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Produktionskulturen von Tabak und Zucker in Kuba zu verschiedenen neuen Kulturformen beiträgt. In dieser Analyse steht »Zucker« für das mit der Kolonialisierung importierte industrielle System mit Disziplinierung, maschineller Produktion und mechanisierter Zeit. »Tabak« steht für die indigenen Produktionsweisen mit einheimischer Kontrolle des Produktionsprozesses, individueller handwerklicher Kompetenz und jahreszeitlich bestimmten Arbeitsrhythmen (Mackenthun 2011: 134). Das Zusammenkommen dieser beiden Produktionsweisen ist ein komplexer dialektischer Prozess. Um diesen zu fassen, entwickelt Ortiz den Begriff der Transkulturation, den er gegen den der Akkulturation im Sinne des Hineinwachsens in eine Kultur stellt (siehe hierzu das Zitat in der Textbox 1).

      Mit diesem früh von dem Sozialanthropologen Bronislaw Malinowski (1970) gewürdigten Konzept der Transkulturation entwickelt Fernando Ortiz einen zuvor in dieser Form nicht ausformulierten Blick auf kulturelle Prozesse in Lateinamerika. Aus seiner Sicht ist die »wirkliche Geschichte Kubas die Geschichte von miteinander verzahnten Transkulturationen« (Ortiz 1970: 98): Bereits mit der Kolonialisierung war es nicht so, dass eine (nationale) spanische Kultur in Kuba Fuß fasste. Kulturen von Menschen unterschiedlicher romanischer Länder Europas fanden ihren Weg dorthin. Sie traten von Beginn an in Kontakt mit indigenen Kulturen, was zu einem »neuen Synkretismus von Kulturen« (Ortiz 1970: 98) führte. Vielfältige weitere Prozesse der Transkulturation schlossen sich an, u. a. durch den Sklavenhandel. Hier betont Ortiz Jahrzehnte vor den Arbeiten des Kulturanalytikers Paul Gilroy (1993) den Status der Überfahrt in Sklavenschiffen: Afrikaner sehr unterschiedlicher Kulturen wurden »wahllos in die Sklavenschiffe geworfen und durch das System der Sklaverei sozial gleichgemacht« (Ortiz 1970: 101). Dieser selbst schon transkulturelle Sklavenhandel stieß in Kuba dann weitere Prozesse der [28]Transkulturalisierung an. Transkulturation fasst demnach einerseits, dass koloniale Macht- und Produktionsverhältnisse nicht das Durchsetzen einer Kultur bedeuten (siehe Hermann 2007: 257 f.; Koch 2008: 12). Andererseits verdeutlicht der Begriff in seiner Prozesshaftigkeit, dass es hierbei um einen fortlaufenden Vorgang des Entstehens neuer synkreter – oder, wie man heute sagen würde: hybrider – Formen von Kultur geht.

      Teils in explizitem Verweis auf Ortiz, später ohne Referenz auf ihn, fand der Begriff der »Transkulturation« Verbreitung in der postkolonialen Forschung. Detailliert wurde dies von Diana Taylor (1991) nachgezeichnet. Sie verweist insbesondere auf die Arbeiten des peruanischen Ethnografen und Literaten José María Arguedas (1982). Aus seiner Sicht ist die indigene Kultur, wie wir sie kennen, das Produkt von Transkulturationen – des langjährigen Kontakts zwischen früheren peruanischen Kulturen und denen der Kolonialisierenden. Entsprechend gibt es für ihn keine »reine« indigene oder spanische Kultur unter den Einwohnern Perus, sondern nur vielfältige »Mestizo«-Kulturen. Eurozentrische Konzeptionalisierungen von Kultur erscheinen ihm nicht hinreichend, um den hybriden Charakter der Kulturen Lateinamerikas zu fassen.

      Die hierauf aufbauende Diskussion gewann an Breite (siehe beispielsweise die Beiträge in Bekers et al. 2009; Davis et al. 2002; Kalogeras et al. 2006). Spätere Arbeiten lateinamerikanischer Kultur- und Kommunikationswissenschaftler wie beispielsweise die des bereits zitierten Néstor García Canclini, die den unweigerlich hybriden Charakter lateinamerikanischer Kulturen betonen, müssen in der direkten Folge dieser Beschäftigung mit Transkulturalität gesehen werden (siehe García Canclini 1995; Hepp 2009b; Lull 1998). Dabei fasst der Ausdruck der Transkulturalisierung generell das Entstehen neuer Kulturformen aus ehemals differenten kulturellen Kontexten in einem Prozess der durchaus machtgeprägten Hybridisierung. Hybridität bezeichnet – ähnlich wie der von Ortiz verwendete Ausdruck des Synkretismus – die Vermischung von Ressourcen unterschiedlicher kultureller Kontexte, deren Verbindung, Fusion und Melange (Hepp 2010: 216; 274). Ein solcher Prozess wird in diesem Diskursfeld vor allem in Bezug auf die »subalterne« Aneignung des Kolonialismus analysiert, wobei insbesondere die Kontaktzonen einer solchen Hybridisierung von unten interessieren. So konstatiert Mary Louise Pratt (1992) in ihrer Studie zum kolonialen Reisejournalismus, dass Transkulturation sich in bestimmten Kontaktzonen ergibt, die sie wie folgt beschreibt:

      »Kontaktzonen [sind] soziale Räume, in denen sich disparate Kulturen treffen, aufeinander stoßen und miteinander auseinandersetzen, oftmals in hochgradig asymmetrischen Beziehungen der Über- und Unterordnung – wie Kolonialismus, Sklaverei oder deren Nachwirkungen, die heutzutage über den Globus hinweg gelebt werden.« (Pratt 1992: 4).

