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      Sascha Bechmann

      Sprachwandel – Bedeutungswandel

      Eine Einführung

      A. Francke Verlag Tübingen

      © 2016 • Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG

      Dischingerweg 5 • D-72070 Tübingen

      www.francke.de[email protected]

      Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

      E-Book-Produktion: pagina GmbH, Tübingen

      ePub-ISBN 978-3-8463-4536-8

      Vorwort

      Nichts ist so beständig wie der Wandel.

      HERAKLIT VON EPHESOS (etwa 520–460 v. Chr.)

      Der gegenwärtige Zustand unserer Sprache gibt Anlass zu vielfältigen Betrachtungen, bisweilen ist er auch Auslöser solcher Ängste und Sorgen, die deutsche Sprache könne an Schönheit und Wohlklang verlieren. Mehr noch: Manche Menschen glauben, die Sprache werde durch uns Sprecher dem Verfall anheimgegeben, weil wir schändlich mit ihr umgingen. Nun, stimmt das? Verfällt unsere Sprache mehr und mehr zu etwas, was KomplexitätKomplexität und Schärfe verloren hat und in Zukunft nur noch basale Bruchstücke von alter sprachlicher Eleganz und Würde aufweist?

      Sprache ist nicht statisch, sie ist dynamisch – ohne dass sie selbst aber in irgendeiner Weise lebendig wäre. Hier irren die Sprachpuristen, denn sie gehen von einem organischen Bild der Sprache aus, so wie es im 19. Jahrhundert populär wurde. Begriffe wie „SprachverfallSprachverfall“ oder auch „Wortschöpfung“ zeugen noch heute davon. „Lebendig“ ist eine Sprache im Grunde nur so lange, wie die Sprecher einer Sprache lebendig sind. Das Leben, also das Werden, Wachsen, Schrumpfen und Vergehen einer Sprache, ist stets gekoppelt an das Sein der Sprecher. So verwundert es kaum, dass auch der Wandel irgendwie an die Sprecher gebunden sein muss. Aber wie? Auf diese Frage sucht und findet diese Einführung Antworten.

      Wenn Sie wissen wollen, wie das Sein und das Werden der Sprachen funktionieren, dann lesen Sie dieses Buch. Sie werden sehen, dass es eine lohnenswerte Reise ist durch die Welten der Sprachwissenschaft, bei der wir immer auch andere Wissenschaften streifen werden. So ist Sprachwandel durchaus auch ein Phänomen, das z.B. Soziologen ebenso interessiert wie Politologen und Kulturwissenschaftler, denn Sprachwandel findet auf allen Ebenen der Sprache und in allen Wirkungsbereichen statt. Kurzum, sprachliche Veränderungen lassen sich überall finden: im Internet, in sozialen Netzwerken, in der Literatur und in den Fachsprachen. Das Wesen des Wandels ist, dass er stetig und unaufhaltsam ist. Und es ist äußerst spannend, sich diesem Wesen Schritt für Schritt zu nähern. Dieses Buch soll Ihnen in Ihrem Studium Fahrplan und Kompass durch die oft undurchsichtigen (und wissenschaftsgeschichtlich alten) Fahrwasser der Sprachwandelforschung und der Historischen Linguistik sein.

      Dieses Buch betrachtet Sprache als ein veränderliches System und es will zeigen, auf welche Weise Sprachen sich verändern und auf welchen Ebenen Wandel feststellbar ist. Aber: Dieses Buch ist keine Sprachgeschichte (des Deutschen oder einer anderen Sprache), sondern eine thematische Hinführung aus einer handlungstheoretischen Sichtweise.

      Mit diesem Studienbuch wird eine Lücke geschlossen, die bislang in der Einführungsliteratur zu beklagen ist: Gegenwärtig existiert keine didaktisch auf die Erfordernisse der gestuften Studiengänge ausgerichtete Einführung in dieses klassische Themenfeld. Dies ist umso erstaunlicher, als dass Fragestellungen der historischen Linguistik noch immer zu den grundlegenden WissensbeständenWissensbestände in den linguistisch ausgerichteten Fächern zählen und in den Curricula fest verankert sind. Diachrone Betrachtungen von Sprache gehören ebenso wie neuere diskursanalytische Fragen auch heute noch zum Kernbestand der linguistischen Schule an allen deutschen Universitäten. Dabei stehen in der modernen Sprachwissenschaft nicht mehr in erster Linie die Prinzipien oder sprachlich universalen Gesetze des Sprachwandels im Fokus, dafür umso mehr Ansätze, die der neueren Pragmalinguistik zugeordnet werden können.

