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ESGA 20, S. 187–189.

      227 ESGA 20, S. 192–193.

       4 Begriffliche Klärungen

      Eine Darstellung und Sichtung verschiedener (interdisziplinärer) Konzepte, die dem betenden Geschehen nahekommen wollen, finden sich in entsprechenden Lexikabeiträgen,228 Handbüchern229 und spezielleren Abhandlungen.230 Dabei variiert die Perspektive, unter der das Gebet allein in systematisch-theologischer Hinsicht gesichtet wird, deutlich.

      So beschreibt beispielsweise Karl Rahner im „Lexikon für Theologie und Kirche“ das Gebet 1960 eher von einem fundamentaltheologischen Zugang her, der seine transzendentaltheologischen Denkwege231 erkennen lässt232, während Hans Schaller in der 3. Ausgabe des gleichen Lexikons 1995 eine Herangehensweise wählt, die sich dem Ereignis des Betens direkt von der Trinitätslehre und einer spirituellen Christologie und Ekklesiologie her nähert.233 Somit wird schon innerhalb verschiedener Auflagen eines Lexikons die große Diversität und Multiperspektivität erkennbar, die bereits innerhalb einer christlich-theologischen Fachdisziplin mit dem Thema Gebet verbunden wird. Diese Spannbreite vergrößert sich erst recht, wo Verfasser von Beiträgen aus der Sicht der Systematischen Theologie andere Disziplinen und interreligiöse Perspektiven einbeziehen, um das Thema zu konturieren.234

      Es würde den Rahmen dieser Untersuchung sprengen, an dieser Stelle eine integrative Sichtung dieser Perspektiven zu versuchen. Um den größeren Gedankengang der Studie an dieser Stelle nicht aus den Augen zu verlieren, wird auch darauf verzichtet, die verschiedenen Akzentsetzungen zu skizzieren, unter denen die betende Begegnung zwischen dem Menschen und seinem wie auch immer im Einzelnen zu verstehenden übermenschlichen „Gegenüber“ in verschiedenen (religions-) wissenschaftlichen Kontexten konzeptionalisiert werden kann.235 Die Bedeutung des jeweiligen Gottesbildes bzw. religiösen Verhältnisses für ein darauf basierende Gebetsverständnis sei nur erwähnt, ohne darauf im Einzelnen näher eingehen zu können.

      Als durchgängig anzutreffendes Merkmal aller wissenschaftlichen Darstellungen im Bereich der systematischen Theologie kann immerhin die große inhaltliche Breite und eine tiefgehende konzeptionelle Verschiedenheit angesehen werden, unter der gesichtet wird, was im Phänomen „Beten“ in unterschiedlichen Epochen und religiösen Kontexten zur Erscheinung gelangte und weiterhin bis heute gelangt. Diese Diversität findet sich auch im christlichen Kontext: „Wer sich mit der Gebetsliteratur beschäftigt hat, wird verwirrt sein über die bunte Vielfalt der Möglichkeiten“.236 Aktuell ist insgesamt eine Tendenz zu erkennen, das Geschehen des Gebets entweder sehr breit auszulegen oder aber sehr eng zu fassen. Dazu bemerken Ingo Dalferth und Simon Peng-Keller: „In der theologischen Rede vom Gebet finden sich zwei gegensätzliche terminologische Neigungen: die Verengung des Betens auf nur eine Form des Betens oder die Ausweitung des Betens auf das ganze Leben des Glaubens.“237 In dieser Feststellung spiegelt sich der Sachverhalt, dass innerhalb der Fachdisziplinen eine Unsicherheit darüber herrscht, was und unter welcher Hinsicht unter dem Wort „Beten“ inhaltlich versammelt und konzeptionalisiert werden soll. Das hält auch F. Wulf bereits 1903 fest, der die Schwierigkeit einer Gebetsdefinition ausdrücklich ins Wort bringt: „Aus diesem Überblick mag ersichtlich geworden sein, warum es so schwer ist, das Gebet zu definieren. Es ist in seinem christlichen Wesen so vielschichtig, daß es kaum mit einem einzigen Satz zureichend erfaßt wird. Die in der Frömmigkeitsgeschichte vorkommenden Begriffsbestimmungen des Gebets leiden überdies bisweilen darunter, daß sie zu sehr von zeitbedingten philosophischen Anschauungen geprägt sind.“238

