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Wahrheit. Wie immer in der Atemarbeit führt die Achtsamkeit für den Atem und dessen Klänge zu dem Wesentlichen, zu dem, was vielleicht verborgen war, zu dem, was zu kurz gekommen ist, zu dem, was als wahrhaftes Erleben hörbar und sichtbar werden möchte. Dabei können die KlientInnen unterschiedliche Qualitäten ihres Atems wahrnehmen und diese über sein Stimmhaft-Werden hören. Mit diesem Aspekt kann in der Einzel- und Gruppenarbeit auch gesondert gearbeitet werden, teilweise spielerisch. Ein Beispiel aus der Gruppenarbeit:

      „Ich bitte euch ein Experiment zu wagen, mit eurem Atem und eurer Stimme. Wenn Menschen atmen und ihrem Atem lauschen und ihren Atem hörbar werden lassen, ertönen immer unterschiedliche Qualitäten des Erlebens. Ich werde euch nun solche Qualitäten als Themen vorgeben und bitte euch auszuwählen, welches Thema euch hier und jetzt interessiert.“

      Der Gruppenleiter oder die Gruppenleiterin hängt Zettel in unterschiedliche Ecken des Raumes mit Themen, von denen sie oder er vermutet, dass sie in der Gruppe gerade von Interesse sind. Zum Beispiel: „Der Atem der Leidenschaftlichkeit“, „Der Atem der Zärtlichkeit“, „Der Atem des gerechten Kampfes“, „Der Atem der Lust und Fülle“, „Der Atem der Gelassenheit“, „Der Atem des Eigensinns“ oder „Der Atem der Unverschämtheit“. Die GruppenteilnehmerInnen treffen sich in der Nähe des Zettels mit dem Thema, das sie gerade besonders neugierig macht, und bilden somit Kleingruppen.

      „Ihr habt nun in der kleinen Gruppe jeweils eine halbe Stunde Zeit, euch mit diesem Thema zu beschäftigen. Beginnt damit, dass ihr, jede und jeder für sich, euren Atem der jeweiligen Qualität ausprobiert und anschließend dazu den anderen aus der Gruppe etwas mitteilt. Versucht dann als zweiten Schritt, diesen Atem z. B. der Leidenschaft hörbar werden zu lassen, nutzt dazu eure Stimme oder ein Instrument. Sucht dann als dritten Schritt eine Form oder legt den Einstieg in eine Improvisation fest, mit der ihr diese Klänge gemeinsam in irgendeiner Art und Weise den anderen mitteilen könnt.“

      Anschließend werden „Sessions“ von den jeweiligen Gruppen für die anderen dargeboten.

      Der Herzrhythmus und der Atemrhythmus sind zwei Rhythmen, die jedem Menschen körperlich eigen sind. Der Atemrhythmus ist jedem Menschen zugänglich, jede Atem-Achtsamkeit schenkt auch dem Atemrhythmus Aufmerksamkeit. Musikalisch kann der Atemrhythmus in zweierlei Weise betont werden:

      „Achtet auf euren Atem, nehmt das Einatmen wahr und das Ausatmen …

      Lauscht dem Rhythmus eures Atmens …

      Achtet besonders auf den Wendepunkt zwischen dem Ausatmen und dem Wieder-Einatmen, macht dort vielleicht eine kleine Pause – vielleicht habt ihr das Bild, dass euer Atem in ein Tal fließt und von dort aus sich wieder erhebt – ganz gleich, welche Vorstellung ihr habt, ganz gleich, wie ihr diesen Wendepunkt wahrnehmt, schenkt ihm eure Aufmerksamkeit …

      Macht nun jeweils am Wendepunkt zwischen dem Ausatmen und dem Wieder-Einatmen ein Geräusch, einen Klang, indem ihr z. B. mit euren Händen klatscht oder auf euren Körper oder auf den Boden trommelt oder ihn mit einem Instrument erzeugt …

      Lauscht diesem Klang, dem Klang eures Atemrhythmus …“

      Die andere Möglichkeit, diese Einheit anzuleiten, beginnt genauso und fährt dann fort:

      „Lauscht nun den beiden Wendepunkten eures Atmens, dem zwischen dem Einatmen und dem Ausatmen und dem zwischen dem Ausatmen und dem Einatmen … Gebt diesen beiden Wendepunkten einen Ton, indem ihr mit den Händen klatscht oder trommelt oder mit einem Musikinstrument einen Ton erzeugt …

      Lauscht dem Rhythmus eures Atems …“

      Bei dieser Möglichkeit haben meistens die beiden Töne unterschiedliche Klangfarben und Dynamik. An dieser Stelle liegen die Fragen nahe:

      „Wie erlebst du deinen Atemrhythmus? Welche Bilder, welche Assoziationen ruft er bei dir hervor?“

      „Was hat dieser Rhythmus mit dem Rhythmus deines Lebens zu tun? Ist er Teil deines Lebens oder gehört er eher zur Wunschseite?“

      In der Einzeltherapie führt die Arbeit mit dem Atemrhythmus zumeist zu einer Zentrierung, zu einer Achtsamkeit nach Innen. Rhythmen bestimmen unser Leben, werden zum Teil unseres Lebens. Auch der Atemrhythmus, der ja nicht statisch ist und sich je nach Lebensbedingungen verändert, ist Teil der Lebensrhythmen und regt an, über die verschiedenen Rhythmen nachzudenken, Probleme zu erkunden, Wünsche wahrzunehmen und dergleichen mehr.

