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vermittelt werden. Insgesamt habe ich 15 Predigten zusammengetragen, die sich dieser Kategorie zuordnen lassen. Auch wenn sie generell hauptsächlich religiöse Themen behandeln, weisen sie doch jeweils zumindest politische Tendenzen auf oder propagieren politische Ziele, sei es auf direkte oder indirekte Art und Weise. In diesen Predigten wurden zahlreiche Themen behandelt, die vor allem mit der gegenwärtigen Lage und den Kriegen in der islamischen Welt zu tun haben. Verantwortlich gemacht werden dafür sowohl äußere Feinde (die christlichen Kreuzfahrer) als auch innere Feinde (Sufisten, Säkulare, ‚Heuchler‘, Schiiten). Die zweite Kategorie von Predigten, in der ich ebenfalls 15 Stück zusammengetragen habe, behandelt eher soziale und pädagogische Themen, wie Familie und Erziehung, Geschlechterrollen, Verschleierung oder Integration. Der Inhalt dieser Predigten wird im Rahmen dieses Buches nicht vertieft analysiert. Dieses Material bedarf noch einer getrennten Abhandlung, um zu verstehen, welche Art der Erziehung die Salafisten Muslimen ans Herz legen und was für eine Gesellschaft sie damit anstreben. Die übergreifenden Themengebiete und Einzelaspekte, die in den Predigten behandelt wurden, sind im ersten Anhang im Detail aufgeführt.

      Die Auswahl der Tauḥīd-Moschee für das Sammeln der Freitagspredigten erfolgte aus einer Reihe von Gründen.

      Erstens bekennt sich die Tauḥīd-Moschee selbst in ihren internen Dokumenten, die nur auf Arabisch verfügbar sind und von denen ich einige kopieren konnte, als ich sie einsehen durfte, zu dem Ziel, mithilfe der Anhänger „der Methode der Leute der Sunna und der Gemeinschaft, der Methode der frommen Altvorderen“ die „Botschaft des Monotheismus“ zu verbreiten. Wie ich anschließend in dieser Studie noch erläutern werde, gelten der Fokus auf den at-tauḥīd und die ‚salafistische Methode‘ (al-manhaǧ as-salafī) als Priorität ihrer Mission (ad-daʿwa) und [31]als die zwei essenziellen Merkmale, durch die sich die Strömung des Salafismus und ihr Diskurs auszeichnet.

      Zweitens wird die Moschee von einigen Gruppen frequentiert und verwaltet, die sich zum Salafismus – oder wie sie es nennen: zur ‚Methode der Leute der Sunna und der Gemeinschaft‘ (manhaǧ ahl assunna wa-l-ǧamāʿa) – bekennen, wie sich mir in den Interviews offenbarte, die ich mit ihnen durchführte.

      Drittens ist die Tauḥīd-Moschee in Hinblick auf die Fläche und die Anzahl der Besucher des Freitagsgebets eine der größten salafistischen Moscheen in Bayern. Meinen persönlichen Notizen und Schätzungen zufolge wird die Moschee an Freitagen von etwa 350 bis 500 Personen besucht, um die Freitagspredigt zu hören und das Gebet zu verrichten, wobei die große Mehrheit davon Männer sind. Mit Ausnahme der Freitagspredigten geht die Zahl der Besucher während der Gebete nicht über 50 Personen hinaus. Es ist in diesem Zusammenhang wichtig, darauf hinzuweisen, dass sich nicht alle Besucher dieser Moschee zum ideologischen Salafismus bekennen. Unter ihnen befinden sich auch zahlreiche gewöhnliche Muslime und Flüchtlinge, die in ideologischer Hinsicht nicht der ideologischen salafistischen Doktrin folgen. Dennoch können die salafistischen Prediger Einfluss auf ihre Überzeugungen und ihr Verhalten nehmen.

      Viertens wird die Tauḥīd-Moschee von einer Reihe von bekannten Predigern und Führungspersönlichkeiten der salafistischen Bewegung in Deutschland besucht und genutzt. Einer der hervorstechendsten davon ist Hasan Dabbagh, eingebürgerter salafistischer Prediger mit syrischen Wurzeln und Imam der Ar-Rahman-Moschee in Leipzig, der als Symbolfigur der salafistischen Strömung in Deutschland gilt und dem vom sächsischen Verfassungsschutz vorgeworfen wird, dass seine Predigten zur Radikalisierung muslimischer Jugendlicher beitragen. Außerdem wird die Moschee von dem berühmten salafistischen Prediger Ahmad Armih (genannt Ahmed Abu al-Baraa) aus Berlin besucht, der von den deutschen Medien als „Hassprediger“ bezeichnet wurde (Wehner 2020).

