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taub, Pfeffer. Und vergiss nicht, meine Großmutter war eine javanische Woodoopriesterin, von der habe ich das magische, alles sehende Auge geerbt.«

      Pfeffer hatte gelacht und seinem Freund letztlich recht geben müssen in allen Punkten – bis auf das mit der Woodoo-Oma aus Java. Wobei Tim de Fries tatsächlich eine javanische Großmutter vorweisen konnte. Er war schließlich nach eigenen Worten eine »echt leckere holländische Kolonialware«, zu dessen Vorfahren zudem eine Oma aus Surinam sowie einen Uropa aus Ghana zählten. Pfeffer hatte sich bei ihrer ersten Begegnung Schlag auf Fall in diesen auf der niederländischen Karibikinsel Curaçao geborenen Zweimeterhünen mit den dunkelblonden Locken, dem breiten Grinsen, den exotischen Mandelaugen und den frechen Sommersprossen auf dem Kupferteint verguckt. Doch bei aller Exotik – die javanische Großmutter war nie Woodoopriesterin. Schließlich kannte Pfeffer die liebenswerte greise Asiatin, die in einem Seniorenstift in der holländischen Metropole mit einem einundneunzigjährigen Lüstling turtelnd und händchenhaltend ihren vierten oder fünften Frühling erlebte. Sie hatte ihren Lebtag nichts anderes getan hatte, als in Amsterdam anderer Leute Wäsche zu waschen. Woodoo kannte die alte Dame vermutlich nicht mal vom Hörensagen.

      Pfeffer hatte sich für diese Richtigstellung in jener Nacht noch eine Kitzelattacke eingehandelt, die erst in eine erotische Rangelei und schließlich in den ersten guten Sex seit mehreren Wochen gemündet war. Dass es in ihrer Beziehung seit längerem viel zu wenig Sex gab, obwohl Pfeffer seinen Freund auch körperlich immer noch sehr anziehend fand, und hoffte, dass es umgekehrt auch so war, war eines der vielen anderen Themen, die an seiner Seele nagten.

      Doch was das Verhältnis zu seinem ältesten Sohn Cosmo anging, hatte Tim recht, wie so oft. Pfeffer beneidete manchmal seinen Lebensgefährten, weil der so gut mit den Jungs umgehen konnte. Seit Pfeffers Exfrau vor etlichen Jahren qualvoll an Lymphdrüsenkrebs gestorben war, hatten die beiden Männer die zwei Kinder aufgezogen und waren schnell zu einer richtigen Familie zusammengewachsen – mit einem besonnenen Tim als Mittler zwischen den beiden Alpha-Männchen. Cosmo hatte eine Zeit lang versucht, seinen Vater und dessen Lebensgefährten gegeneinander auszuspielen, wie es ihm bei seiner Mutter und deren Freund damals gelungen war. Doch Pfeffer und Tim ließen sich nicht in die »Guter Papa«- und »Böser Papa«-Rollen stecken. Selbst jetzt als ihre Beziehung in einer Sackgasse zu stecken schien.

      In diesem Moment beschloss Max Pfeffer von seiner Palme herunterzukommen, auf die ihn Cosmos »Du bist so was von fies!« gebracht hatte. Alles eine Kopfsache, sagte er zu sich. Er tat es hauptsächlich für Tim, um zu zeigen, dass er dazu gelernt hatte. »Okay, Cosmo. Reden wir vernünftig darüber. Setz dich wieder hin und beherrsch dich ein wenig.«

      »Vergiss es!« Cosmo wollte das Esszimmer verlassen.

      »Godverdomme, Cosmo!«, sagte Tim de Fries mit Nachdruck und schlug mit der flachen Hand auf den Tisch. »Heel volwassen! Asjeblief!« Cosmo sah Tim überrascht an. Es gab für gewöhnlich nur zwei Situationen, in denen Tim außerhalb der Niederlande gezielt seine Muttersprache benutzte: wenn er besonders gut drauf war oder wenn es wirklich bitterernst wurde. Auch wenn nur »Gottverdammt, sehr erwachsen! Bitte!« gesagt worden war – Cosmo wusste, dass es nun besser war zu folgen.

      »Hör zu, Dad.« Er setzte sich auf seinen Platz. »Ich mache das nur so lange, bis ich genug verdient habe, um mir das Computerequipment zu kaufen. Echt. Ich verspreche es. Das mit der Schule wird auch klappen. Keine Sorge. Wir drehen nur einmal die Woche. Schule geht vor, ist ganz klar. Versprochen! Kein Thema. Ich steh nicht auf diese Daily Soaps. Das ist echt Kinderkacke, aber es hilft unserer Band und unserer Karriere. Wir stehen soooo dicht vorm Durchbruch. Wir brauchen nur gescheites Equipment, um richtig gute Samples zu bauen. Da tut es für den Anfang der neue Apple …«

      »Geht das mit dem Computer schon wieder los?«, fragte Pfeffer genervt. »Hier im Haus stehen drei PCs und ein Laptop, die alle bestens funktionieren. Du hast mit deinem bisher auch Musik gemacht.«

