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Wirken des Todesinstinkts hervorgeht, ist die erste Ursache der Angst … die Furcht davor, verschlungen zu werden, ist ein unverhüllter Ausdruck der Furcht vor totaler Vernichtung des Selbst … Die Furcht vor dem Tod dringt in die Kastrationsangst ein und ist ihr nicht »analog« … Da die Reproduktion der wesentliche Weg ist, dem Tod entgegenzuwirken, würde der Verlust der Genitalien das Ende der kreativen Kraft bedeuten, die das Leben erhält und weiterführt.32

      Kleins Argument, dass die Besorgnis um die Reproduktion aus der Todesfurcht fließt, ist, glaube ich, schlagkräftig und stellt die traditionellen analytischen Ansichten dessen, was »primär« im geistigen Leben des Individuums ist, infrage. Kurt Eissler, der früh in der psychoanalytischen Bewegung intensiv über den Tod nachdachte, kam zu der Schlussfolgerung, dass die frühe Beschäftigung des Kindes mit Sexualität eine abgeleitete Fragehaltung ist, sekundär zu einer früheren und erschreckenden Bewusstheit des Todes:

      Verfeinerte Forschung auf diesem Gebiet könnte zeigen, dass die Erforschung der generativen Prozesse (das heißt der »Tatsachen des Lebens«) durch das Kind eine Neuauflage einer früheren und kurz andauernden Erforschung des Todes ist. Möglicherweise wendet sich das Kind von solcher Erforschung wegen der sie begleitenden Schrecken ab und wegen der äußersten Hoffnungslosigkeit und darauf folgenden Verzweiflung hinsichtlich irgendeines möglichen Fortschritts bei dieser Erkundung.33

      Andere Autoren, die Kinder genau beobachtet haben, sind zu der Schlussfolgerung gekommen, dass das junge Kind unabhängig davon, ob es intellektuell in der Lage ist, den Tod zu verstehen, doch das Wesen der Sache begreift. Anna Freud, die mit jungen Kindern während des deutschen Luftangriffs auf London arbeitete, schrieb: »Man kann mit Sicherheit sagen, dass alle Kinder, die zur Zeit des Luftangriffs auf London über zwei Jahre alt waren, sich bewusst waren, dass die Häuser einstürzen, wenn sie bombardiert werden, und dass die Menschen in den einstürzenden Häusern oft getötet oder verletzt werden.«34 Sie beschrieb ein viereinhalbjähriges Kind, das den Tod ihres Vaters erkannte: Die Mutter des Kindes wollte den Tod des Vaters ihren Kindern gegenüber verleugnen, aber das Kind bestand darauf: »Ich weiß alles über meinen Vater. Er ist getötet worden und wird niemals zurückkommen.«

      Furman arbeitete mit einer großen Zahl von Kindern, die ein Elternteil verloren hatten, und sie zog den Schluss, dass die Kinder während ihres zweiten Lebensjahres ein grundlegendes Verständnis des Todes erlangen könnten. Das Verständnis des Todes wird durch irgendeine Art früher Erfahrung vergrößert, die dem Kind hilft, die notwendigen geistigen Kategorien zu bilden. Furman zitiert das folgende Beispiel:

      Suzie war kaum drei Jahre alt, als ihre Mutter starb. Bald nachdem ihr diese traurige Nachricht überbracht wurde, fragte Suzie: »Wo ist Mami?« Ihr Vater erinnerte sie an den toten Vogel, den sie vor nicht allzu langer Zeit gefunden und begraben hatten. Er erklärte, dass auch Mami gestorben war und begraben werden musste. Er würde ihr zeigen wo, wann immer Suzie das wünschte. Einen Monat später berichtete Suzie ihrem Vater: »Jimmy (der sechs Jahre alte Sohn des Nachbarn) hat mir erzählt, dass meine Mami bald wiederkommen würde, weil seine Mami es so gesagt hat. Ich sagte ihm, dass das nicht wahr ist, weil meine Mami tot ist, und wenn du tot bist, dann kannst du niemals zurückkommen. Das stimmt, Vati, nicht wahr?«35

      Eine Mutter berichtete das folgende Gespräch mit einem Kind im Alter von drei Jahren und neun Monaten:

      Jane hat keine religiöse Unterweisung erhalten und ist bis jetzt niemals dem Tod in Verbindung mit irgendeinem menschlichen Wesen aus ihrem Bekanntenkreis begegnet. Vor ein paar Tagen begann sie, mir Fragen über den Tod zu stellen. …Das Gespräch begann damit, dass Jane fragte, ob Menschen im Frühling wie die Blumen zurückkehren würden. (Etwa vor einer Woche war sie sehr aufgeregt gewesen, weil ihre Lieblingsblume abgestorben war, und wir hatten sie getröstet, indem wir ihr sagten, dass sie im Frühling zurückkehren würde.) Ich antwortete, dass sie nicht in der gleichen Weise zurückkämen, sondern anders, möglicherweise als Babys. Diese Antwort verwirrte sie offensichtlich – sie hasst Veränderung, und dass die Menschen alt werden –, denn sie sagte: »Ich möchte nicht, dass Nan anders ist, ich möchte nicht, dass sie sich verändert und alt wird.« Dann: »Wird Nan sterben? Werde ich auch sterben? Stirbt jeder?« Als ich ›ja‹ sagte, brach sie in wirklich herzzerbrechendes Weinen aus und sagte immer wieder: »Aber ich will nicht sterben, ich will nicht sterben …« Sie fragte dann, wie die Menschen sterben, ob es weh tun würde, ob sie ihre Augen wieder öffnen würden, wenn sie tot wären, ob sie sprächen, äßen und Kleider trügen. Plötzlich mitten in all diesen Fragen und Tränen sagte sie: »Jetzt will ich weiter meinen Tee trinken«, und die Angelegenheit war für dieses Mal vergessen.36

