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zu Beziehungsaspekten usw. Dann, wenn es konkretisiert ist, kann es auch in Zusammenhänge gestellt und verändernd angegangen werden.

       Der vierte Weg besteht im Aufgreifen von musikbezogenen Gesprächsfetzen. Unsere Sprache ist teilweise auditiv ausgerichtet. KlientInnen erwähnen: „Ich glaube, ich höre nicht richtig“, oder erzählen, dass die Stimme der Mutter „bedrohlich“ klang. Hier „haken“ wir gerne ein und sagen: „Dann lassen Sie doch bitte einmal diesen Klang hörbar werden, wie klang die Stimme der Mutter?“ Wenn ein Klient erzählt, er fühle sich „durchgeschüttelt“, können wir ihn bitten, dieses Schütteln mit einem Schüttelinstrument erklingen zu lassen.

      Der Boden für alle Wege, für alle Übergänge vom Gespräch ins musiktherapeutische Arbeiten, ist und bleibt, glauben wir, Interesse und Präsenz und der Leitspruch: Die Klientin/den Klienten ernst nehmen und sich selbst ernst nehmen, Mut zu unkonventionellen Wegen, zum Suchen und Ausprobieren, Vertrauen in die Resonanz und in die KlientInnenkompetenz – und Übung, Übung, Übung.

      Die Anzahl der Möglichkeiten, von der Erfahrung eines Musizierens ausgehend ein Gespräch zu führen, sind so unendlich wie die Menschen und die Vielfalt ihrer klanglichen Ausdrucksmöglichkeiten. Auf manches, was uns innerhalb dieser Vielfalt wesentlich ist, haben wir in anderen Zusammenhängen hingewiesen. Es zieht sich als therapeutische Haltung und damit verbundener Gesprächsmethodik durch all unsere Beschreibungen. An dieser Stelle wollen wir uns vor allem dem Fragen widmen. Selbstverständlich muss keine Frage am Anfang stehen. Der erste Satz des Therapeuten oder der Therapeutin kann ebenso aus einem Sharing bestehen („Ich habe Sehnsucht gespürt, als ich Ihnen zugehört habe.“) oder einem Feedback („Es gab sehr laute und sehr leise Phasen in Ihrem musikalischen Spiel.“) (s. Kap. 24.3). Dennoch: Fragen eignen sich für den Übergang vom Musizieren ins Gespräch eigentlich immer. Welche Frage stelle ich als erste? In dieser Unsicherheit können gerade MusiktherapeutInnen mit wenig Erfahrung offensichtlich Unterstützung brauchen. Deswegen wollen wir hier einige unserer Erfahrungen vorstellen und kommentieren:

       „Was ist jetzt?“ Diese Frage zielt auf den Nachklang, auf die Wirkung des Musizierens ab. Wir stellen sie gern, wenn wir einen solchen Nachklang hören und zum Beispiel am Gesichtsausdruck der KlientInnen beobachten und den Eindruck haben, dass das Musizieren eine Überraschung oder eine Veränderung im Erleben des Klienten oder der Klientin hervorgerufen hat. Wir verwenden diese Frage ebenfalls gern bei KlientInnen, die dazu neigen, ein Erleben schnell wegzuanalysieren, also über das, was war, zu reden und darüber Distanz zu gewinnen. Manchmal brauchen das die KlientInnen, um ihre Erregung zu verkraften und zu ordnen. Dann respektieren wir dies selbstverständlich. Oft leiden KlientInnen aber darunter, dass sie zu schnell etwas „wegreden“. Dann helfen wir mit dieser Frage, die Aufmerksamkeit auf den Nachklang und das unmittelbare Erleben nach dem Musizieren hier und jetzt zu richten.Abgesehen von all diesen Indikationen ist diese Frage, wenn sie ernst gemeint ist und man ihr und den damit verbundenen Leibregungen auf der Spur bleibt, universell: Sie kann im therapeutischen Prozess nicht falsch sein, hilft über Stockungen und Sackgassen – auch die der TherapeutInnen – professionell hinweg und lässt den Prozess weitergehen.

       „Was haben Sie erlebt?“ Diese klassische Frage fordert auf, so gut es geht, das, was im Musizieren als Erlebens- und auch Veränderungsprozess erfahren wurde, in Worte zu fassen. Häufig wünschen und brauchen KlientInnen solche Verbalisierung. Sie sehnen sich danach, das auszusprechen und zu verstehen, was in ihnen geschieht und zwischen ihnen und den TherapeutInnen. Ein solches Gespräch dient der Verdauung und der Integration.

       „Was haben Sie gehört?“ Diese Frage schieben wir manchmal vor die Frage „Was haben Sie erlebt?“. Sie ermöglicht, die Aufmerksamkeit zuerst einmal auf Klangbild, Melodie, Rhythmen, musikalische Themen, Veränderungen usw. zu richten. Diese Frage kann helfen, von außen nach innen zu gehen, vom Gehörten zum Erlebten, und somit einen kleinschrittigen Weg der Verarbeitung einleiten. Manche KlientInnen vermitteln allerdings mit ihrer Antwort, dass sie die Frage: „Was haben Sie gehört?“, unmittelbar synonym setzen mit der Frage: „Was haben Sie erlebt?“ Und das ist dann ja auch gut so.