      Der eigene Atemrhythmus einer Klientin oder eines Klienten kann auch Auftakt für einen musikalischen Dialog zwischen Therapeut/Therapeutin und Klient/Klientin werden. In der beschriebenen Weise lässt die Klientin oder der Klient den eigenen Atemrhythmus ertönen. Der Therapeut bzw. die Therapeutin lässt dies auf sich wirken, spielt Töne dazu, „klingt sich ein“. Die Klientin oder der Klient kann das zum Anlass nehmen, ihre oder seine Töne zu variieren, die wiederum Resonanz bei der Therapeutin oder dem Therapeuten finden, so dass eine gemeinsame Improvisation entsteht.

      In der Gruppe ist es für viele Menschen eine besondere Erfahrung, wenn der eigene Atemrhythmus Grundlage einer gemeinsamen Gruppenimprovisation wird, wenn andere Menschen sich (musikalisch) auf den eigenen Atemrhythmus einstellen, ihn ernst nehmen, ihn zum Ausgangspunkt ihrer eigenen Klänge machen:

      „Eine oder einer von euch lässt den eigenen Atemrhythmus erklingen … Fahre damit fort, während die anderen diesen Atemrhythmus auf sich wirken lassen und darauf achten, welche Resonanzen er in ihnen hervorruft.

      Lasst nun aus diesen Resonanzen und aus den Wirkungen des Atemrhythmus, den ihr hört, Impulse entstehen, musikalische Impulse, und lasst diese erklingen …

      Nun lasst daraus eine gemeinsame Improvisation entstehen, diejenige oder derjenige von euch, die mit ihrem oder seinem Atemrhythmus den Anfang gemacht hat, kann seinen oder ihren Rhythmus beibehalten, kann aber auch freier spielen und dem folgen, was nun entstehen möchte, unabhängig davon, ob dies noch mit dem Rhythmus des Atems etwas zu tun hat. Der Atemrhythmus ist indirekt Grundlage des gesamten Spiels. Improvisiert …“

       13

       Aktives Symbolisieren

       13.1 Symbole und Symbolisieren in der Musiktherapie

      Symbole sind Zeichen, Gegenstände oder Sinnbilder, die ihre Bedeutung über den Moment und über die konkrete Situation hinaus innehaben. Zumeist sind es Kennzeichen oder Erkennungszeichen wie z. B. das Kreuz des Christentums. In unserer Zivilisation werden aus Symbolen häufig Markenzeichen, der Stern von Bethlehem ist mittlerweile vielleicht weniger bekannt als der Mercedes-Stern als Statussymbol für Wohlstand und Erfolg. Viele Gegenstände können Symbole sein, z. B. der Ehering als Zeichen der Verbundenheit zweier Menschen, die sie sich zumindest einmal versprochen haben.

      Auch in der Musik gibt es Symbole. Das ta-ta-ta-taaa eröffnet nicht nur eine Sinfonie, sondern steht für Beethoven, ja für Klassik. Oder denken wir an die Erkennungsmelodien von „Bonanza“, von „Spiel mir das Lied vom Tod“, des „Tatorts“, der „Tagesschau“, der Eurovision oder an die Nationalhymne: Alle bislang genannten musikalischen und anderen Symbole, vom Ehering bis zur Nationalhymne, haben gemeinsam, dass sie Bedeutung für viele Personen, ja für ganze Kulturen haben. Welche konkrete Bedeutung der einzelne Mensch ihnen gibt, ist unterschiedlich. Der Ehering kann für den einen Glück und Liebe symbolisieren, für den anderen Unterdrückung und Gefängnis. Die Erkennungsmelodie von „Bonanza“ symbolisiert für viele Menschen Kindheit und 60er-Jahre. „Spiel mir das Lied vom Tod“ mag ein Symbol sein für tiefes Entsetzen oder verliebtes Händchenhalten im Kino, die Erkennungsmelodie des „Tatorts“ für einen gemütlichen Sonntagabend oder die Einsamkeit. Die Nationalhymne kann Stolz oder Heimatgefühle oder Ekel und Schuldgefühle hervorrufen oder belanglos sein. Wenn solche Symbole in der therapeutischen Arbeit auftauchen, gilt es, die individuelle Bedeutung herauszufinden, die das

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