      »PCs, du sagst es.« Cosmo winkte müde ab und verdrehte seine Augen so weit nach oben, dass kurz nur das Weiße zu sehen war. »Ich rede von einem Mac. Das sind andere Dimensionen, keine debile Winzigweich-Mühle, die ständig abkackt und jeden Virus anzieht, der draußen rumschwirrt. Es gibt so gut wie keine Mac-Viren.«

      »Schon gut.« Pfeffer wusste nicht wirklich genau, wovon sein Sohn sprach. Aber er wusste, dass es da um den Glaubenskrieg der Computergeneration ging, der ewige Kampf zwischen Macintosh-Freaks, die die Marke mit dem angebissenen Apfel kultisch verehrten und Microsoft als Winzigweich verspotteten, sowie der schweigenden Windows-Mehrheit, die Bill Gates jeden Tag noch ein bisschen reicher machte. Nun war Cosmo offenbar zu den Apple-Fans konvertiert und bei Glaubensfragen half bekanntermaßen kein logisches Argumentieren. »Wenn du einen neuen PC oder wie sagt ihr da …«

      »Rechner. Wir nennen das gut deutsch altmodisch Rechner. Ein Mac ist ein Rechner, kein Computer und schon gar kein PC. Du solltest an deinem Wording arbeiten.«

      »Also, wenn du einen neuen Rechner willst, dann musst du ihn dir selbst kaufen.«

      »Davon rede ich doch die ganze Zeit!«, rief Cosmo ungeduldig.

      »Gut. Wieviel kostet das Teil?«

      »Na, das große Cinemadisplay und jede Menge Software … Wir brauchen die coolste Software zum Sampeln und natürlich noch ein neues Keyboard … Könnte leicht um die zehn werden.« Cosmo verschwieg natürlich, dass die meiste Software bereits im Grundpreis enthalten war, doch sonst wäre er nicht auf zehntausend Euro gekommen und hätte keine so beeindruckende Summe, mit der er seinen Vater vielleicht doch noch umstimmen könnte.

      »Zehn.« Pfeffer trank einen Schluck von seinem Bier. Er wollte sofort eine rauchen, doch er hielt durch. Tim durfte nicht mitbekommen, dass er schon wieder rückfällig geworden war. »Okay. Bei zehn steigst du aus.«

      »Wie jetzt?« Cosmo starrte seinen Vater verständnislos an. Auch Florian und Tim guckten entgeistert.

      »Ja, du kannst von mir aus so lange bei dieser Serie mitspielen, bis du genug für deinen PC … äh, für deinen Rechner verdient hast. Solange die Schule nicht darunter leidet.« Pfeffer sah Tim an, der nickte ebenso strahlend wie überrascht. Pfeffer fühlte sich auf einmal richtig uneingeschränkt gut, einfach sauwohl. Fast, so glaubte er, war die Harmonie zwischen ihm und Tim ganz die alte.

      »Danke, Dad«, stammelte Cosmo, der immer noch nicht glauben konnte, was eben geschehen war.

      07 »Gerda, komm bitte zur Sache«, sagte Pfeffer und wechselte den Telefonhörer vom linken zum rechten Ohr. Das Gespräch mit der Gerichtsmedizinerin hatte bisher keine weiteren Neuigkeiten gebracht, außer dass die Katze der Nachbarin das Vogelnest in der Kastanie vorm Haus ausgeräumt hatte, das heiße Wetter noch für den vorzeitigen Tod von Doktor Gerda Pettenkofer verantwortlich sein würde und die Zigarettenpreise schon wieder gestiegen seien, was selbst Gutverdiener wie sie noch an den Bettelstab bringen würde. Pfeffer hatte sich eine Weile auf den Ratsch eingelassen und dabei im Bericht der Spurensicherung geblättert: Jede Menge Fingerabdrücke von allen möglichen Personen auf der Reisetasche – von den drei Jugendlichen, von Jo Wagenbrenner, von allen Mitgliedern des TV-Teams mit Ausnahme der Produktionsassistentin sowie mehrere unidentifizierte Abdrücke; die Tasche selbst ein älteres Produkt, das zwischen 1992 und 1994 in riesigen Stückzahlen bundesweit bei Woolworth verkauft wurde und das vor seinem Einsatz offenkundig in der Waschmaschine gewaschen wurde, womöglich um Spuren zu beseitigen; bei so einem Massenprodukt eine genaue Herkunft zu erkunden, war laut Bericht ein Ding der Unmöglichkeit; das Haus der alten Frau sowie der Keller und die Büroräume von Veicht-Productions schieden nun nach Spurenlage definitiv als Tatorte aus; die Flüssigkeit, die er auf das Armaturenbrett hatte tropfen lassen, war Kirschsirup, das in einer Kapsel in einem Ärmel einsatzbereit gehalten worden war; an der Kleidung von Jo Wagenbrenner fanden sich keine Spuren vom Toten, weder auf den Leihklamotten des Ausstatters noch auf der Privatkleidung. Doch es wäre natürlich nicht das erste Mal, dass ein Täter in irgendeinem Müllcontainer seine besudelte Kleidung hätte verschwinden lassen. Und dann gab es da noch diese Telefonnummer, auf die sie in allen Adressbüchern von Herbert Veicht gestoßen waren, meist mit rot eingetragen, also musste sie etwas Wichtiges bedeuten. Doch die zwei Mal, die Annabella

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