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leidvolles Erleben der Todesangst. Die Lähmung „danach“, ist nicht leidvoll. Es ist der vermutlich traurigste Zustand, den ich kenne, aber nicht im Moment selbst, sondern nur, wenn ich ihn danach beschreibe. Traurig, weil hier alles schon aufgegeben ist. Auch die letzte Hoffnung auf Bindung zur Welt, zum Leben, zu uns selbst, ist vergangen. Dieser Zustand ist total okay, denn wenn wir dann sterben, dann ist es wenigstens vorbei. Dann hört der Schmerz auf. Dann geht die Kälte weg. Dann ist es endlich vorbei. Der Tod ist in seinem Kommen akzeptiert, mit jedem Ausatmen ist es mehr okay, dass wir gerade Sterben. Danach ist es schlimm. Es ist ertränkend traurig. Es ist wie richtiges Trauern, um das Sterben. Ich bin mir noch nicht sicher, ob Trauern um das, was verstorben ist/scheint oder darum, dass das Sterben aufhörte und wir zurück auf die Erde gekracht sind. Traurig ist es auf jeden Fall. Aber in diesen relativ ganzheitlichen Lähmungszuständen ist der Angst-Terror nicht da. Leider ist dieses „Ja, es ist ok jetzt zu sterben.“ nicht kognitiv durch Mantras willentlich herzustellen. Also für mich zumindest nicht. Wenn, dann kommt das vom Körper bzw. von ganz tief innen.

      Die sogenannte tonische Immobilität, also eine Unfähigkeit, sich zu bewegen, wirkt nicht unbedingt traumatisch. Sie begründet das Trauma aber, wenn sie mit Angst und Hilflosigkeit oder Bedrohung verknüpft ist. So ist auch die Lähmung an sich nicht traumatisierend, da sie aber mit der Todesangst verbunden ist, bleiben wir in dem Wissen, dass wir Angst nicht überleben können. Und schon das Herzrasen lässt uns später instinktiv dissoziieren, weil das die Technik ist, mit der wir es doch überlebt haben. Dissoziation ist ein Phänomen, welches vitale Funktionen hat, auch wenn es später nicht mehr so scheint, doch würde es ohne diese Wichtigkeit nicht biologisch garantiert werden.

      Ein Trauma ist also nicht einfach etwas Schlimmes, was uns zustößt, oder eine chronische Abfolge von schrecklichen Erlebnissen. Es ist etwas, das grundlegend unsere neuronalen und biologischen Abläufe in Stresssituationen und körperlichen Empfindungen bzw. deren Verarbeitungsprozesse und Erinnerungsspeicherung beeinflusst und verändert. Von außen kann nicht entschieden werden, ob etwas traumatisch ist oder nicht, jedoch findet der Begriff alltäglich veränderte Verwendung, weil jeder Schrecken und aller Stress als Trauma bezeichnet wird. Auch nicht all das, was traumatisch wirkt, ist unbedingt traumatisierend, weil es ggf. abgefangen werden kann, weil es danach kein „allein bleiben“ gibt oder weil es zwar zu Bedrohung und Angst, aber nicht zu Todesangst kommt. So vermittelt die inflationäre Verwendung des Begriffs ein falsches Bild, weil dadurch Dinge kleingeredet bzw. fehlerhaft verglichen werden. Ob Trauma oder nicht, Leid lässt sich nicht objektiv vergleichen. Ohnehin ist jedes Trauma individuell, auch wenn Verletzungen verschiedener Menschen in derselben Situation entstanden. Chronische Traumatisierungen in der Kindheit formen die Ent- oder auch Ver-wicklung unseres Gehirns. Gedanken, Gefühle, Verhalten, Empfindungen, Wahrnehmungen werden nicht verknüpft gespeichert, Informationen anders organisiert. Die Traumata malten verzerrte Weltbilder und wir haben viele verschiedene davon auf einmal in uns, weil wir, als einzelne „Anteile“, voneinander getrennt und jede_r für sich, uns an unser jeweiliges Weltverständnis anpassten. So zerstört oder verhindert es auch unser Selbstbewusstsein, im wörtlichen Sinn, denn es gibt lange kein Bewusstsein darüber, wer wir sein könnten. Es wird gesagt, dass Zeit für alle Wunden Heilung bringt. Doch Traumata sind Verwundungen, die die Zeit von allein nicht heilt.

      Wir glauben, Nichts zu sein. Die tote Kälte lebt in uns, weil wir nicht (von allein) in einen Normalzustand kommen und uns innerlich verstorben scheinen.

      Nichts – und wenn doch etwas, dann schwach und erbärmlich, denn als es um unser Überleben ging, konnten wir uns kein Stückchen bewegen, kein kleines bisschen, es war uns nicht möglich, weil wir von der Angst gelähmt waren. Wir müssen also mit einer Grundstabilität an dieses Gefühl der Lähmung ganz langsam, Schritt für Schritt herantreten, um nicht von den verknüpften Gefühlen überfordert zu werden und zu dissoziieren. Deshalb funktioniert auch das: „Mach das doch einfach“ oder „Jetzt stell dich nicht so an“ nicht. Wir stellen uns nicht einfach an, und zu schnelle oder heftige, besonders unerwartete Konfrontationen führen, wenn wir nicht bereit sind, zur erprobten Dissoziation oder zu einer Retraumatisierung. Das Tempo ist nicht von außen zu steuern. Leider, denn es braucht so unfassbar viel Ausdauer, „all das“ langsam, stückweise auszubuddeln, aber anders wäre es nur wieder überwältigend. Zum Glück, denn es soll ja um das Erfahren eigener Handlungsfähigkeit und Entscheidungsfreiheit gehen.

