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allgemeines Thema in den Kindheitsängsten. Die Kinder bemerken, wie ein Huhn zur Mittagszeit verschwindet; oder wie das Badewasser wegfließt, wenn der Stöpsel einmal gezogen ist; oder wie die Fäkalien weggespült werden. Es gibt kaum ein Kind, welches nicht fürchtet, verschlungen, weggespült oder durch das Abflussrohr eingesaugt zu werden. Die analytische Literatur bemerkt die unbewusste Gleichsetzung von Fäkalien und Leichnam.43 Vielleicht ist es an der Zeit, dass die Psychotherapeuten die Dynamik der Sauberkeitserziehung neu überdenken, denn in ihr scheint mehr enthalten zu sein als analer Erotizismus oder trotziger Widerstand: Für das Kind löst die Sauberkeitserziehung die Ängste im Zusammenhang mit physischer Integrität und Überleben aus. Wenn das Kind sich bewusst wird, dass ewige Wiederkehr verschwundener Gegenstände nicht das Übliche ist, dann sucht es nach anderen Strategien, um sich vor der Bedrohung des Nicht-Seins zu schützen. Das Kind wird zum Meister statt zum Opfer des »alles weg«. Das Kind zieht den Badewannenstöpsel heraus, spült Dinge die Toilette hinunter und bläst Streichhölzer freudig aus, es freut sich, wenn es der Mutter helfen kann, indem es auf das Pedal des Mülleimers tritt. Später verbreitet das Kind den Tod entweder symbolisch in Cowboy- und Indianer spielen oder wörtlich, indem es das Leben von Insekten auslöscht. Tatsächlich hielt Karen Horney die Feindseligkeit und Zerstörungswut eines Kindes für direkt proportional zum Ausmaß, in dem dieses Kind das Gefühl hat, dass sein Überleben in Gefahr ist.

      Was geschieht mit dem Wissen, wenn das Kind einmal »weiß«?

      Das Gewusste bleibt nicht gewusst. Matilda McIntire, Carol Angle und Lorraine Struempler fragten 598 Kinder danach, ob ein totes Schoßtier weiß, dass sein Besitzer es vermisst, und sie fanden heraus, dass siebenjährige Kinder bei weitem mehr dazu neigen als elf- und zwölfjährige, die Endgültigkeit und Unveränderbarkeit des Todes zu akzeptieren.44 Ein ähnliches Ergebnis berichten Irving Alexander und Arthur Adlerstein, die eine große Zahl von Kindern zwischen fünf und sechzehn Jahren mit dem GSR (Galvanische Hautreaktion – ein physiologisches Maß für Angst) testeten, wobei sie einer Serie von Wörtern mit Todesbezug, die in eine Serie neutraler Wörter eingestreut waren, ausgesetzt wurden.45 Sie teilten die Kinder in drei Gruppen ein: Kindheit (5-8), Präadoleszenz oder Latenzphase (9-12) und Adoleszenz (13-16). Die Ergebnisse wiesen darauf hin, dass die jungen Kinder (und die Adoleszenten) eine wesentlich größere emotionale Reaktion auf Wärter mit Todesbezug zeigten als die Versuchspersonen der Latenzzeit. Die Autoren zogen den Schluss, dass die Latenzzeit eine gesegnete Phase ist, das »goldene Zeitalter« der Kindheit. »Die Kinder in diesem Alter scheinen zu sehr mit der Routine des Lebens und den dazugehörigen Vergnügungen beschäftigt zu sein, als dass sie sich mit dem Begriff des Todes befassen.«

      Ich glaube, dass es einen weniger blauäugigen Weg gibt, diese Ergebnisse zu erklären, nämlich dass das Kind im frühen Alter über die »wahren Ursachen des Lebens« stolpert, dass die einsame Suche des Kindes es zur Entdeckung des Todes führt. Aber das Kind ist von der Entdeckung überwältigt und erfährt ursprüngliche Angst. Obwohl das Kind nach Bestätigungen sucht, muss es sich mit dem Tod auseinandersetzen: Es gerät angesichts des Todes vielleicht in Panik, verleugnet ihn, personifiziert ihn, verachtet ihn, verdrängt ihn, verschiebt ihn, aber es muss sich mit ihm auseinandersetzen. Während der Latenzzeit lernt das Kind (oder es wird ihm beigebracht), die Realität zu negieren; und allmählich, während das Kind wirksame und verfeinerte Formen der Verleugnung entwickelt, gleitet die Bewusstheit des Todes in das Unbewusste ab, und die ausdrückliche Furcht vor dem Tod lässt nach. Die sorgenfreien Tage der Präadoleszenz – das »goldene Zeitalter« der Latenzzeit – verringern die Todesangst nicht, sondern gehen aus ihr hervor. Obwohl man in der Latenzzeit viel allgemeines Wissen erwirbt, zieht man sich gleichzeitig vom Wissen über die Tatsachen des Lebens zurück. Und es ist die Bewusstheit des Todes ebenso wie die kindliche Sexualität, die »latent« ist. Während der Adoleszenz sind die Verleugnungssysteme der Kindheit nicht mehr wirksam. Die introspektiven Tendenzen und die größeren Ressourcen der Adoleszenz erlauben ihm oder ihr, sich der Unausweichlichkeit des Todes wieder einmal zu stellen, die Angst zu ertragen und nach einem veränderten Modus des Umgangs mit den Tatsachen des Lebens zu suchen.