      Wie dieses Zitat deutlich macht, rückt damit der Begriff der Transkulturation in eine große Nähe zu dem des »dritten Raums«. Als »third space« hat Homi Bhabha [29](1994: 55) – einer der zentralen Theoretiker des Postkolonialismus – kulturelle Zwischenräume der Begegnung charakterisiert. In diesen haben »die Bedeutungen und Symbole der Kultur keine ursprüngliche Einheit oder Beständigkeit« (Bhabha 1994: 55). Entsprechend können Prozesse der Übersetzung und Rehistorisierung stattfinden, wobei Bhabha neben dem Ort der Literatur an konkrete Lokalitäten wie beispielsweise das Treppenhaus als Ort der Begegnung (kulturell) sehr unterschiedlicher Menschen denkt. Der Begriff der Transkulturalität fügt sich damit umfassend als »Schlüsselkonzept« (Ashcroft et al. 2009) in die analytischen Konzepte des Postkolonialismus ein. Diesen geht es darum, »ein kritisches Potential zur Beschreibung komplexer historischer Verhältnisse sowie ein utopisches Potential für die Durchführung des unabgeschlossenen Projekts der mentalen Dekolonisierung« (Mackenthun 2011: 123) zu entwickeln.

      Eine auf das Diskursfeld des Postkolonialismus ausgerichtete Beschäftigung mit transkultureller Kommunikation reicht von theoretischen Reflexionen der eigenen Arbeit durch Medienpraktiker (MacDougall 1998), über wissenschaftliche Studien zu Filmen als transkulturelle Begegnungsräume (Kramer 2006) bis hin zur Erforschung von Prozessen medienvermittelter Transkulturation in Zeiten der Globalisierung von Medienkommunikation (Kraidy 2005; Lull 2002). Letztlich geht es in solchen Analysen darum, gegenwärtige Transkulturationen zu erfassen, die sich in grenzüberschreitender und grenzziehender Medienkommunikation konkretisieren. Hiermit werden die Problematiken und Phänomene der Transkulturation, die ursprünglich einmal als Ausdruck postkolonialer Situationen gegolten haben, als ein generelles Phänomen der gegenwärtigen Medienkommunikation angesehen. Transkulturelle Begegnungen spielen sich nicht mehr nur an (post-)kolonialen Begegnungsorten ab, sondern sind zum Normalfall grenzüberschreitender Medienkommunikation geworden, so die Überlegung. Wie es James Lull zugespitzt formuliert: »Prozesse der Transkulturation synthetisieren neue kulturelle Genres, während sie traditionelle kulturelle Kategorien einreißen« (Lull 2000: 242).

      Die bisher differenzierteste kommunikations- und medienwissenschaftliche Theorieentwicklung in einem solchen Rahmen hat Marwan M. Kraidy (2005) vorgelegt (siehe zu seinem Verständnis der transkulturellen Kommunikation Textbox 1). Sein Ansatz eines »kritischen Transkulturalismus« betont den konstruierten und gleichzeitig machtgeprägten Charakter von Kultur und rückt eine (zunehmende) globale Transkulturalität in den Blick. Es geht darum, nicht von einer Determination transkultureller Kommunikationsbeziehungen durch die bestehenden Strukturen einer politischen Ökonomie der Medien auszugehen, sondern Transkulturationen als sich in bestimmten Ökonomien konkretisierende Interaktionsbeziehungen zu analysieren. Zentral ist dabei die Betonung einer »translokalen Perspektive« (Kraidy 2005: 155). Diese zielt darauf, die vielfältigen Kommunikationsbeziehungen zwischen sehr unterschiedlichen Orten und auf sehr verschiedenen Ebenen in den Blick zu rücken und solche Beziehungen nicht vorschnell in nationalen Totalitäten aufgehen zu lassen. [30]Zusammenfassend charakterisiert Kraidy den von ihm umrissenen Ansatz mit folgenden Worten: »Kritischer Transkulturalismus […] verweigert das, was der Anthropologe George Marcus die ›Fiktion des Ganzen‹ genannt hat, betont aber zur gleichen Zeit, dass interkulturelle Beziehungen ungleich sind« (Kraidy 2005: 153).

      Letztlich zielt eine solche Forschung darauf, auf kritische Weise die Hybriditäten zu erfassen, die durch kommunikative Praxis translokal und verschiedene kulturelle Kontexte übergreifend geschaffen werden. An dieser Stelle rekurriert Marwan M. Kraidy (2005: 152) auf den Begriff der Hybridität bei Mikhail Bakhtin (1981), der zwischen organischer und intentionaler Hybridität unterscheidet. Organische Hybridität bezeichnet das Ergebnis der von Ortiz konstatierten Prozesse der Transkulturation als einen unbewussten Vorgang: »Unbewusste Hybride […] gehen schwanger mit potenziellen neuen Weltsichten, mit neuen ›internen Formen‹ der Wahrnehmung der Welt in Worten« (Bakhtin 1981: 360). Die intentionale Hybridität hingegen ist eine bewusste Konstruktion

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