      Zu den Hauptproblemen der Lehre in diesem Bereich zählt die Tatsache, dass die bislang zu diesem Thema verfügbare Literatur äußerst heterogen – und in vielen Fällen für das Selbststudium ungeeignet – ist. So stehen Studierende wie auch Lehrende vor dem Problem, Informationen aus unterschiedlichen Lehr- und Fachbüchern extrahieren und bündeln zu müssen. Die beiden Themengebiete Sprach- und Bedeutungswandel werden in zahlreichen sprachhistorischen Einführungen zwar aufgegriffen, geraten dort aber ins Hintertreffen; die Ausführungen sind oftmals verkürzt, was das Verständnis komplexer Sachverhalte erschwert. Auf der anderen Seite gibt es viele Fachbücher ohne didaktische Ausrichtung, die entweder auf einer hohen theoretischen Abstraktionsebene operieren oder das Thema in einer für Studienanfänger schwer überschaubaren Dichte und Breite behandeln. Sowohl theoretisch abstrakte als auch thematisch dichte Lehrbücher, wie etwa die hervorragende Sprachgeschichte des Deutschen von WEGERA und WALDENBERGER oder diejenige von NÜBLING et al., sind für das Bachelorstudium nur bedingt geeignet. Dasselbe lässt sich über diejenigen Bücher sagen, die lediglich Teilaspekte thematisieren. Auch sie taugen nur eingeschränkt für die Wissensvermittlung im Grundstudium.

      Aus diesen Gründen ist dieses Studienbuch als leicht lesbare Einführung konzipiert, die sich sowohl für das Selbststudium eignet als auch als Grundlage für ein einsemestriges Grundseminar taugt.

      Dabei wurde eine inhaltliche Zweiteilung des Buches umgesetzt, die sich bereits im Titel widerspiegelt: Die Bereiche Sprachwandel und Bedeutungswandel werden getrennt betrachtet, auch wenn der Bedeutungswandel als Spezialfall des Sprachwandels zu klassifizieren ist. Zum einen soll damit dem Umstand Rechnung getragen werden, dass in der akademischen Lehre das Thema Bedeutungswandel häufig isoliert betrachtet wird; zahlreiche Seminare befassen sich ausschließlich mit historisch-semantischen Fragestellungen. Zum anderen ist diese Zweiteilung sinnvoll, weil es sehr spezielle Erklärungsmodelle (insbesondere moderne gebrauchstheoretische Ansätze) gibt, die dem Bedeutungswandel einen eigenen Status zuweisen. Zwar kann der Bedeutungswandel im Speziellen nicht isoliert von einer Theorie sprachlichen Wandels im Allgemeinen gedacht werden, so dass die Kenntnis solcher Theorien für das Verständnis des Bedeutungswandels notwendig ist. Aufgrund der KomplexitätKomplexität semantischer Veränderungen und der dahinter stehenden Prozesse ist sie aber allein nicht hinreichend.

      Zum Schluss erlauben Sie mir ein paar persönliche Worte. Mein großer Dank gilt Anke Peters aus der Germanistischen Mediävistik an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, deren geschultes Auge mir geholfen hat, das Manuskript zu diesem Buch möglichst frei von Tippfehlern an den Verlag geben zu können. Manche Sätze in diesem Buch sind erst durch sie in eine lesbare Form geschliffen worden. Zudem war mir ihr sprachhistorisches Wissen an vielen Stellen eine Hilfe.

      Dieses Buch ist zudem der Ausdruck meiner eigenen wissenschaftlichen Prägung, für die ich meinem Lehrer und Doktorvater Rudi Keller dankbar bin. Er war es, der im Studium mein Interesse für linguistische Fragestellungen geweckt und später stets gefördert hat. Besonders seine Theorie zum allgemeinen Sprachwandel und seine Gedanken zum Bedeutungswandel bei deutschen Adjektiven haben mich früh in ihren Bann gezogen. Wenn man mich heute fragt, wie und warum ich Sprachwissenschaftler geworden bin, dann ist die Antwort leicht: Weil ich mich irgendwann dafür zu interessieren begann, wie das alles funktioniert. Das mit dem Wandel der Sprachen. Heute weiß ich: Sprache ist Gewordenes aus Gewesenem und so wird es auch in Zukunft sein. Als Sprecher befinden wir uns heute auf einer schmalen Entwicklungsstufe unserer Sprache. Wir stehen dabei in einer direkten Traditionslinie mit unseren Vorfahren. Und wir formen die Sprache durch unser Handeln zu dem, was sie einmal sein wird. Das finde ich unheimlich spannend. Sie auch? Dann wünsche ich Ihnen viel Spaß bei der Lektüre.

      Düsseldorf, im August 2016 Sascha Bechmann

      Hinweise zur Lektüre

      Bevor wir uns dem

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