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sich Jesus Christus zu jedem einzelnen Menschen so ähnlich wie der eingangs beschriebene actus essendi (das nichtsubsistente Sein) zu jedem einzelnen Seienden.“298 Insofern ist für den Basler Theologen jedwede Ekklesiologie immer nur als Entfaltung von Christologie denkbar: „Es gibt keine Ekklesiologie, die nicht Christologie wäre.“299 Da für Balthasar alles Kirchliche im Christusereignis bleibend fundiert und von dort her je und je neu getragen ist, plädiert er für eine grundlegende Selbstrelativierung beim Verstehen und Sprechen von der Kirche.300 Diese gründet nicht in sich, sondern in Christus: „Recht verstandene Ekklesiologie muß, um sich echt zu begründen, sich immer erst aufgehoben haben.“301 Nur wo ihre Bezogenheit auf Jesus Christus zu Gesicht kommt, kann eine adäquate Sicht auf die Kirche erlangt werden: „Die Kirche hätte, wollte man einen Augenblick von ihm absehen und sie als eigene Gestalt betrachten und zu verstehen versuchen, nicht die geringste Plausibilität. […] Sie verliert im Gegenteil so jede Glaubwürdigkeit, weshalb die Kirchenväter ihr Licht häufig mit dem von der Sonne geborgtem Licht des Mondes (das seine Relativität ab deutlichsten anzeigt) verglichen.“302

      Die derart begriffene Nachfolge Jesu Christi als Teilhabe an seiner Stellvertretung und Inklusion in seinen Sohnesgehorsam ist Balthasar Ausdruck und höchste Verwirklichungsform des menschlichen Seins als Liebe. Peter Henrici sieht darin den Schlüssel zum Werk Balthasars: „Sein ist nur als Liebe verständlich; Seinsphilosophie weist über sich hinaus auf eine Philosophie der Liebe […] Das alles ist mehr als ‚personale Ontologie‘ (oder gar oberflächlicher ‚Personalismus‘); es ist mehr als bloße Dialogik: Metaphysik der Liebe, die sich im Gegenlicht einer Liebestheologie abzeichnet. Liebe ist das einzig ‚Glaubhafte‘, weil sie das einzig wirklich Verstehbare, ja das einzig ‚Vernünftige‘ ist: ‚id quo majus cogitari nequit‘; denn ihr Wunder liegt je schon über alles Erdenkliche hinaus und ist doch nicht weniger wirklich, ja der Grund zu allem Wirklichsein. Hier liegt, offen-verborgen, der Schlüssel zu Balthasars Werk und deshalb auch zu seiner Philosophie. Erst wenn es gelingt, das Sein als Liebe zu verstehen – und zwar ineins als Armut des Eros und als selbstloses Sich-Verschenken –, erst dann ordnen sich die Perspektiven dieses kaum überschaubaren Denkens zu einer schlichten und eindrücklichen Gestalt. Weil das Sein Liebe ist, deshalb steht im Zentrum der Triologie nicht die Ästhetik, sondern die Dramatik.“303 Im Zentrieren der theologischen Diktion auf das in Jesus Christus unüberbietbar anschaulich-konkrete und universal bedeutsame Phänomen „Liebe“ ist ein wesentlicher Beitrag Balthasars für die Fragestellung nach der Gestalt des Betens bei Edith Stein zu sehen. Dies insofern Balthasar nämlich vom Phänomen der Liebe her eine relationale und aus trinitarischen Bezügen hergeleitete Anthropologie entwickelt,304 die auch bei Edith Stein aufgewiesen werden kann und die im Zentrum ihres religionsphilosophischen Hauptwerkes steht.305

