für meinen Vater zum Beispiel ist Ryder ein Ehren-Muslime, wie eine Sonderausgabe von Cornflakes, wenn Sie wissen, was ich meine.«

      Der General ignoriert Kellogg.

      »Ich bin getauft, katholisch«, korrigiert Ryder.

      »Sie sind in San Ysidro aufgewachsen, am Tijuana River, nicht wahr?«, fragt der General scheinheilig, als sei das eine schicke Adresse in Malibu.

      »Ja, Sir.«

      »Hartes Pflaster für einen Außenseiter irischer Abstammung. Kriminalität, Gangs, Drogen. Da rutscht man schnell ab. Sie haben Ihre Hausaufgaben gemacht und ein Vollstipendium fürs College bekommen. Beeindruckend.« Er nickt Ryder wohlwollend zu. »Ihre Eltern haben Sie gefördert?«

      »So würde ich das nicht ausdrücken.« Ryder merkt, dass er rot wird. »Basketball hat sicher geholfen.«

      »Aber sagen Sie, sind die Aztecs ’98 nicht wegen Ihnen komplett abgeschmiert?«, fragt der General. »Hatten Sie nicht so etwas wie einen Nervenzusammenbruch? Ich hab das doch in Ihren Unterlagen gelesen.«

      Seine Unterlagen? Ryder wäre nie auf die Idee gekommen, dass jemand sich die Mühe machen würde, eine verpatzte Saison im College-Basketball festzuhalten.

      »Sir, es war ein eingeklemmter Nerv im Oberarm. Der Sportarzt am College hat das schnell wieder hinbekommen.« Er zuckt betont gelassen mit den Schultern.

      Der General lässt nicht locker. »Das hatte eindeutig nichts mit Ihrem Arm zu tun, Leutnant. Die hätten einen Seelenklempner auf Sie ansetzen sollen. Ihre Nerven haben die ganze Saison ruiniert. Vorher waren Sie nicht aufzuhalten. Da muss doch irgendwas passiert sein. War das nicht genau zu der Zeit, als Ihr Vater gestorben ist? Oder war das davor?«

      Es war genau zu der Zeit. Ryders Kiefer verhakt sich sofort bei dem Gedanken an seinen Alten.

      »Das muss hart gewesen sein. Ausgerechnet der Vater«, sagt der General. »Dieses ganze Chaos beim Erwachsenwerden, das weiße Rauschen der Pubertät, die verkrusteten Vorstellungen von Männlichkeit bringen übrigens nicht nur Sportler um den Verstand. Wir könnten alle wesentlich mehr Achtsamkeit gebrauchen, finden Sie nicht?«

      »Profisport war nie mein Ziel. Ich liebe es hier bei den Marines, Sir.« Das mit dem Lieben bereut Ryder sofort wieder.

      »Schon mal darüber nachgedacht, etwas ambitionierter an das Leben ranzugehen, Leutnant? Es gibt ein paar exklusivere Programme, von denen Sie vermutlich noch nie gehört haben. Die suchen immer nach Persönlichkeiten wie Ihnen. Nach Leuten, die schon etwas erlebt haben. Ich sehe da Potenzial.«

      »Nein, Sir.« Ryder ist verwirrt von der plötzlichen Schmeichelei. Er beißt sich in die Wange. Der rostige Geschmack wirkt beruhigend.

      »Warum eigentlich nicht? Und hören Sie endlich mit dem albernen >Sir< auf.«

      »Körperlich würde ich das sicher packen, Sir. Bei dem Rest weiß ich nicht.«

      »Der Rest? Ich möchte Ihnen einmal etwas erklären, Leutnant. Das Gehirn ist ein wichtiger Teil Ihres Körpers, dort lebt nämlich Ihre Seele. Das Denken jedes Einzelnen beeinflusst die Welt, in der er lebt. Sie sollten sich genau überlegen, wie Sie Ihre gestalten möchten.«

      So hat Ryder das noch nie gesehen. Warum eigentlich nicht?

      »Sie beide haben sich hier kennengelernt?«, fragt er.

      »Ja, Sir. Alte Kriegskameraden«, sagt Kellogg.

      »Machen Sie sich nicht lustig. Marines gehen durch dick und dünn, oft ein Leben lang. Wie sieht’s bei Ihnen aus, Kellogg? Sie sprechen was genau: Dari, Farsi, Urdu?«

      »Urdu, Sir.« Kellogg fummelt sich einen Nagelsplitter von der Lippe.

      »Das heißt, Sie verstehen nicht nur Millionen Pakistanis, sondern auch ein paar Hundert Millionen Inder. Was haben Sie mit dieser Geheimwaffe vor?«

      »Sir, ich kann Urdu kaum lesen oder schreiben, meine Mutter beklagt sich immer über meinen amerikanischen Akzent. Aber ich kann Ihnen sagen, wir – also Ryder und ich – haben noch so einiges vor. Wir haben uns nach der Grundausbildung für ein paar Kurse angemeldet, außerhalb der Marines. Theater, Performance, solche Sachen. Ich bin inzwischen schon recht gut im Ausdruckstanz. Ryder tut immer so bescheiden, Sir.«

      Ausdruckstanz! Alle Augen in der Kantine sind nun auf Kellogg gerichtet. In der Küche knallt eine Blechschale auf den Boden und rollt scheppernd weiter.

      Ryder kann es nicht fassen, was für einen Schwachsinn Kellogg, ohne mit der Wimper zu zucken, dem General erzählt. Der weiß doch, dass sie sich für nichts angemeldet haben. Er hat ihre Unterlagen gelesen. Wo auch immer dieses Kantinen-Rendezvous hinführen sollte, Kellogg hat es jetzt vermasselt.

      Prompt schiebt

Скачать книгу