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Fit und fair im Netz. Felix Rauh
Читать онлайн.Название Fit und fair im Netz
Год выпуска 0
isbn 9783035503579
Автор произведения Felix Rauh
Жанр Математика
Издательство Bookwire
Insbesondere Kinder brauchen aber Phasen der Langeweile. Solche Zeiten sind nötig, um sich selbst motivieren zu lernen, und ermöglichen Kreativität. Wenn alles vorgegeben ist, wenn Anregung und Unterhaltung mit einem Klick sofort verfügbar ist, fehlt der Raum, den man selbst füllen darf, kann und muss. Geduld ist eine wichtige Grundlage für die Herausbildung von manuellen oder technischen Fertigkeiten, ebenso für die Entwicklung von Ideenreichtum.
Wenn wir Momenten des Müßiggangs einen Wert beimessen wollen, sollten wir dann nicht zeitweise bewusst auf die digitale Berieselung verzichten? Können oder wollen wir es uns leisten, vorübergehend nicht erreichbar zu sein? Wird einst, wie uns die Zukunftsforschung prognostiziert, als fremdbestimmt oder gar charakterschwach gelten, wer in jeder freien Minute auf sein Smartphone starrt?[2]
Welche Rituale ermöglichen uns, bewusst offline zu gehen und zu bleiben? Es gibt verschiedene Angebote, wie etwa den technikfreien Zufluchtsort der Stille im Zehnten Arrondissement, mitten in Paris[3]. Am Eingang wird das Smartphone in einen Spind geschlossen. Der anschließende Rundgang durch fünf Räume verspricht absolute Ruhe und Entschleunigung. Dies soll Reflexion ermöglichen und helfen, die Angst davor zu verlieren, dass man für andere nicht erreichbar ist. Wer zu einer gesunden Balance zurückfinden möchte, kann sich auch zu einem Digital Detox Retreat anmelden, einer mehrtägigen Technikkarenz in der Natur. Wer sich zu Hause vom Stress der dauernden Vernetzung erholen möchte, kann eine Auszeit-App[4] installieren und damit für bestimmte Zeiträume Kontakte und Kommunikationskanäle gezielt einschränken. Während man sich digital ausklinkt und den Fokus auf die wesentlichen Dinge lenkt, vertröstet die App Anrufende mit einer Mitteilung. Sich digital entschlacken kann auch, wer sein Smartphone gegen ein einfaches Gerät eintauscht, dessen Funktionsumfang sich aufs Telefonieren und Simsen beschränkt.[5] Es geht auch weniger radikal. Hier eine Liste von Empfehlungen, wie Sie der zunehmenden Fremdbestimmung durch das Smartphone einfach und ohne finanziellen Aufwand entgegenwirken können:
Richten Sie im Eingangsbereich Ihrer Wohnung einen Handyparkplatz ein, der gleichzeitig auch Ladestation ist. So nehmen Sie körperlich Distanz vom Gerät, verbannen es vom Esstisch und aus dem Schlafzimmer.
Lassen Sie sich morgens wieder von einem klassischen Wecker aus dem Schlaf holen. So vermeiden Sie es, vor dem Einschlafen als Letztes und nach dem Aufwachen als Erstes die neusten Mitteilungen oder Informationen abzurufen.
Unterstützen Sie gutes Einschlafen, indem Sie das Gerät eine Stunde vor dem Zubettgehen beim Handyparkplatz aufladen. So verzögern die Blaulichtanteile des Bildschirms nicht die Ausschüttung des schlafanstoßenden Hormons Melatonin.
Verordnen Sie sich selber eine digitale Diät, dosieren Sie ihre Erreichbarkeit. Definieren Sie handyfreie Zeiten, beispielsweise während gemeinsamen Mahlzeiten. Lassen Sie das Handy im Auto oder in der Handtasche, wenn Sie sich mit jemandem zum Mittagessen oder Nachtessen treffen. Gönnen Sie sich das kleine Abenteuer eines handyfreien Tages (wenn Sie Ihre nächsten Angehörigen im Voraus darüber informieren, wird sich niemand Sorgen machen müssen).
Legen Sie sich wieder eine Armbanduhr ums Handgelenk. Sie werden Ihr Smartphone weniger oft zücken. Wer sich per Smartphone über die aktuelle Uhrzeit informiert, bleibt oft unfreiwillig noch bei den neusten Nachrichten hängen.
Schalten Sie den Signalton für eintreffende Nachrichten aus oder stellen Sie das Gerät standardmäßig auf lautlos.
Beschränken Sie das Lesen von E-Mails und digitalen Kurznachrichten auf einmal pro Stunde. Oder nutzen Sie die Möglichkeit automatischer Antwortfunktionen, beispielsweise: »Danke für Ihre Nachricht. Ich beantworte meine E-Mails einmal täglich, und zwar immer vor 10 Uhr morgens. Ich werde mich bei Ihnen melden.« Das entschleunigt, schließt aber die Möglichkeit nicht aus, tatsächlich Dringendes und wirklich Wichtiges ausnahmsweise in kürzeren Intervallen zu beantworten. Dadurch reduzieren Sie Unterbrechungen und können sich konzentrierter Arbeit oder entspannter Freizeit widmen.