      Es ist interessant, die beunruhigten, unsicheren Antworten von dieser Mutter zu bemerken, der es kurze Zeit vorher ohne große Schwierigkeiten gelungen war, die Fragen ihrer Tochter nach der Geburt und wo die Babys herkämen zu beantworten. Sie beendete den vorhergehenden Bericht: »Ich war völlig überrascht. Obwohl ich die Fragen über Geburt und so weiter erwartete, hatte ich nicht an jene über den Tod gedacht, und meine eigenen Gedanken waren sehr unklar.« Offensichtlich nimmt ein Kind die Angst und Verwirrung solch eines Elternteils zusammen mit jeder verbalen Beschwichtigung, die der Elternteil anbieten mag, wahr. Andere Berichte über die Gespräche mit Eltern geben uns eine Ahnung von der Furcht und Neugier eines Kindes bezüglich des Todes. Zum Beispiel:

      Kürzlich hat Richard (5 Jahre, 1 Monat) über das Sterben zu jammern angefangen und fühlte sich schlecht. Gestern, als er in seiner Badewanne herumschwamm, spielte er mit der Möglichkeit, niemals zu sterben, tausend Jahre zu leben. Heute sagt er: »Ich könnte allein sein, wenn ich sterbe, wirst du bei mir sein?« »Aber ich will niemals tot sein; ich will nicht sterben.« Einige Tage zuvor hatte ihm seine Mutter, als er sich zu fürchten schien, weil er nicht wusste, wie man stirbt, erzählt, er brauche sich keine Sorgen zu machen, weil sie zuerst sterben würde, und so würde er wissen, wie man das macht. Das schien ihn zu beruhigen.37

      In einem kontroversen Aufsatz stellt Adah Maurer einige faszinierende Spekulationen über die frühe Bewusstheit des Todes bei Kleinkindern an.38 Die erste Aufgabe des Kleinkindes ist es, so argumentiert Maurer, zwischen Selbst und Umgebung zu differenzieren – das Sein als das Gegenteil des Nicht-Seins zu kennen. Während das Baby zwischen Bewusstsein und Unbewusstheit hin und her pendelt, zwischen Schlaf und Wach-Sein, bekommt es einen Sinn für diese beiden Zustände. Welches ist die geistige Erfahrung eines Kleinkindes während eines nächtlichen Schreckens? Maurer schlägt vor, dass das Kleinkind vielleicht Furcht und die Bewusstheit des Nicht-Seins erfährt. Während es in einem dunklen ruhigen Raum liegt und sowohl des Seh- als auch des Hörvermögens beraubt ist, ist das Kleinkind vielleicht durch eine halbwache körperlose Empfindung in Panik versetzt. (Max Stern, der nächtliches Erschrecken untersuchte, kam zu einer ähnlichen Schlussfolgerung: Das Kind ist erschrocken vor dem Nichts.39)

      Warum hat das Kleinkind Spaß an dem Spiel, Spielzeug von einem Kindersitz aus herunterzuwerfen? Das Kind, das einen Partner finden kann, der mitmacht und das Spielzeug zurückgibt, wird im Allgemeinen das Spiel fortführen, bis der Partner ermüdet aufgibt. Vielleicht stammt diese Freude aus einem erotischen Vergnügen an muskulärer Bewegung; vielleicht ist es eine Manifestation dessen, was Robert White den Trieb nach »Effektanz« nennt – das innewohnende Vergnügen, seine Umwelt zu beherrschen.40 Maurer behauptet, dass das Kleinkind von dem Verschwinden und Wiedererscheinen fasziniert ist, welches in den Gedanken und den Verhaltensweisen, die dem Kind zur Verfügung stehen, materielle Symbole des Begriffs von Sein und Nicht-Sein darstellen.41 Tatsächlich kann Whites Effektanztrieb ein Abkömmling des Versuchs des Kindes sein, Nicht-Sein zu besiegen. Diese Spekulationen stimmen mit einer großen Fülle von Literatur über die »Objektbeständigkeit« in der Kindesentwicklung überein, deren gründliche Erörterung mich zu weit weg führen würde. Kurz jedoch heißt das, dass das Kind das Verschwinden eines Objektes nicht schätzt, bis es seine Beständigkeit hergestellt hat. Beständigkeit hat keine Bedeutung ohne die Wertschätzung von Wandel, Zerstörung oder Verschwinden; deshalb entwickelt das Kind das Konzept von Beständigkeit und Wandel zusammen.42 Darüber hinaus gibt es eine enge Beziehung zwischen Objektbeständigkeit und einem Sinn für Selbstbeständigkeit; die gleiche Art von Oszillieren, die Kopplung von Beständigkeit (Belebtheit, Sein) und Verschwinden

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