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      Herr und Frau Wunderer verließen das Hotel und die beiden Verlobten wandten sich wieder Veronika zu.

      »Hören Sie, Frau Wunderer«, begann Lilo.

      »Bitte sagen Sie einfach Veronika.«

      »Veronika. Gerne. Wir bezahlen alles, was ich bestellt habe. Es ist nicht Ihre Schuld, dass uns die Familie im Stich lässt. Wir wollen eine gemütliche Hochzeit mit unseren engsten Freunden.«

      Die hohe Belohnung für das Aufdecken des Internetbetrugs gab Lilo und Axel die Freiheit, Geld auszugeben, wann immer sie es für richtig hielten.

      Über diese Ansage war Veronika sehr erleichtert. »Die kann ich Ihnen garantieren.« Sie holte einen Zettel heraus. »Der Standesbeamte muss aus dem Tal kommen. Aber er hat für Samstag, elf Uhr vormittags, zugesagt, wenn das noch immer so recht ist.«

      »Das ist genau die richtige Zeit«, bestätigte Axel.

      »Dann hätten wir alles durch.« Veronika schob ihre Zettel zusammen. Sie zögerte kurz und blickte dann auf. »Es ist eine unverschämte Bitte …«

      Axel und Lilo rechneten damit, um ein Autogramm gebeten zu werden. Das geschah immer wieder. Vielleicht sollten sie sich auch ins Gästebuch eintragen.

      »Es ist hier etwas geschehen, über das ich mit sonst niemandem reden kann. Aber Ihnen würde ich mich gerne anvertrauen.«

      Diese Ansage kam überraschend.

      »Worum geht es?« Lilo öffnete die Hände zu einer auffordernden Geste, einfach zu erzählen.

      »Können Sie in mein Büro kommen, bitte?«

      VOODOO IN DEN ALPEN

      Der Anblick war ekelig.

      »Ich habe keine Ahnung, wer das Päckchen gebracht und auf die Theke der Rezeption gestellt hat.«

      »Das ist eine Voodoo-Puppe«, stellte Lilo fest.

      Im Seidenpapier, mit dem der Karton ausgelegt war, lag eine Stoffpuppe.

      Es war kein Kinderspielzeug, sondern die Darstellung einer nackten Frau mit Brüsten und Schamhaaren. Die Haare waren struppiger schwarzer Bast. Die Augen und der weit aufgerissene Mund waren aufgestickt.

      Das Schaurigste an der Figur waren die sieben Nadeln mit schwarzen Glasköpfen. Jede war lang wie ein Finger. Jemand hatte sie der Puppe an Stellen in den Körper gerammt, die schon beim Ansehen Schmerzen verursachten.

      »War eine Nachricht dabei?«, wollte Axel wissen.

      »Nein. Kein Zettel, kein Name, kein Absender. Nichts.«

      »Dann hat wohl derjenige, der Sie erschrecken will, die Schachtel persönlich gebracht«, kombinierte Lilo.

      Veronika, die noch immer die weite Mütze trug, zog sie vom Kopf und schüttelte ihr Haar. Es war schwarz und hatte ungefähr die gleiche Länge wie das Haar der Puppe.

      Lilo sah zwischen der Puppe und Veronika vergleichend hin und her. »Entschuldigen Sie die Frage, aber haben Sie ein Muttermal auf der Hüfte?«

      »Ein Muttermal, wo?«

      »An der Hüfte. Wo man die Hände in die Seite stemmt.«

      Veronika wunderte sich. »Nein. Ich habe kein Muttermal. Wieso?«

      »Weil auf die Puppe dort ein Muttermal aufgemalt worden ist. Mit Filzstift.«

      Nachdem sie tief durchgeatmet hatte, erzählte Veronika von Mario und seinem Verschwinden. Axel und Lilo ließen sich auf der Kante des Schreibtisches nieder und hörten genau zu.

      »Sie fragen sich, ob Mario mit dieser Puppe zu tun haben könnte?«, fasste Lilo zusammen.

      Veronika nickte.

      Lilo begann, ihre Nasenspitze zu kneten. Seit sie zehn Jahre alt war, tat sie das immer, wenn sie überlegte.

      Axel kam ihr mit einer Antwort zuvor. »Verrückte gibt es immer. Aber was hätte dieser Mario davon? Wenn er sich an Ihrem Schreck weiden will, müsste er Sie dazu sehen. Das ist aber nicht möglich. Er redet auch nicht mehr mit Ihnen, Sie können es ihm also auch nicht erzählen.«

      »Wer sonst könnte mir so etwas hinstellen?« Veronika nahm den Deckel und verschloss die Schachtel wieder.