      „Boah, bist du ein Tier.“ – Diese Aussage kann wohl bedeuten, dass eine sportliche Leistung erbracht wurde. So sagen manche Menschen statt: „Hast du aber eine Ausdauer“, oder: „Du bist ja richtig stark“, eben: „Boah, bist du ein Tier.“

      Und das sind wir alle. Ein bisschen zumindest. Oder ziemlich sogar (wenn wir all die schönen entwicklungsgeschichtlich neuen Hirnareale mal weglassen). Unser peripheres Nervensystem ist nämlich sehr tierisch. So auch zentral der Hirnstamm (in der Psychotraumatologie oft als Reptilien-Hirn bezeichnet), etwas in dem Organ, weswegen wir glauben, so ganz anders, „die Krone der Schöpfung“ zu sein. (Ich glaub ja nicht, dass wir damit zu krönen sind.) Menschen haben sich nur so weit von instinktiven Wurzeln entfernt, dass sie diese nicht nur nicht spüren, sondern oft sogar verleugnen. Aber wir sind nun mal Säugetiere.

      Unser Nervensystem wird einerseits nach Form und Struktur gegliedert: Es gibt das zentrale Nervensystem; Gehirn und Rückenmark. Und das periphere Nervensystem, das ist quasi der ganze Rest, alles was sonst an Nerven im ganzen Körper verteilt ist und uns glücklicherweise „nervt“.

      Funktionell wird es ebenfalls in zwei große Kategorien unterteilt: einerseits das somatisch/animalisch/willkürliche Nervensystem, für, wie der Name verrät, willkürliche Muskelkontraktionen oder bewusstes Wahrnehmen, und das autonome/vegetative/unwillkürliche Nervensystem, welches wir nicht willentlich bzw. nur indirekt beeinflussen können.

      Letzteres wird wiederum in drei Bereiche unterschieden, von denen uns hier zwei besonders interessieren: das sympathische und das parasympathische Nervensystem. Der Sympathikus ist der aktivierende Teil, der Parasympathikus hemmend. Jeweils geht es ohne das andere nicht. Aktivierung ohne Bremse ist nicht lange funktionell und Bremse ohne Aktivierung ist wenig lebendig. Der Begriff Autonomes Nervensystem, geprägt vom britischen Physiologen J. Langley, hat schon Sinn. Wir können nämlich nicht mitentscheiden, ob unser Sympathikus die reaktive fight-flight-Energie aufbringt oder nicht. Das ist auch ganz gut so, weil wir im Falle des Falles dafür zu viel Zeit bräuchten. Gefahr bedeutet physiologische Reaktion und unüberlegtes Kampf- oder Fluchtverhalten.

      Der größte Nerv des Parasympathikus ist auch noch einmal aufgeteilt. (Damit sind wir hier jetzt auf der letzten Differenzierungs-Stufe angelangt.) Das ist der Vagusnerv. Er ist der einzige der zwölf Hirnnerven, die zumeist dem Hirnstamm entspringen, welcher über den Hals hinaus in die inneren Organe des Körpers verläuft und in seiner Größe mit der Wirbelsäule zu vergleichen ist. Ist also ein sehr großes, ziemlich bedeutendes Ding. Charles Darwin hat schon Ende des 19. Jahrhunderts, lange vor der Zeit der psychosomatischen Medizin, die wechselwirkende Verbindung vom Körper zum Gehirn erkannt. Er schrieb vom heutigen Vagus als „pneumo-gastric nerve“. Der Vagus besteht aus dem ventralen (vorderen) Vagus System, das sind Fasern des Nervs mit einer Biomembran als Sensibilitäts- und Beschleunigungs-Isolierung, und dem dorsalen (hinteren) Vagusnerv, welcher primitiver ist und ohne Markscheide. Das Dorosal Vagal System besaßen schon primitive knochenlose Fischen vor 500 Millionen Jahren. Es sorgt laut Stephen Porges für den „shutdown“, für Immobilität in der Unterwerfung, für Dissoziation. Nach Porges’ Aufarbeitung reagieren Menschen bei Angst auf Bedrohung zunächst mit einer hochentwickelteren Säugetier-Taktik. Wir nutzten das Ventral Vagal System, welches für soziale Einbeziehung und die Kommunikation von Emotionen (viel über Mimik) zuständig ist. Dieser Teil des Nervs ist relativ neu (ca. 80 Millionen Jahre alt) und kommt nur in Säugetieren vor. Wir suchen mit dem Social engagement system (SES) des Ventral Vagal Systems nach Kontakt und Schutz oder Besänftigung durch andere. Was auch erklärt, warum schon die Präsenz eines wohlwollenden Mitmenschens und Erdung durch akustische oder taktile Signale das Alarmsystem herunterfahren und in einen ruhigeren Zustand bringen kann. Wenn das nicht klappt oder niemand da ist, der Schutz bieten kann, schaltet sich der Sympathikus ein. Der Sympathikus stellt die Kampf-

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