      Stadien des Wissens

      Ein Arbeitsmodell für die kindliche Entwicklungsfolge des Todesbegriffs hängt von der offenen Frage ab, wann es zuerst vom Tod »weiß«. Entweder das Kind entwickelt allmählich eine Bewusstheit und ein Verständnis des Todes; oder, wie ich glaube, das Kind wird von einem sprunghaften Prozess erfasst, zuviel zu früh zu wissen, und findet dann einen Weg, jenes Wissen zu verdrängen, zu »verlernen«, bis es allmählich darauf vorbereitet ist, das zu akzeptieren, was es ursprünglich wusste. In dieser Angelegenheit gibt es keine Sicherheit; es gibt keine zwingenden Beweise für die beiden Standpunkte.

      Ich betrachte die Stadien, die dem ersten Wissen eines Kindes vom Tod folgen, als auf Verleugnung gegründet. Das Konzept der Verleugnung schließt die Existenz vorhergehenden Wissens mit ein: Man kann nur das verleugnen, was bekannt ist. Wenn ein Leser sich entscheidet, die Argumente, die ich zur Unterstützung des vorangehenden Wissens angeführt habe, nicht zu akzeptieren, dann muss er dort, wo ich »Verleugnung« geschrieben habe, »Annäherung an Wissen« lesen.

      Verleugnung: Der Tod ist temporär, ein Vergehen, nur Scheintod oder Schlaf. Viele Kinder, die alt genug sind zu sprechen, berichten, dass sie den Tod für reversibel oder temporär oder für ein Nachlassen halten, statt des Endes des Bewusstseins. Diese Ansicht erhält große Unterstützung durch die allgegenwärtigen Zeichentrickfilme im Fernsehen, die Typen zeigen, welche auf eine unendliche Vielzahl von Möglichkeiten zerrissen, platt gedrückt, zermalmt oder verstümmelt werden und dann schließlich und wunderbarerweise wiederhergestellt sind. Nagy berichtet von einigen anschaulichen Interviewauszügen:

      S.C. (vier Jahre, 8 Monate): »Es kann sich nicht bewegen, weil es im Sarg ist.«

      »Wenn es nicht im Sarg wäre, könnte es sich bewegen?«

      »Es kann essen und trinken.«

       S.J. (5 Jahre, 10 Monate): »Seine Augen waren geschlossen, es lag dort so tot. Was immer man auch tut, es sagt kein Wort.«

      »Wird es nach zehn Jahren das gleiche sein wie zu der Zeit, als es begraben wurde?«

      »Es wird dann älter sein, es wird immer älter und älter sein. Wenn es hundert Jahre alt ist, wird es genau wie ein Stück Holz sein.«

      »Wie wird es wie ein Stück Holz sein?«

      »Das könnte ich nicht sagen. Meine kleine Schwester wird jetzt fünf Jahre alt sein. Ich war noch nicht am Leben, als sie starb. Sie wird jetzt so groß sein. Sie hat einen kleinen Sarg, aber sie passt in den kleinen Sarg.«

      »Was glaubst du macht sie jetzt?«

      »Sich hinlegen, immer dort liegen. Sie ist noch so klein, sie kann nicht wie ein Stück Holz sein. Nur sehr alte Leute.«

      »Was passiert dort unter der Erde?«

      B.I. (4 Jahre, 11 Monate): »Er schreit, weil er tot ist.«

      »Aber warum sollte er schreien?«

      »Weil er vor sich selbst Angst hat.«

      T.P. (4 Jahre, 10 Monate): »Ein toter Mensch ist gerade so, als wenn er schlafen würde. Er schläft auch in der Erde.«

      »Schläft genau so wie du in der Nacht oder anders?«

      »Nun – schließt seine Augen. Schläft wie die Leute in der Nacht. Schläft so, gerade so.«

      »Wie weißt du, ob jemand schläft oder tot ist?«

      »Ich weiß es, wenn sie in der Nacht ins Bett gehen und ihre Augen nicht mehr öffnen.

      Wenn jemand ins Bett geht und nicht aufsteht, ist er tot oder krank.«

      »Wird er jemals aufwachen?«

      »Nie. Ein toter Mensch weiß nur, wenn jemand zum Grab hingeht oder so. Er spürt, dass jemand da ist oder spricht.«

      »Er spürt die Blumen, die auf sein

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