Die Sicht auf die Vorteile und Gefahren des Smartphones und dessen Omnipräsenz mögen individuell sein. Gedanken und Fragen wie die oben stehenden können zu verschiedenen Schlüssen und Antworten führen. Doch erst indem wir Erwachsenen den Umgang mit Smartphone und Social Media überhaupt reflektieren, können wir zu bewussten Nutzerinnen und Nutzern und damit zu guten Vorbildern werden.
DIE EINEN HEULEN RUM, ANDERE SPUCKEN GIFT UND GALLE, SIE IST BLIND VOR LIEBE, ALLE SIND WIR ÜBERFORDERT: WILLKOMMEN IM DIGITALEN LEBEN!
David Bauer, Autor
Viele Jugendliche wünschen sich ein Smartphone, weil sie damit schnell, einfach, ortsunabhängig und praktisch kostenlos mit ihren Freundinnen und Freunden Kontakt pflegen können. Besonders beliebt sind Chatgruppen. In diesen plaudern, planen, lachen, klagen, lernen und verabreden sie sich. Chats sind für Jugendliche eine selbstverständliche Verbindung zu ihrer Gleichaltrigengruppe, sie stillen das entwicklungsbedingt starke Bedürfnis nach Zugehörigkeit. Die kurzen Nachrichten und Statusupdates wirken einzeln vielleicht banal und unbedeutend, in ihrer Aneinanderreihung zeigen sie aber, was läuft, was beschäftigt und wie es Freundinnen und Freunden geht. Smartphones, Apps und Chats bieten jedoch auch rund um die Uhr die Möglichkeit, jemanden auszuschließen oder fertigzumachen.
Der folgende Einblick in einige Apps hat nicht zum Ziel, deren Nutzung detailliert zu beschreiben. Dies wäre aufgrund zahlreicher Updates und Veränderungen einerseits wenig sinnvoll, anderseits informieren einschlägige Webseiten und Blogs kompetent, aktuell und ausführlich. Der folgende Einblick zeigt auf, welche Möglichkeiten, Dynamiken, Sachzwänge und Gefahren mit den jeweiligen Apps verbunden sein können.
Gruppenchats werden von den Nutzerinnen und Nutzern selbstständig eingerichtet und verwaltet. Eine virtuelle Gruppe kann eine ganze Klasse umfassen oder nur Teile davon. Eine Gruppe kann sich auch klassenunabhängig, beispielsweise themen-, interessen- oder cliquenbezogen, formieren. Die zurzeit populärste Smartphone-Applikation mit Gruppenchatfunktion ist WhatsApp (WA). Eine WA-Chatgruppe entsteht, indem eine Person aus ihrer Kontaktliste Mitglieder auswählt und so eine Gruppe definiert. Weil die gründende Person entscheiden kann, wer zur Gruppe gehört und wer nicht, kommt ihr eine verantwortungsvolle Aufgabe zu. Sie erhält das Administrationsrecht und kann damit entscheiden, wer der Gruppe zugefügt wird, welche Mitglieder aus der Gruppe entfernt werden und welche einen Status als Administrator oder Administratorin erhalten. Will eine Person mit diesem Status die Gruppe löschen, muss sie vorher alle Teilnehmenden aus der Gruppe entfernen. Das geschieht aus Angst vor Widerspruch oder unangenehmen Fragen oft ungern. Tritt jemand mit Administrationsrecht einfach aus, besteht die Gruppe weiter, und der Status geht nach dem Zufallsprinzip an eines der verbliebenen Gruppenmitglieder über.
Wer von der Admin-Person einer Gruppe zugefügt wurde, wird per Mitteilung vor vollendete Tatsachen gestellt: Man kann weder aktiv einer Gruppe beitreten noch eine Einladung ablehnen und wird unter Umständen Mitglied einer Gruppe, deren Gesprächsthemen man nicht goutiert oder zu der man gar nicht gehören möchte. Austritt ist nur durch Eigeninitiative möglich, wobei diese selten ergriffen wird. Einerseits schmeichelt es vielen, einer Gruppe zugefügt worden zu sein. Anderseits bedeutet ein Austritt auch Verzicht auf Teilhabe an einem Informations- und Diskussionsfluss, der jetzt oder allenfalls später relevant sein könnte.
Jugendliche gehören oft zahlreichen Chatgruppen an. Schnell kumulieren sich auf diesem Endlosförderband von Sprachfragmenten Hunderte von Mitteilungen, Anfragen und Informationsschnipsel. Die unüberschaubare Menge kann ablenken,