      »Das können eigentlich nur Sie selbst sagen.« Lilo trommelte mit den Fingern auf den Karton. »Hier wohnen doch kaum Leute in der Umgebung.«

      Veronika stellte die Schachtel in einen absperrbaren Aktenschrank. »Nicht einmal hundert. Im Winter sind dann fünfmal so viele hier, aber das sind alles Saisonpersonal und Gäste.«

      »Haben Sie mit jemandem Streit? Oder gibt es einen Verehrer, den Sie abgewiesen haben? Oder hassen Sie andere Hotelbesitzer?« Lilo und Axel fielen zahlreiche Möglichkeiten für einen solchen schlechten Scherz ein.

      Energisch schüttelte Veronika den Kopf. »Das kann ich mir alles nicht vorstellen. Mir fällt wirklich niemand ein.«

      Das Surren der Eingangstür ertönte. Veronika trat in die Rezeption hinaus, um zu sehen, wer gekommen war. Lilo folgte ihr.

      Ein Mann, der mit dem Kopf fast an den oberen Türrahmen schlug, war eingetreten. Ihm folgte ein Schwall Schneeflocken, aus dem eine Frau mit fast bodenlangem Fellmantel und einer Fellkappe trat, die die Größe eines Storchennests hatte. Unter den Rändern der Kappe lugte kupferrotes Haar hervor.

      »Guten Tag, Lady Ross«, grüßte Veronika. »Was kann ich für Sie tun?«

      »Kindchen, ich muss mit Ignaz den Saal besichtigen. Ignaz wird die Überraschung vorbereiten.«

      Lilo bemerkte, wie Veronika stumm mit den Augen auf Lilo deutete.

      »Ihre Turteltäubchen werden den schönsten Tag ihres Lebens niemals vergessen. Geben Sie mir bitte die Vornamen, die brauche ich noch für die Überraschung.«

      »Später, Lady Ross, ich habe meine Gäste gerade zu einer Besprechung hier«, sagte Veronika und betonte dabei die letzten Worte mit einer leichten Kopfbewegung in Lilos Richtung.

      »Ach, sieh mal an«, rief die Lady, ohne eine Sekunde die Haltung zu verlieren oder verlegen zu wirken. »Was für ein Vergnügen, die glücklichen Menschen kennenzulernen. Ich erinnere mich an meinen Hochzeitstag, als wäre es gestern gewesen. Dabei liegt er schon eine halbe Ewigkeit zurück. Unvergesslich wurde er durch die Überraschung der besten Freunde meines Mannes. Sie haben eine Opernarie zu unseren Ehren komponieren lassen, die von zwei Sängerinnen und einem Sänger vorgetragen wurde.«

      Lilo und Axel standen schweigend da, weil sie nicht wussten, was sie sagen sollten. Veronika war die Angelegenheit peinlich. »Vielleicht können Sie in einer Stunde wiederkommen?«

      »Natürlich, Kindchen, wir wollten nicht stören, nicht wahr, Ignaz?« Sie stieß den Riesen mit dem Ellbogen. Mit tiefer Stimme versicherte er, dass das niemals die Absicht gewesen wäre. So theatralisch, wie ihr Erscheinen gewesen war, zogen die zwei wieder ab und verschwanden im Schneegestöber.

      »Von welcher ›Überraschung‹ hat die Dame geredet?«, wollte Axel wissen. Er war kein Freund von unerwarteten Geschenken oder Aktionen.

      »Die Dame ist Lady Ross. Sie wohnt im Schloss und kommt jeden Tag ins Hotel zum Essen. Ich habe ihr von meinen Plänen erzählt und von Ihrer Hochzeit und sie besteht darauf, mitzuhelfen. Von meinen Eltern habe ich nämlich keine …«

      »… Unterstützung zu erwarten«, setzte Lilo im Stillen den Satz fort, als Veronika abbrach. Laut sagte sie: »Na dann, wir sind gespannt, wie sie unsere Hochzeit unvergesslich macht.«

      Veronika lächelte erleichtert. Lilo und Axel verabschiedeten sich und traten die Rückfahrt an. Der Schnee fiel immer dichter und die Scheibenwischer hatten einiges zu tun, die Flocken von der Windschutzscheibe zu fegen.

      Axel sah immer wieder zu den überhängenden Felskanten hoch. Manche ragten wie Vordächer über die Fahrbahn. Sie

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