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vom Leben und den lebenden Dingen und den Drang, sich ihrer jetzt zu erfreuen, bevor es zu spät ist.18

      Viele von ihnen beschrieben eine »Neubewertung von Prioritäten«, und dass sie mehr Mitgefühl und mehr menschliche Orientierung hatten als zuvor.

      Abdul Hussain und Seymour Tozman, Ärzte für die »Todeszellen« in einem Gefängnis, beschreiben drei Menschen in einem klinischen Fallbericht, die zum Tode verurteilt waren und in letzter Minute begnadigt wurden. Alle drei zeigten dem Autor zufolge einen tiefen Wandel ihres Persönlichkeitsstils und einen »bemerkenswerten Wandel ihrer Einstellung«, der während der folgenden Monate anhielt.19

      Krebs: Konfrontation mit dem Tod. Das chinesische Piktogramm für »Krise« ist eine Kombination von zwei Symbolen: »Gefahr« und »Gelegenheit«. Während vieler Jahre war ich bei meiner Arbeit mit unheilbar kranken Krebspatienten erstaunt darüber, wie viele von ihnen ihre Krise und ihre Gefahr als eine Gelegenheit für Wandel nutzten. Sie berichten von erstaunlichen Verschiebungen, inneren Verwandlungen, die nicht anders als als »Persönlichkeitswachstum« charakterisiert werden können:

      • Ein neues Arrangement der Prioritäten im Leben: eine Trivialisierung des Trivialen.

      • Ein Gefühl der Befreiung: die Fähigkeit, darüber zu entscheiden, Dinge nicht zu tun, wenn sie nicht wollten.

      • Ein gesteigertes Gefühl für das Leben in der unmittelbaren Gegenwart, statt das Leben bis zur Pensionierung oder einem anderen Zeitpunkt in der Zukunft zu verschieben.

      • Eine lebhafte Wertschätzung der elementaren Tatsachen des Lebens: Wandel der Jahreszeiten, Wind, fallende Blätter, letztes Weihnachtsfest und so weiter.

      • Tiefergehende Kommunikation mit geliebten Menschen als vor der Krise.

      • Weniger zwischenmenschliche Ängste, weniger Besorgnis, zurückgewiesen zu werden, größere Bereitschaft, Risiken auf sich zu nehmen als vor der Krise.

      Senator Richard Neuberger beschrieb diese Verwandlungen kurz vor seinem Tod durch Krebs:

      Ein Wandel ergriff mich, von dem ich glaube, dass er nicht wieder rückgängig zu machen ist. Fragen des Prestiges, des politischen Erfolges, des finanziellen Status’ wurden auf einmal unbedeutend. In jenen ersten Stunden, als mir bewusst wurde, dass ich Krebs hatte, dachte ich nicht an meinen Sitz im Senat, an mein Bankkonto oder an das Schicksal der freien Welt … meine Frau und ich hatten keinen Streit, seit meine Krankheit diagnostiziert wurde. Ich pflegte sie auszuschimpfen, weil sie die Zahnpasta von oben herausdrückte statt von unten her, weil sie nicht genügend für meinen sehr eigenwilligen Appetit gesorgt hatte, weil sie eine Gästeliste anfertigte, ohne mich zu befragen, weil sie zu viel für Kleider ausgab. Jetzt sind mir diese Dinge entweder nicht bewusst oder sie scheinen mir unbedeutend …

      Stattdessen kam eine neue Wertschätzung von Dingen, die ich einst für selbstverständlich hielt – mit einem Freund zusammen Essen gehen, Muffets Ohren kraulen und ihrem Schnurren zuhören, die Gesellschaft meiner Frau, ein Buch oder eine Zeitschrift in dem ruhigen Lichtkegel meiner Nachttischlampe lesen, den Kühlschrank plündern: ein Glas Orangensaft oder ein Stück Kuchen. Zum ersten Mal glaube ich, dass ich das Leben genieße. Schließlich werde ich mir bewusst, dass ich nicht unsterblich bin. Es schaudert mich, wenn ich an all die Gelegenheiten denke, die ich mir – selbst als ich bei bester Gesundheit war – durch falschen Stolz, künstliche Werte und eingebildete Kränkungen verdarb.20

