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Batterie psychologischer Instrumente benutzt, um zu überprüfen, wie sehr sich ein Teilnehmer einer Encountergruppe verändert hatte. Die Maßstäbe für das Ergebnis wurden aus vier verschiedenen Perspektiven gewonnen: (1) vom Teilnehmer selbst, (2) vom Gruppenleiter, (3) von den Co-Mitgliedern des Teilnehmers, (4) aus dem sozialen Netz des Teilnehmers. Die Korrelation zwischen diesen vier Perspektiven des Wandels war null! Mit anderen Worten, es gab keinerlei Übereinstimmung zwischen den verschiedenen Informationsquellen darüber, wer sich verändert hatte, und wie viel er sich verändert hatte.

       Nun gibt es natürlich statistische Möglichkeiten, um diesen Befund zu »handhaben«, aber es bleibt die Tatsache, dass Ergebnis-Evaluation hochgradig relativ ist und sehr stark von den Informationsquellen abhängt. Das ist auch kein Problem, das sich auf dieses Projekt beschränkt: Es ist eine Plage für jede psychotherapeutische Ergebnisstudie. Je mehr Methoden zur Messung des Ergebnisses benutzt werden, desto weniger ist sich der Forscher seiner Ergebnisse sicher!

      Wie gehen Forscher mit diesem Problem um? Eine Methode ist, die Reliabilität zu erhöhen, indem man weniger Fragen stellt und sich auf eine einzige Datenquelle verlässt. Eine andere übliche Methode besteht darin, dass man die »weichen« oder subjektiven Kriterien meidet und nur objektive Kriterien wie zum Beispiel das Maß an Alkoholverbrauch misst, die Zahl der Unterbrechungen des anderen durch den Partner in einer bestimmten Zeiteinheit, die Zahl der Bisse bei Nahrung, die man zu sich nimmt, galvanische Hautreaktionen oder das Anschwellen des Penis beim Betrachten von Lichtbildern mit nackten Jugendlichen. Aber wehe dem Forscher, der versucht, die bedeutenden Faktoren zu messen wie die Fähigkeit zu lieben oder die Sorge für jemand anderen, die Lust am Leben, Zweckhaftigkeit, Großzügigkeit, Überschwang, Autonomie, Spontaneität, Humor, Mut oder Engagement im Leben. Immer wieder trifft man auf dieselbe Grundtatsache des Lebens bei psychotherapeutischer Forschung: Die Genauigkeit des Ergebnisses ist direkt proportional zur Trivialität der Variablen, die man erforscht hat. Eine seltsame Art von Wissenschaft! Welche Alternative gibt es? Die angemessene Methode, die innere Welt eines anderen Individuums zu verstehen, ist die »phänomenologische«, die direkt zu den Phänomenen geht, um dem anderen ohne »standardisierte« Instrumente und Vorannahmen zu begegnen. Man muss so weit wie möglich die eigene Weltsicht »ausklammern« und in die Erfahrungswelt der anderen eintreten. Solch ein Zugang zum Wissen über eine andere Person ist außerordentlich günstig in der Psychotherapie: Jeder gute Therapeut versucht, sich mit dem Patienten in dieser Art und Weise in Beziehung zu setzen. Das ist es, was mit Empathie, Präsenz, genuinem Zuhören, nicht-bewertender Akzeptanz oder einer Haltung »disziplinierter Naivität« – um Mays glücklichen Ausdruck zu verwenden29 – gemeint ist. Existenzielle Therapeuten haben immer darauf gedrängt, dass der Therapeut versucht, die private Welt des Patienten zu verstehen, anstatt sich darauf zu konzentrieren, wie der Patient von den »Normen« abweicht. Aber dieser phänomenologische Ansatz, der per Definition nicht empirisch ist, bringt erschütternde und bis jetzt noch ungelöste Probleme für den Forscher mit sich, der darum kämpft, hohe wissenschaftliche Standards in seinem oder ihrem Werk zu erreichen.

       Trotz dieser Vorbehalte habe ich mich durch meine professionelle Ausbildung veranlasst gesehen, die vorhandene Forschung für jede der vier grundlegenden existenziellen Fragen – Tod, Freiheit, Isolation und Sinnlosigkeit – zu betrachten. Und natürlich kann sorgfältige Forschung Licht auf verschiedene wichtige Problembereiche werfen. Zum Beispiel kann Forschung uns darüber Auskunft geben, wie häufig Patienten ausdrücklich mit existenziellen Fragen beschäftigt sind oder wie häufig Therapeuten diese Fragen wahrnehmen.

      Für die vielen existenziellen Themen, die niemals ausdrücklich von Forschern untersucht wurden, habe ich Forschungen aus angrenzenden Gebieten überprüft, die möglicherweise dazu etwas beitragen können. Beispielsweise wird im sechsten Kapitel die Forschung über die »Kontrollüberzeugung« diskutiert, weil sie für die Bereiche der Verantwortung und des Willens bedeutsam ist.