      In Balthasarscher Sicht ist der Mensch dazu berufen, sich von der Liebe, die innertrinitarisch anhebt, und ihm in Christus vermittelt nahe kommt, anstecken zu lassen, um schöpferisch daran mitzuwirken. Dabei lässt er sich in die unfassbare Distanz, den „Hiatus“, der den göttlichen Sohn vom ewigen Vater „trennt“, sofern er von ihm innergöttlich gezeugt wird, hineinnehmen und in die Rückkehrbewegung des Sohnes zum Vater integrieren. Dazu führt Balthasar in seinem Werk „Das betrachtende Gebet“ aus: „Aber Christus kehrt aus aller sinnlich und geistig faßbaren Weltgestalt wieder zum Vater zurück, und hierdurch öffnet er erst den wirklichen Weg der Kontemplation: indem er die vom Vater redenden Bilder und Begriffe nicht so auf Erden hinterläßt, wie er sie zunächst als fleischlicher Mensch unter Menschen gesetzt hat, sondern sie – das ist der Inhalt der ganzen paulinischen Theologie – aus dem Irdisch-Buchstäblichen-Prophetischen ins Himmlisch-Geistig-Erfüllte empornimmt und übersetzt, und uns, als mit ihm zusammen Sterbende, Auferstehende und zum Himmel Fahrende in seiner eigenen Bewegung von der Welt zum Vater ermächtigt, die Verwandlung der alten in eine neue, geisthafte und göttliche Welt mitzuvollziehen.“306 Insofern nimmt der Mensch an der innergöttlichen Dynamik teil und lässt sich dabei von der Hingabe Jesus Christi und seinem Sohnesgehorsam dem liebenden Vater gegenüber tragen. Diese Haltung ist für Balthasar die Gestalt des christlichen Seins im Ganzen. Gestalt wird so zu einer lebenspraktisch relevanten Kategorie, zu einem Begriff, der die ganze menschlichen Existenz in ihrem Charakter als gottbegründete Sendung meint: „ ‚Gestalt‘ ist ein Verlegenheitsausdruck für diese geheimnisvolle Wirklichkeit, die das ideale Urbild des erlösten und glaubenden Menschen in Christus und doch zugleich seine wahre, eigentliche Realität ist, auf die hin der Vater ihn nunmehr ansieht und bewertet und von der her er als Glaubender zu leben aufgefordert ist. […] Wir können diese Gestalt des Christen, die zugleich reine Gnade des Vaters, die Gliedform des Menschen im mystischen Leib Christi, schließlich er selbst, der Mensch in seiner ganzen Konkretheit, aber innerhalb der Erlösung, ist: wir können diese Gestalt seine Sendung nennen. Das, wofür er seine Natur ganz zur Verfügung stellen und halten soll, damit sie in dieser Hingabe, in diesem Gottes-Dienst ihre eigene, höchst persönliche Erfüllung jenseits ihrer natürlichen und unvollkommenen Möglichkeiten finde. Das, worin sie unfehlbar über ihre eigenen Kräfte hinaus befähigt und fruchtbar werden wird. Das auch, worin der Mensch sich letztlich im Glauben verstehen wird, weil die Sendung christus- und damit wort-, logosförmige Gestalt hat. Wer seiner Sendung gehorcht, der erfüllt sein Wesen […].“307

      Entsprechend hat auch das Beten für den Basler Theologen neben dem Moment der Anbetung als „absolute Anerkennung“308 eines „uneinholbar Größeren, Mächtigeren und Freigebig-Gütigeren als ich es bin“ den Charakter einer „Sendung“. Diese besteht zunächst darin, die Gabe seiner eigenen Freiheit anzuerkennen und zu aktivieren, in dem sich der Mensch sowohl dem göttlichen Grund seines Seins zuwendet, als auch dem göttlichen Heilswillen gegenüber der Welt. An letzterem mitwirkend, erfüllt der gläubige Mensch seine Gebetsmission. Er darf Balthasar zufolge darauf hoffen, dass Gott „unser Gebet und unsern Selbsteinsatz in seine Vorsehung miteinbezieht, und zwar nicht willkürlich, nicht nur dann, wenn es ihm paßt, sondern jedesmal, wo echtes, das heißt selbstlos hingegebenes Gebet zu ihm dringt.“309 Es wird sich im Verlauf meiner Studie zeigen, inwieweit Edith Stein in ihrer betenden Existenz ähnliche Momente ansichtig werden lässt. Eine trinitätstheologisch „unterfasste“, metaphysisch-theologisch entwickelte Christologie ist dabei in jedem Fall ein verbindendes Merkmal der theologischen Diktion sowohl Edith Steins als auch derjenigen von Hans Urs von Balthasar.310 Mit Blick auf den in Jesus Christus sich offenbarenden dreifaltigen Gott formuliert der Basler Theologe: „Von hier aus erhellt die für Christen unabdingbare Pflicht einer trinitarischen Kontemplation, die das, was Jesus uns an sich selbst zeigt und als nachahmbar empfiehlt, als das Hervortreten, ja Uns-Überfallen innergöttlichen Lebens versteht.“311

      Beispielhaft für eine grundlegende Infragestellung betont ästhetischer Zugänge zur (Gebets-) Theologie kann die Position von Johann Baptist Metz gewertet werden. In ihren konzeptionellen Grundzügen wurde sie bereits oben skizziert. Mit Blick auf die Gestalttheologie Balthasars wird die Metzsche Perspektive hier erneut eingenommen, um die Gefährdungen zu markieren, die mit der Diktion des Basler Theologen gegeben sein können.312 Auf dieser Basis mag im weiteren Fortgang der Untersuchung eine reflektierte Verwendung des Gestaltbegriffs möglich werden, der die Balthasarschen Anregungen kritisch reflektiert aufnimmt.

      Wenn Metz eine betonte Ästhetisierung der Theologie kritisiert, will er dabei auf Gefahren aufmerksam machen, die ihm zufolge eine in sich geschlossene, gegenüber Brüchen und desintegrierbaren Momenten sich verweigernde, subjekt- und geschichtsvergessene Theologie stets als Begleiter bei sich hat. Eine solche Theologie sieht er durch eine betont dem „Schönen“ sich zuneigende Diktion noch stärker solchen Gefährdungen ausgesetzt. Sie weist in hohem Maße eine „Affirmationsfreudigkeit“313 auf und eine „Verblüffungsfestigkeit“,314 die sich gegenüber Nichtintegrierbarem verschließt. Nichtintegrierbares jedoch scheint Metz zufolge im Gebet auf als Klage und Sehnsucht, als Vermissen und Schrei. Es kann kaum erstaunen, dass vor allem Hans Urs von Balthasar in dieser Perspektive von Metz kritisch

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