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die einen hohen Verbreitungsgrad haben, die Gefahr zu lauern, dass Menschen mit großer Selbstverständlichkeit davon ausgehen, dass sie das Gleiche meinen, hören und empfinden wie andere bzw. dass andere das Gleiche meinen, hören und empfinden wie sie selbst.

      Es gibt auch Symbole, die von vorneherein und ganz deutlich nur für eine bestimmte Person Bedeutung haben können und sollen. So der Talisman der Freundin, den man in der Tasche trägt, oder das Schmuckstück, das man vom Geliebten erhalten hat. Im Kapitel „Die musikalische Biografie“ (s. Kap. 2) sind mehrere Beispiele aufgeführt, welche Bedeutungen Musikstücke oder Lieder für Menschen haben können. Auch in der Arbeit mit traumatisierten Menschen erfahren wir oft, dass bestimmte Klänge oder Geräusche Symbole für Bedrohung, Todesangst, Ohnmacht o. Ä. sind und Auslöser von Flashbacks, erlebten Wiederholungen traumatischer Erfahrungen, sein können. Werden musikalische Symbole eines Klienten oder einer Klientin im therapeutischen Prozess hörbar, heißt es, sie ernst zu nehmen und näher zu erkunden. Häufig weist die Existenz eines musikalischen Symbols auf einen bedeutenden Lebensabschnitt oder auf Szenen im Leben der Klientin oder des Klienten hin, die nachhaltig wirken und Leiden hervorrufen oder verstärken. Hier ist es notwendig, den Kontext zu erkunden, das Feld, in dem das Symbol entstanden ist, wieder lebendig werden zu lassen und aus diesem Erleben heraus Veränderungen des Erlebens und Handelns zu suchen.

      In der musikalischen Improvisation hören TherapeutInnen und manchmal auch KlientInnen, dass sich bestimmte Themen oder andere Klangfolgen wiederholen. Ein solches Thema kann auf vieles verweisen, es kann auch ein musikalisches Symbol sein. Ein Klient spielte in seinen Improvisationen, die er gerne am Klavier vornahm, häufig die Tonfolge c d e g g. Ihm selbst fiel es nicht auf. Als der Therapeut ihm dieses Motiv spiegelte, meinte er: „Ja, das kenne ich, das ist mir vertraut.“ Der Therapeut bat ihn, nur dieses Motiv zu spielen, es mehrmals zu wiederholen, vielleicht verschiedene Rhythmen, Phrasen, Oktavensprünge und Tempi auszuprobieren. Er spielte, er probierte und blieb schließlich dabei, mit der rechten Hand diese Tonfolge zu wiederholen, wieder und immer wieder, wie in Trance. Dabei veränderte sich sein Gesichtsausdruck, er wurde blasser, die Augen schauten ins Leere. Der Therapeut vermutete, dass im Klienten eine andere Zeit seines Lebens lebendig geworden war und fragte: „Wie alt sind Sie jetzt?“ Der Klient sagte: „Sieben Jahre, acht Jahre, elf Jahre, vielleicht auch jünger, fünf Jahre, drei Jahre …“, und er spielte sein Tonfolge weiter.

      Plötzlich unterbrach er, klappte den Klavierdeckel zu und trommelte mit seinen Fingern den gleichen Rhythmus, in dem er eben seine Tonfolge gespielt hatte. Zeigefinger c, Mittelfinger d, Ringfinger e – dann mit dem Zeigefinger zwei mal g. Und wieder und wieder und wieder.

      Er schaute auf und sagte: „Jetzt weiß ich es. So habe ich immer mit den Fingern getrommelt, wenn ich mich als Kind beruhigen wollte. Ich war sehr unruhig und habe mich aufgeregt und bekam dafür ständig eins auf den Kopf. Allen Menschen fiel ich auf den Wecker, also riss ich mich zusammen. Die Unruhe blieb in den Fingern, blieb in der rechten Hand.“ Die Tonfolge war Symbol für diese Zeit, war Ausdruck seiner Unruhe, symbolisierte seine Bemühungen, diese Unruhe bzw. die Folgen dieser Unruhe zu bewältigen.

      Wir beschäftigen uns nicht nur mit Symbolen, die in der Musiktherapie auftauchen, sondern unterstützen KlientInnen darin, ihre eigenen Symbole zu schaffen. Symbole sind nicht natürlich vorgegeben, sind nicht genetisch angelegt, sondern von Menschen geschaffen worden, um Bedeutsamkeiten ihres Lebens zu ordnen. Also können Menschen ihre eigenen Symbole schaffen. Sie tun dies im Alltag, warum nicht auch in der Therapie.