      Fünftens propagiert die Moschee das salafistische Gedankengut durch den Verkauf von Büchern und religiösen Publikationen, die von salafistischen Institutionen in Ägypten oder in Saudi-Arabien produziert werden. So wird z. B. das Buch Monotheismus von Muhammad Ibn Abd al-Wahhab, dem Gründer der in Saudi-Arabien verbreiteten islamischen Strömung des Wahhabismus (siehe z. B. DeLong-Bas 2004, Gharaibeh 2014 und Mouline 2014, Kapitel 2), in Umlauf gebracht, der von den meisten Salafisten als eine maßgebliche religiöse Autorität betrachtet [32]wird. Das Buch erläutert die Ursprünge der salafistischen Doktrin in der Auseinandersetzung mit den anderen islamischen Gruppierungen und Bekenntnissen, die Handlungen und Aussprüche erlauben, welche Ibn Abd al-Wahhab als Widerspruch zum Monotheismus auffasst (zur Beziehung des Salafismus zu Saudi-Arabien siehe Lohlker 2017).

      Sechstens beschrieben mir viele Muslime, die ich in der Stadt getroffen habe, in der sich die Moschee befindet, diese als salafistisch.

      Der Freitag ist für die Muslime der wichtigste Tag der Woche, weil sie glauben, dass es Gottes bevorzugter Tag ist. Es gibt einen Hadith über den Propheten Muhammad, welcher die besondere Güte des Freitags hervorhebt: „Der beste Tag, an dem die Sonne aufgegangen ist, ist der Freitag. An ihm wurde Adam erschaffen, an ihm wurde er ins Paradies hineingeführt, an ihm wurde er aus ihm vertrieben, und die Stunde (der Auferstehung) wird nur an einem Freitag stattfinden“ (Khoury 2008, 2: 121). An diesem Tag hören sich die Muslime direkt vor dem Gebet eine besondere Predigt an, die ihnen Wissen über die islamische Religion und den Glauben vermitteln soll, daneben aber auch sozial und politisch aktuelle oder brisante Themen behandelt – die sogenannte Freitagspredigt. Das Freitagsgebet (obligatorisch für Männer) stellt im Islam eine der wichtigsten religiösen Pflichten dar. Im Koran (Sure 62, Vers 9) steht: „ Ihr Gläubigen! Wenn am Tag der Versammlung zum Gebet gerufen wird, so macht euch auf, um Gottes zu gedenken, und lasst den Handel ruhen. Das ist für euch das Beste, sofern ihr Wissen habt“ (alle Koranzitate stammen aus der Übersetzung von Bobzin 2015).

      Es gibt viele Hadithe, die es verbieten zu sprechen, während der Iman predigt, und vorschreiben, der Predigt aufmerksam zuzuhören. Die Lehre des traditionellen Islam schreibt vor, das Freitagsgebet nicht wegen der Arbeit, dem Studium oder sonstigen weltlichen Angelegenheiten zu vernachlässigen. Es sollte die Priorität der Gläubigen sein, das Gebet zu besuchen, denn wenn sie es dreimal hintereinander ohne stichhaltigen Grund verpassen, weichen sie damit vom rechtschaffenen Weg ab.

      Die Freitagspredigten haben viele Aspekte. So sollen sie etwa den Glauben stärken und bewahren und den Muslimen Erinnerung und Warnung sein, nicht der Sünde zu verfallen. Sie dienen außerdem der religiösen Bildung, indem der Koran oder Hadithe erklärt und interpretiert oder Lehren anhand von Beispielen und Erzählungen aus der islamischen Geschichte vermittelt werden. In diesem Sinne stellen Frei-[33]tagspredigten umfassende Lehrstunden dar und beeinflussen das Verständnis der Muslime von religiösen Konzepten und Doktrinen, besonders da ihnen durch den Vortrag von der Kanzel aus religiöse Autorität innewohnt. In vielen islamischen Ländern gilt der Freitag als offizieller Feiertag, da sich die Muslime dann für das Freitagsgebet versammeln. In westlichen Ländern versuchen viele Muslime, ihre Mittagspause in der Zeit des Gebets zu nehmen, normalerweise nachmittags. Nach der letzten Welle von Flüchtlingen (2015–2016) begannen zahlreiche Moscheen wegen des regen Zulaufs zu den Freitagsgebeten unter Überfüllung zu leiden, was manche Moscheen dazu veranlasste, zwei Predigten an einem Tag zu halten, um so der zunehmenden Nachfrage gerecht werden zu können.

      Das Buch enthält eine Einleitung, fünf Kapitel und eine Schlussfolgerung sowie ein Glossar. Das zweite Kapitel behandelt die historische Entwicklung des Begriffs des Salafismus, d. h. die wichtigsten historischen Stationen, Vordenker und Problemstellungen, die im Zusammenhang mit seiner Definition von Interesse sind. Im dritten Kapitel diskutiere ich die innere Struktur, den Prozess der Etablierung und die Aktivitäten der Salafisten in Bayern. Im vierten Kapitel setze ich mich damit auseinander, wie die ideologischen Salafisten durch die Freitagspredigten ihre Autorität über die muslimischen Gemeinden aufzubauen versuchen, indem sie religiöse Narrative verbreiten, die kritisches Denken zugunsten des Gehorsams gegenüber den salafistischen Predigern zurückdrängen sollen. Dieses Kapitel beleuchtet auch die Art und Weise, wie die Salafisten daran arbeiten, ihre Narrative unter den Muslimen zu verankern, um so ihre öffentliche Unterstützung und den beständigen Zulauf neuer Anhänger,

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