       „Was haben Sie gemacht?“ Diese Frage richtet sich auf die Wahrnehmung des eigenen Tuns.

       „Was haben Sie gedacht?“ Diese Frage ist wichtig für Menschen, deren Gedanken kreisen und die glauben, darauf keinen Einfluss mehr zu haben.

       „Was für eine Atmosphäre haben wir eben in den Raum gezaubert?“Dass Klänge häufig Atmosphären hervorrufen, haben wir schon betont.– „Was hätte ein kleines Mäuschen dort in der Ecke eben bei unserem Spiel erlebt, gehört, gedacht usw.?“ Oft brauchen KlientInnen helfende Beobachter. TherapeutIn und KlientIn können sich auch gemeinsam vorstellen, ein Spaziergänger wäre am Raum vorbeigegangen, hätte erstaunt innegehalten und gedacht: „Das klingt ja wie …“

       „Woran erinnert Sie das?“ Manchmal wird in den ersten Sätzen eines Klienten oder einer Klientin nach einer musikalischen Improvisation oder einem anderen musikalischen Agieren deutlich, dass ein Lebensthema oder Zusammenhang zu alten Mustern angeklungen ist. Dieser Frage sollte eine der oben genannten Fragen vorhergehen, damit zuerst einmal dem unmittelbaren konkreten Erleben Raum gegeben werden kann. Wenn das Besondere der klanglichen Strukturen, wenn das Besondere des klanglichen Erlebens im Musizieren deutlich geworden ist, kann man fragen, in welchen Zusammenhängen des Lebens solche Strukturen, solche Erlebnisqualitäten noch bekannt sind, und damit in Richtung Mustererkennung und Musterveränderung weiterarbeiten.Oft reicht die Frage einfach so, wie sie oben gestellt ist, und oft müssen TherapeutInnen die KlientInnen dabei unterstützen, Einfälle zuzulassen und ihnen zu vertrauen. Die inneren spontanen Antworten werden manchmal zunächst als zusammenhanglos, absurd oder vollkommen unverständlich erlebt und „weggesteckt“. Hilfreich sind neben ein wenig Hartnäckigkeit wahlweise folgende Anregungen: „An welche Situation oder Situationen erinnert Sie das? An welches Alter? An welche Lebensphase? An welche Atmosphäre oder Atmosphären? An welche Farben? An welche anderen Geräusche, Klänge, Stimmen? An welche Menschen?“

       Nach einem musikalischen Dialog reicht es oft nicht, die Klientin oder den Klienten nur nach dem persönlichen Erleben zu fragen. Es ist meist notwendig, sich speziell danach zu erkundigen, wie die Klientin/der Klient die musikalische Interaktion erlebt hat, z. B.: „Wie war der Kontakt mit mir?“, „Wie ist jetzt der Kontakt mit mir?“, „Was hat sich zwischen uns verändert?“, „Was hat gut getan, was hat beruhigt oder beunruhigt, was hat gestört?“, „Was haben Sie, was haben wir beide Ihrem Eindruck nach vermieden?“ KlientInnen haben häufig eine Scheu, ihr Erleben in Bezug zum Therapeuten oder zur Therapeutin zu setzen. Deswegen bedarf es in dieser Hinsicht der besonderen Ermunterung.Es ist sicher auch günstig, dass die TherapeutInnen an irgendeiner Stelle des Gesprächs nach einem musikalischen Dialog von sich aus diese Fragen beantworten, ein Feedback und ein Sharing geben und erzählen, wie sie die Beziehung erlebt haben.

       „Was brauchen Sie jetzt?“ Diese Frage liegt uns sehr am Herzen. Manchmal kann diese Frage, die häufig im späteren Gesprächsverlauf ihren Platz hat, sogar unmittelbar am Anfang nach einem Musizieren gestellt werden, wenn die KlientInnen sichtbar und hörbar aufgerührt und aufgewühlt sind und spürbar ist, dass sie irgendeine Art von Unterstützung oder Veränderung brauchen. Falls im Musizieren eine Unterbrechung eintritt, die entweder nach Aussage der KlientInnen („Ich weiß nicht weiter.“) oder atmosphärisch bzw. in der Resonanz der TherapeutInnen nach einer Fortsetzung verlangt, könnte diese Frage heißen: „Welchen Impuls haben Sie jetzt?“ Die meisten KlientInnen wissen zu ihrer eigenen Überraschung genau Bescheid: „mich neben Sie zu setzen“, „mich hinzulegen“, „Ich möchte mich an das Fenster stellen“, „Ich möchte das Instrument wechseln.“

       Unser beliebtester erster Satz nach einem Musizieren besteht darin, gar keinen Satz zu sprechen, also mit einer Pause zu beginnen, eine Pause zuzulassen. Oft fühlen sich gerade angehende, engagiert und ernsthaft arbeitende MusiktherapeutInnen unter Druck, nach dem Musizieren eine

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