      Einige Beispiele:

       Eine Klientin schuf einen „Angstverscheucher“. Sie spannte die Lippen so an, dass der Mund nur noch leicht geöffnet war und stieß zwischen den Lippen einen Ton hervor, der zwischen einem Fauchen und einem Pfeifen lag. Sie entdeckte diesen Ton, als sie danach suchte, was ihr gegen ihre Angst helfen könne, nicht nur in der Therapie, sondern auch im Alltag. Später erzählte sie: „Den Angstverscheucher benutze ich überall. Ich kann ihn sehr laut für mich machen und ich kann ihn im Supermarkt, wenn mir jemand begegnet, vor dem ich Angst habe, so leise von mir geben, dass ihn außer mir niemand hört.“

       Eine andere Klientin „vergaß“ immer wieder ihre Sehnsucht. Die Therapeutin bat sie, ein Lied oder ein Musikstück herauszusuchen, das sie an ihre Sehnsucht erinnern könne, und dies zur nächsten Therapiestunde mitzubringen. Zur nächsten Sitzung erschien sie mit einem Lied („Fallin“ von Alicia Keys), das zum Symbol ihrer Sehnsucht wurde. Sie hatte es auf Kassette im Auto immer dabei, in der Wohnung lag es neben ihrem CD-Player.

       Ein Klient hatte auf dem Klavier in einem langen musiktherapeutischen Prozess seinen eigensinnigen Ton herausgefunden, der zwischen dem hohen Ton, Symbol für seine Mutter, und dem tiefen Ton, Symbol für seinen Vater, lag. Um sich diesen eigenen Ton symbolisch zu sichern, um nicht wieder im Alltag innerlich zwischen den Tönen seiner Eltern unterzugehen, wählte er sorgfältig einen Stein aus unserem Angebot aus, um ihn mitzunehmen und bei sich zu tragen. Er schwor „Stein auf Bein“, dass diesem Stein sein Ton innewohnte.

       Schutzengel haben unserer Erfahrung nach eine hohe symbolische und therapeutische Kraft. KlientInnen nutzen ein schier unerschöpfliches Potenzial, um sie zum Klingen zu bringen. Nicht nur Kalimba, Rainmaker, Trillerpfeifen, Tanzrasseln und Fußschellen, Saiteninstrumente, Barchimas und Glockenspiele werden gewählt. Über alle Arten von Instrumenten und über die eigene Stimme hinaus regt dieses Sinnbild viele dazu an, Materialien mit bestimmten Klangqualitäten auszusuchen oder sich Klangkörper selbst zu basteln: knisterndes Papier unterschiedlicher Art und Stärke, Stoffe, die aneinander gerieben oder an der Wand entlang gezogen werden, Wasser, das in Schwingungen gebracht wird. Körperklänge sind sehr beliebt, weil man sie jederzeit „bei sich hat“, so wie man den Schutzengel jederzeit bei sich haben möchte, z. B. den Körperklang, der zu hören ist, wenn man mit den Füßen über den Boden gleitet oder aufstampft, wenn man sich mit der Hand fest über den Nacken streift oder die Hand vor den Mund hält und kräftig dagegen atmet.

       Sehr gerne nutzen wir das Sinnbild der Zauberflöte (s. a. Kap. 21.2.8). Sie wurde Mozarts Opernhelden geschenkt, um ihn zu begleiten und zu unterstützen. Wenn wir KlientInnen fragen, was ihre Zauberflöte sein könne, greifen sie nur selten zur Flöte, meistens zu anderen Instrumenten, oft nutzen sie auch die Stimme. Immer regen wir an, einen eigenen Klang, eine eigene Melodie zu finden, die sie persönlich und individuell unterstützen und bei den Herausforderungen, die vor ihnen stehen, begleiten kann.

      Eine besondere Form aktiven Symbolisierens in der Musiktherapie sind Heilgesänge. Gesänge, die auf eine heilende Wirkung abzielen, gibt es vermutlich schon so lange, wie Menschen singen. Es gibt eine jahrhunderte-, vielleicht jahrtausendelange reichhaltige Tradition indianischer, schamanischer und sakraler Heilgesänge, deren Überreste sich in den Liturgien des Christentums und anderer Religionen wiederfinden.

      Der Kern des Heilgesangs besteht in dem Bemühen, manchmal auch Versprechen, über das Singen bestimmter Melodien und Texte konkrete heilende Wirkungen hervorzurufen. Die Form des Singens ist unterschiedlich. Sehr verbreitet sind gemeinsame Gesänge, daneben gibt es Sologesänge von Heilern, weniger verbreitet auch von Kranken. Es gibt ferner die Tradition des Besingens, in der gerichtet auf eine Person, die der Heilung bedarf, gesungen wird. Häufig wird die heilende Wirkung des Gesanges über die Anrufung höherer Mächte angestrebt.

      Heilgesänge als Methode des aktiven Symbolisierens, so wie wir sie im Folgenden vorstellen wollen, sind nicht religiös. Religiöse Auffassungen der TherapeutInnen, die gebunden sind an eine bestimmte Glaubensgemeinschaft, dürfen unserer Meinung nach nicht Gegenstand und Inhalt musiktherapeutischen Handelns sein. Selbstverständlich aber können und sollen, manchmal sogar müssen religiöse und spirituelle Themen Gegenstand und Inhalt der therapeutischen Prozesse sein, wenn KlientInnen sie einbringen, sei es als Faktor des Leidens oder als Ressource, die Heilung unterstützen kann. Insofern sind die Heilgesänge, von denen wir hier sprechen, nicht religiös, können aber individuell religiös bzw. spirituell gefüllt werden. Heilgesänge in unserem Sinne haben auch nichts gemein mit einer therapeutischen Hausapotheke:

      Man

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