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Traumafolge(störung) DISsoziation. Zora Kauz
Читать онлайн.Название Traumafolge(störung) DISsoziation
Год выпуска 0
isbn 9783969405482
Автор произведения Zora Kauz
Жанр Медицина
Издательство Автор
Primitive Abwehrmechanismen – so nennt sich das. Unüberlegte, keine mit höherem Verstand weiterentwickelten Handlungen, die von reflektierten Gedankengängen oder Vorausdenken zeugen. Sondern eher hirnlose, weil Todesangst die Rationalität hemmt. So sind also manche Anteile im Abwehrmodus, Kampf oder Flucht, und wenn das nicht ging, Erfrieren und Unterwerfen, steckengeblieben. Daraus entstehende, einfache Handlungsabläufe nennen sich primitiv. Schmerzhaft und beschämend fühlt es sich an, wenn mir davon erzählt wird oder ich die Folgen körperlich spüre. Wenn Anteile sich zum Schutz versuchen, die Hände abzusägen. Wenn welche zum Schutz den Kopf gegen die Wand oder den Boden schlagen. Oder zum Schutz die letzte Person, bei der Vertrauen möglich ist, versuchen loszuwerden. Es ergibt dann Sinn, wenn wir ihre Lösungsstrategie entsprechend ihrer Situation verstehen. So ist es in sich logisch, dass Vertrauen immer Gefahr birgt, oder wir, falls es doch ohne böse Hintergedanken geschieht, es nicht verdient hätten oder uns unter keinen Umständen zumuten dürften. Somit müssen Menschen, die dieses Vertrauen geben und empfangen wollen, abgeschreckt oder auch verletzt werden, damit sie auf Distanz bleiben.
Niemand im Innen hat sich die Aufgabe, die er oder sie zu erfüllen versucht, aus Spaß an der Freude herausgesucht. Es sind neurobiologische Vorgänge, um Extremsituationen zu überstehen. Und die physiologische Kettenreaktion, die bei Todesangst (auch wenn sie später getriggert wird) ausgelöst wird, ist schon seit Evolutionsbeginn erprobt und erfolgt viel zu schnell, um vom Verstand gesteuert zu werden. Nichts davon wird willentlich gesteuert. Es ist kein Theaterspiel. Die Abspaltungen sind ein echter Überlebensmechanismus und Flashbacks und Intrusionen wirkliche Reproduktionen, um die Verarbeitung möglich zu machen.
Wenn Menschen aus Erfahrungen lernen wollen, müssen sie seelisch und neuronal bereit sein, sie verarbeiten und integrieren zu können. Und weil diese Bereitschaft dem akuten Erleben manchmal hinterherhumpelt, passiert dies oft durch symbolische Wiederholung: im Gespräch, durch (Tag-)Träume, Spiel oder Kunst. Das ist bei einzelnen von uns auch so, aber aufgrund der Komplexität bzw. Vehemenz und Manifestierung dieser Erlebnisse, kommt es auch zu realen „Wiederholungen“ ähnlichen Erlebens, einzelne Elemente betreffend. Das führt aber zu keiner Verarbeitung, sondern zu neuen Verletzungen. Diese Reinszenierungen müssen jedoch für die, die sie herstellen, weniger schrecklich als das ursprünglich Erlebte sein, weil sie sie ja selbst wählen. Für uns als Gesamt-System ist es aber schrecklich, mitunter auch folgenschwer, denn sie wählen lediglich das, was und wie bzw. die daraus folgende konkrete Konsequenz ist dann meist nicht mehr wählbar. Es geht viel darum, sich die eigene Schrecklichkeit zu bestätigen. Diese Reinszenierungen sind also auch eine Art Vermeidung, weil neue Verletzungen die Integration des ursprünglichen Traumas und ein Kontextualisieren, also das Einordnen, verhindern. Manchmal ist es wohl auch ein Versuch zu verstehen, der unbedacht aber zu keinem Verständnis, sondern zu wiederkehrender Hilflosigkeit führt. „Ähnliches mit Ähnlichem heilen“ erweist sich bei Traumatisierungen als nicht wirksam. Wirklich gar nicht. Es bewirkt das totale Gegenteil. Auch in homöopathischer Dosis ist es nicht förderlich für eine Entwicklung hin zu mehr Stabilität, Akzeptanz und Integration. Wir alle können und sollten irgendwann andere Wege finden, um uns zu schützen, wir können das, wenn wir zumindest einen Teil der Erlebnisse integriert haben und wir uns im neuen Lebenskontext zurechtfinden bzw. zumindest wissen, dass es eine andere Basis gibt und sich welche um diese kümmern.