      Andere Themen erlauben aus den erwähnten Gründen keine empirische Forschung. Die Forscher haben demgemäß einige Teilprobleme ausgewählt, die für Forschung leichter zugänglich sind. Beispielsweise gibt es, wie wir sehen werden, viele »Todesangst«-Skalen, die das Phänomen der Furcht untersuchen, aber in solch einer oberflächlichen und normierten Art und Weise, dass sie wenig zur Erkenntnis beitragen. Ich erinnere mich dabei an die Geschichte des Mannes, der in der Nacht nach einem verlorenen Schlüssel sucht, und zwar nicht auf dem Weg, wo er ihn fallen ließ, sondern unter einer Laterne, wo das Licht besser ist. Ich zitiere diese Forschung über Teilprobleme mit den entsprechenden Vorbehalten.

      Es gibt auch noch andere Bereiche, wo das Wissen intuitiv bleiben muss. Bestimmte Wahrheiten über Existenz sind so klar und sicher, dass eine Erhärtung durch logische Argumentation oder empirische Erforschung höchst überflüssig erscheint. Karl Lashley, der Neuropsychologe, soll das einmal so kommentiert haben: »Wenn du einem Airedaleterrier beibringen willst, Geige zu spielen, dann brauchst du kein Streichquartett, um das zu beweisen.«

      Ich habe versucht, dieses Buch in einem Stil zu verfassen, der klar genug ist und möglichst frei von Jargon, so dass es auch für den Laien verständlich ist. Die vorrangige Leserschaft, die ich ansprechen möchte, sind jedoch Studenten und praktizierende Psychotherapeuten. Es ist mir wichtig, darauf hinzuweisen, dass ich, auch wenn ich keine formale philosophische Vorbildung bei meinen Lesern voraussetze, doch von einigem klinischen Hintergrundwissen ausgehe. Ich halte dies nicht für einen »ersten« oder vollständigen Psychotherapie-Text, sondern erwarte, dass der Leser mit den herkömmlichen klinischen Erklärungssystemen vertraut ist. Wenn ich daher klinische Phänomene aus einem existenziellen Bezugsrahmen heraus beschreibe, biete ich nicht immer alternative Modi der Erklärung für sie an. Meine Aufgabe, wie ich sie sehe, ist es, einen zusammenhängenden psychotherapeutischen Ansatz auf der Basis existenzieller Fragestellungen zu beschreiben, welche den Vorgehensweisen, die die Mehrzahl der Therapeuten implizit verwendet, einen ausdrücklichen Stellenwert geben.

      Ich behaupte nicht, die Theorie der Psychopathologie und Psychotherapie zu beschreiben. Stattdessen stelle ich ein Paradigma, ein psychologisches Konstrukt vor, das dem Kliniker ein Erklärungssystem anbietet, ein System, das es ihm oder ihr erlaubt, einer großen Vielfalt klinischer Daten Sinn zu geben, und eine systematischere Strategie der Psychotherapie zu formulieren. Es ist ein Paradigma, das beachtliche Erklärungskraft hat; es ist sparsam (das heißt, es beruht auf relativ wenigen, grundlegenden Annahmen), und es ist leicht zugänglich (das heißt, die Annahmen basieren auf Erfahrungen, die intuitiv von jedem Individuum durch Introspektion wahrgenommen werden können).

      Darüber hinaus ist es ein humanistisch begründetes Paradigma, das mit der tief menschlichen Natur der therapeutischen Aufgabe übereinstimmt. Aber es ist ein Paradigma, nicht das Paradigma – nützlich für einige Patienten, nicht für alle Patienten; verwendbar für einige Therapeuten, nicht für alle Therapeuten. Die existenzielle Orientierung ist ein klinischer Ansatz unter vielen anderen Ansätzen. Er ordnet klinische Daten zu neuen Mustern wie andere Paradigmen auch, erhebt keinen Ausschließlichkeitsanspruch und ist nicht in der Lage, jedes Verhalten zu erklären. Das Wesen des Menschen ist zu komplex und voller Möglichkeiten, um so etwas zuzulassen.

      Die Existenz ist unabdingbar frei und daher unsicher. Die kulturellen Institutionen und psychologische Konstrukte verdunkeln diese Tatsache häufig, aber die Konfrontation mit unserer eigenen existenziellen Situation erinnert uns daran, dass Paradigmen von uns selbst geschaffene, hauchdünne Barrieren gegen den Schmerz der Unsicherheit sind. Der reife Therapeut muss beim existenziellen theoretischen Ansatz, ebenso wie bei jedem anderen, diese grundlegende Unsicherheit zu tolerieren in der Lage sein.

       I. Teil: TOD

      In den nächsten vier Kapiteln werde ich die Rolle, die der Begriff des Todes in der Psychopathologie und Psychotherapie spielt, erforschen. Die grundlegenden Postulate, die ich beschreibe, sind einfach:

      1. Die Todesfurcht spielt eine wesentliche Rolle in unserer inneren Erfahrung; sie verfolgt uns wie nichts anderes; sie rumort ständig unter der Oberfläche; sie ist eine dunkle, unstete Präsenz am Rande des Bewusstseins.

      2. Das Kind ist im frühen Alter ausgiebig mit dem Tod beschäftigt und seine hauptsächliche Entwicklungsaufgabe ist

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