      Im Folgenden versuchen drei Annäherungen gleichwohl dem nahe zu kommen, was von der Sache her im Blick ist, wo Edith Stein als betende Frau in Erscheinung tritt. Die Annäherungen sind bewusst zurückhaltend bei der Frage, das zu untersuchende Geschehen im Vorhinein in Begriffen feststellend zu erfassen. Darin mag der Leser dieser Studie eine Sensibilität entdecken, die sich zum einen von der radikalen Entzogenheit des göttlichen Relationspols mit Blick auf das menschliche Erkennen und Verstehens zu denken geben lässt, wie es deutlich in den Spätwerken Steins zu Pseudodyonisius Areopagita und zu Johannes vom Kreuz begegnet. Zum anderen findet die vom definierenden zum beschreibenden Habitus hingewandte Diktion darin Anhalt und Begründung, dass jede Definition unvermeidlich etwas ausschließen muss. Wo das Gebet aber facettenreich gerade die Berührung mit einem Umfassenden in den Sinn des Verstehens hebt, dort legt sich dem entsprechend nahe, im ersten Verstehenszugang zu diesem Ereignis alles Grenzziehende zurückhaltend zu verwenden bzw. gerade das über Grenzen und damit Definitionen Hinausweisende aktiv zu beachten und hermeneutisch von vorne herein zu integrieren. In drei Annäherungen wird nachfolgend versucht, dem zu entsprechen.

      Schon der Versuch, in einem grenzziehenden Begriff umfassend definieren zu wollen, was mit dem Wort „Beten“ auch nur in einem christlichen Kontext bedeutet wird, stößt in jedem Fall auf zwei grundlegende Schwierigkeiten. Die erste besteht in der unhintergehbaren Transzendenz gleichermaßen des Menschen wie auch des göttlichen Parts des Geschehens und deswegen auch des gesamten Gebetsgeschehens selbst. Die zweite Schwierigkeit besteht in der Anachronie des gesuchten Begrifflichen gegenüber dem lebendigen Ereignis des Betens. Beten läuft dem Definitorischen zeitlich uneinholbar voraus und überholt den Begriff immer wieder aufs Neue. Während der Begriff festzuhalten sucht, strömt und läuft das zu Definierende fortlaufend weiter. Bevor gleichwohl eine klärende Formulierung gesucht wird, die den Leser der Studie informiert, was unter „Beten’“ im Verlauf der Untersuchung verstanden wird, soll zunächst den beiden benannten Schwierigkeiten Beachtung geschenkt werden. Anhand dieser mag die Problematik ersichtlich werden, die mit dem Versuch einer wie auch immer zu formulierenden Gebetsdefinition unvermeidlich verbunden ist. Corona Bamberg OSB kommt daher zu dem Schluss, dass keine Umschreibung zureichend ist, um das christliche Gebetsgeschehen umfassend als Definition ins Wort zu bringen: „Im Laufe der christlichen Frömmigkeitsgeschichte hat man oft versucht, Gebet zu definieren. Man könnte hier vieles aufzählen. Aber keine Definition faßt wirklich, was Gebet ist. Oft sind solche Begriffsbestimmungen zu zeitbedingt. Speziell christliches Gebet ist zu vielschichtig, als dass es mit einem Satz oder gar Wort zureichend umschrieben werden könnte.“239

      Die erste Schwierigkeit besteht näherhin betrachtet darin, dass das abgrenzende und in begrifflichen Kategorien denkende Zugehen auf das Gebetsgeschehen damit konfrontiert ist, dass sowohl das göttliche Gegenüber als auch der Mensch und somit das gesamte Gebetsgeschehen sich einer definitorischen Festlegung und abschließenden Bestimmung prinzipiell, und nicht nur graduell, im Sinne einer bloß aktuell noch nicht exakt zutreffenden Definition, verschließen. Diese Entzogenheit für das begriffliche Erfassen ist Ausdruck der jeweiligen Transzendenz, die sowohl den Menschen als auch das göttliche Gegenüber zuinnerst und bleibend auszeichnen.240 Weil Gott und Mensch wesentlich „Geheimnis“ sind, muss auch ein Umgreifenwollen dessen, was im Gebet als dem wie auch immer noch genauer zu qualifizierenden „Dazwischen“ sich zuträgt, scheitern. Karl Rahner bringt es so ins Wort: „Wenn wir beten, dann ist das, was wir sagen und in unserem sogenannten Ich davon merken, nur wie das letzte Echo aus unermesslichen Fernen kommend, des Rufens, in dem Gott sich selber ruft, des Jauchzens, in dem Gott selbst selig ist über die Herrlichkeit seiner Unendlichkeit, der Selbstbehauptung, mit der der Unbedingte von Ewigkeit zu Ewigkeit sich selbst gründet.“241

      Weil nämlich das Gebetsgeschehen als Relation zum göttlichen Gegenüber an der Unbegreiflichkeit dessen Anteil hat, zu dem im Gebet vielgestaltig eine Relation gesucht wird, deswegen kann dieses Geschehen prinzipiell nicht und auf keine Weise abschließend in Begriffe eingeholt werden. Jean Greisch führt mit Bezug auf Emmanuel Levinas bezüglich der bittenden Haltung im Gebet aus: „Die ursprüngliche Bitte, die nicht vom Subjekt, sondern vom anderen ausgeht, setzt ‚einen unsichtbaren Gott voraus, den keine Relation einholen kann, weil er Gegenstand keiner Art von Relation ist, denn er ist eben kein Gegenstand, sondern unendlich. Ein Unendliches, dem ich aufgrund eines nichtintentionalen

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