Tätersprache, -impulse, -werte, -perspektiven und all das Innen. All das in uns. Und ich bin etwas von diesem wir. Das bin auch ich? Scheiße. Bedürfnisse, Wünsche, Trauer, kleine Hilflosigkeit und all das Innen. All das in uns. Und ich bin etwas von diesem wir. Das bin auch ich? Mindestens genauso brutal scheiße. Darum auch die Angst, dass unsere Therapeutin mit dieser Bösartigkeit, Brutalität und Ekelhaftigkeit in Berührung kommt. Was, wenn ihr das etwas antut? Allein nur die Vorstellung, dass sie dem begegnet, ist furchtbar schrecklich beängstigend.
Ich sitze so da und versuche, geradeaus zu denken, was enorm schwer ist, wenn eine Therapeutin gegenübersitzt und der Großteil ihrer Aufmerksamkeit auf uns liegt. Das ist so aaahhh; Können Sie sich nicht kurz mal ablenken, damit ich den Satz fertig formulieren und dann auch aussprechen kann? Bitte. Sage ich natürlich nicht. Denke ich nur, während innen unglaubliches Chaos ist und ich nicht mehr weiß, ob ich meine eigenen Gedanken je wiederfinde unter all dem, was da gerade so draufgeschmissen wurde. Und wir werden immer noch beobachtet. Jedenfalls versuche ich dann, meine Sorgen zu kommunizieren. Nämlich dass ihre ungeplante Auszeit zu sehr viel mehr Turbulenzen geführt hat, als ich das zugeben möchte, mehr als ich mir das eingestehen kann, und sehr sicher noch mehr, als ich wirklich begreifen kann. Dass da neben einsam gefrusteter Enttäuschung auch viel Zerstörungswucht ist. Und zudem ganz ha(e)ssliche Wut. Ich komme mir etwas doof dabei vor, aber meine Sorge ist sehr real. Sie ist berechtigt. Denn es gibt widerliche Sprache in uns, grausame Bilder und brutale Wünsche, Impulse – wann sind es Handlungen? Am Körper sehe ich manche Zeugnisse solcher Handlungen und ich weiß aber, dass auch im Hier-und-Jetzt innen welche sind, die genau das gelernt haben. Ich weiß, dass ihre Drohungen keine leeren Worte sind, und wenn ich auf der Intensivstation aufwache, kann ich nur erahnen, dass irgendwer ihren Aufforderungen gefolgt sein muss. Also ist meine Sorge real. Ob kleine bedürftige Zuwendungswünsche den Kontakt beschmutzen oder aus ihrer Enttäuschung heraus zu zerstören versuchen, oder eklige Gewaltverherrlichende unserer Therapeutin wirklich etwas antun – ich finde alles furchtbar und weiß nicht, was davon tatsächlich passieren könnte. Wir wurden schon als unzurechnungsfähig betitelt, und ich weiß manchmal nicht, was ich diesem Adjektiv entgegensetzen kann, ohne das Gefühl zu haben, mich selbst zu belügen. Denn ich fürchte mich ja auch vor der Ungewissheit. Und dann stammele ich so daher oder um diesen Konflikt außen herum, glaube, es relativ gut angedeutet zu haben, und unsere Therapeutin meint nur so, dass alle willkommen seien. Ah. Okay. Was? Nein! – Auch die, die so vehement sein müssen, seien doch verzweifelt und voller Angst – sie dürfen also gerne kommen. Ah. Okay. Was? Nein! Innen wird es laut, dass das doch jetzt der Beweis wäre, dass sie mich kein bisschen ernst nimmt, dass sie mir nicht glaubt und alles kleinredet, dass sie gar nicht versucht, meine Angst zu verstehen. Wenn sie nur wüsste, wie viel Schrecklichkeit da ist. – Ich sei eine erbärmliche Heulsuse und solle endlich einsehen, dass sie mich hier verarscht. – Es erscheint leicht, dem zu glauben. Zu gehen und nicht wiederzukommen. Doch irgendwo, irgendwie, in einer mir noch nicht ganz klaren Form, glaube ich auch, dass sie das nicht sagt, um mich als lächerlich darzustellen, sondern dass sie diese Haltung tatsächlich hat und diese ganzen blöden Theorien damit bestätigt. Nämlich, dass die Angst, Verzweiflung und Ohnmacht, die zu solcher Vehemenz führen, aus überwältigenden Erfahrungen kommen, und die, die sie jetzt zeigen, sich einfach nicht anders zu helfen wissen, weil sie es wirklich (noch) nicht anders können oder es meinen, nicht anders zu dürfen, leider teilweise auch überzeugt sind, es nicht anders zu wollen.