      Wie verbreitet sind positive persönliche Veränderungen nach einer Konfrontation mit dem Tod? Die Krebspatienten, die ich untersuchte, waren eine von mir selbst ausgewählte Stichprobe von psychologisch interessierten Frauen mit Krebs, die sich entschieden hatten, eine Selbsthilfegruppe für Krebspatientinnen aufzusuchen. Um die allgemeine Verbreitung dieses Phänomens zu untersuchen, entwarfen mein Kollege und ich ein Forschungsprojekt, um Patienten in einem rein medizinischen Kontext zu studieren.21 Wir entwarfen einen Fragebogen, um einige dieser persönlichen Verwandlungen zu messen, und teilten ihn nacheinander an siebzig Patienten aus, die zur Behandlung ihrer Brustkrebsmetastasen Onkologen aufsuchten. Es handelt sich um ambulante Patienten: Nur wenige von ihnen hatten physische Schmerzen oder Behinderungen. Sie alle kannten die Diagnose und wussten auch, dass sie, obwohl sie noch einige Monate oder sogar Jahre leben konnten, schließlich an ihrer Krankheit sterben würden. Ein Teil des Fragebogens bestand aus siebzehn Aussagen über Persönlichkeitswachstum, jede der Patienten wurde gebeten, auf einer Fünferskala (die von »fast nie« bis »immer« reichte) Einschätzungen für zwei Zeitperioden zu geben: »vor« dem Ausbruch des Krebses und »jetzt«.

      1. Ich kommuniziere offen mit meinem Ehemann.

      2. Ich schätze die Schönheit der Natur.

      3. Ich habe ein Gefühl persönlicher Freiheit.

      4. Ich versuche, mit meinen Kindern offen zu reden.

      5. Es ist wichtig, dass mich jeder mag.

      6. Ich habe viel Spaß am Leben.

      7. Ich bin im Gespräch ehrlich und frei.

      8. Ich tue nur die Dinge, die ich wirklich tun will.

      9. Ich lebe mehr in der Gegenwart als in der Vergangenheit oder Zukunft.

      10. Ich habe Augenblicke tiefer Gelassenheit.

      11. Ich trete für meine persönlichen Rechte ein.

      12. Ich habe ein Empfinden für psychisches Wohlbefinden.

      13. Ich teile mich meinen Freunden offen mit.

      14. Ich habe das Gefühl, dass ich anderen etwas Wertvolles über das Leben beibringen kann.

      15. Ich bin in der Lage, das zu wählen, was ich tun will.

      16. Mein Leben hat Sinn und Zweck.

      17. Religiöser/spiritueller Glaube hat große Bedeutung für mich.

      Als wir die Ergebnisse überprüften, erfuhren wir, dass die Mehrheit der Patienten keinen Wandel zwischen »vorher« und »jetzt« eingeschätzt hatten. Bei denjenigen Patienten jedoch, die über Unterschiede zwischen »vorher« und »jetzt« berichteten, gingen die Unterschiede fast einheitlich in Richtung größeren Wachstums seit des Ausbruchs des Krebses. Mehr Patienten berichteten über positive statt negative Veränderungen bei vierzehn von siebzehn Items.

      Die einzigen zwei Items, die das Gegenteil anzeigten, waren Item 3 (»Ich habe ein Gefühl persönlicher Freiheit«), was wahrscheinlich, wie ich glaube, von den größeren physischen Beschränkungen beeinflusst war, unter denen die Krebspatienten litten, und Item 13 (»Ich teile mich meinen Freunden offen mit«). Die Erklärung für die gegenteilige Einschätzung bei letzterem mag in der Tatsache liegen, dass viele der Freunde der Patienten extremes Unbehagen zeigten; die Patienten fanden heraus, dass während einige enge Beziehungen gestärkt wurden, viele andere belastet waren.

      In einigen der Items wurden signifikante Unterschiede deutlich: Beispielsweise berichteten achtzehn Patienten bei Item 14 (»Ich habe das Gefühl, dass ich anderen etwas Wertvolles über das Leben beibringen kann«) eine positive Veränderung, drei eine negative; bei Item 11 (»Ich trete für meine persönlichen Rechte ein«) – zwölf positive, drei negative Veränderungen; bei Item 2 (»Ich schätze die Schönheit der Natur«) – elf positive, zwei negative Veränderungen. Wer würde vermuten, dass unheilbarer Krebs die »Augenblicke tiefer Gelassenheit« (Item 10) eines Menschen vermehren würde? Und doch berichteten achtzehn Patienten von solch einem Zuwachs (im Gegensatz zu acht, die von einer negativen Veränderung berichteten). Ein anderer Teil des Fragebogens untersuchte die Veränderungen in der Intensität verbreiteter Ängste. Neunundzwanzig Ängste wurden aus einer Standardliste von Ängsten ausgewählt, und die Patienten wurden gebeten, deren Ausmaß einzuschätzen (»vor« dem Krebs und »jetzt«).

      1. Tote Menschen

      2. Wütende Menschen

      3. Trennung von Freunden

      4. Geschlossene Räume

      5.

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