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gemeinte Geschehen auf fundamentale Schwierigkeiten stößt. Darauf weist Jean-Louis Chrétien mit Blick auf das Gebet hin: „Dieses fundamentale, auf kein anderes reduzierbares Phänomen ist schwer zu beschreiben, so sehr variieren die Formen, die es annehmen kann und die Definitionen, die dafür gegeben wurden.“243 Beten erscheint in der menschlichen Optik somit als Geheimnis, und zwar aus innerer Notwendigkeit.

      Doch auch vom Menschen her gesehen ist das betende Geschehen nicht und in keiner Weise in feststellenden Begriffen einholbar. Der erste Grund dafür ist, dass der Mensch sich selbst in Denken, Wollen und Verhalten nicht völlig zuhanden ist, sondern vielmehr bleibend eine wesentliche Entzogenheit seiner selbst aufweist. Er bleibt sich Geheimnis. Entsprechendes findet sich bei unserer Autorin Edith Stein, wo sie auf die menschliche Seele zu sprechen kommt: „Was und wie sie ist, das spürt die Seele in ihrem Inneren, in jener dunklen und unsagbaren Weise, die ihr das Geheimnis ihres Seins als Geheimnis zeigt, ohne es zu enthüllen.“244 So gelingt es dem erkennenden Subjekt nicht, sich selbst restlos zum Objekt der Erkenntnis zu machen und dabei von sich als dem dabei Erkennenden restlos abzusehen. Das wird deutlich ersichtlich an der menschlichen Leiblichkeit. Diese ist unhintergehbar und kann nicht ausgeschaltet werden, wenn z. B. der erkennende Mensch von seinem „Körper“ spricht, den er hat, im Gegensatz zum Leib, der er ist, und dem er sich nicht als Objekt gegenüberstellen kann. Der zweite Grund dafür, dass das betende Geschehen nicht in Begriffen dingfest zu machen ist, liegt in der auf Zukunft hin offenen Dynamik des menschlichen Grundaktes des Betens, mit der ein Mensch sich gegenüber dem Mehr-als-Menschlichen verhält. Diese Dynamik aktualisiert sich als je neue und variable, und zwar unablässig als Wahl unter prinzipiell unbegrenzt vielen Möglichkeiten und Aktualisierungsmomenten. So verschließt sich auch von der anthropologischen Seite her gesehen „Beten“ einem definitorischen Zugriff, der das Geschehen aneignend einzuholen imstande wäre. Der Versuch einer Gebetsdefinition ist somit zweifach begrenzt, sowohl von der Entzogenheit des göttlichen Gegenübers als auch von der unbegrenzten Offenheit der menschlichen Entfaltungsmöglichkeiten, die sich im betenden Geschehen aktuell und auch künftig erst noch äußern mögen.

      Die zweite Schwierigkeit für eine Gebetsdefinition besteht neben der beschriebenen Transzendenz von göttlichem Gegenüber, dem Menschen und damit dem, was sich „Dazwischen“ zuträgt, darin, dass eine Definition stets ein nachträgliches Konstrukt ist. Dieses versucht, zeitversetzt zu einer geschichtlichen Wirklichkeit, anhand von bereits Bekanntem, die dem Intellektuellen zugängliche Seite des Geschehens systematisierend zu erfassen und daraus Gesetzmäßigkeiten abzuleiten, die generalisiert werden können. Darin kann aber der lebendige Impetus des Geschehens als den ganzen Menschen vielschichtig berührendes Ereignis in einem jeweils einmaligen, geschichtlichen, auf eine offene Zukunft hin ausgerichteten ‚Jetzt‘ prinzipiell nie eingeholt werden. Die zweite Schwierigkeit einer Gebetsdefinition ist somit deren unvermeidliche Anachronie und engführende Reduktion bezüglich des ursprünglichen Ereignisses. Da nämlich Begriffe etwas aus der Vergangenheit Bekanntes in abgrenzender Weise gegenüber anderem zur Darstellung bringen, können sie nicht erschöpfend vorwegnehmen, was sich erst noch unableitbar neu jeweils in einer konkreten raum-zeitlichen, kulturell geprägten Situation einmalig vollziehen mag. Wo man also Beten auf das festlegen wollte, was sich schon früher zwischen zwei festgelegten Größen zugetragen hat, dort würde man der lebens- und universalgeschichtlich fortschreitenden Dynamik des Geschehens nicht gerecht. Man würde die noch offene und mit neuen Möglichkeiten erfüllte weiträumige Zukunft und seine unzählig mögliche Vielgestalt der Konkretisierungsweisen des Gebets ausblenden.

      Zudem stellt das, was in Begriffen davon ausgesagt werden kann, unvermeidlich eine Reduktion dar, bei der ein größeres Ganzes mit intellektuellen, affektiven, und körperlichen Aspekten tendenziell auf das Intellektuell-Begriffliche enggeführt wird, das überdies immer erst nachträglich zum Geschehen entstehen kann. In diesem Sinne kommt jede Definition immer ‚zu spät‘ und schränkt grundlegend ein. Eine solche ‚Definition‘ bliebe hinter dem lebendigen Geschehenszusammenhang unvermeidlich um ganze Dimensionen zurück. Als wesentliches Problem der Frage, was unter „Beten“ verstanden werden kann, zeigt sich, dass stets nur ein Teil des Geschehenszusammenhangs in den Bereich des Sichtbaren und dem Intellektuellen Zugänglichen gelangt. Zudem tritt dieser Ausschnitt dem verstehenden Interesse des Menschen unvermeidlich zeitlich versetzt und nachträglich vor Augen, zu einem Zeitpunkt, da das betende Geschehen schon längst im Gange oder schon vorüber ist und der sich nunmehr als Betende erkennende Mensch auf ihm nicht bewusste Weise schon tief affiziert ist vom göttlichen Gegenüber. Kürzer gesagt: Wo der betende Mensch nach Begriffen sucht für das, was ihm widerfährt, dort ist er schon lange erfasst von dem, was in seinem Inneren die Wahrnehmung, das Denken, Fühlen und körperliche Sein angeht und schließlich bis zur manifesten Sichtbarkeit umgestaltet. Die zweite Schwierigkeit einer begrifflichen Klärung dessen, was „Beten“ meint, besteht somit darin, dass die Begriffe nur einen Ausschnitt des Ganzen zu repräsentieren vermögen, der zudem nur zeitlich versetzt als nachträgliche Systematisierung möglich ist.

      Die beschriebenen Schwierigkeiten einer Gebetsdefinition können den Blick dafür schärfen, dass bei einer beschreibenden Sichtung von Gebetsäußerungen zu keiner Zeit das Ganze des Gebets, sondern allein dessen sichtbare Wirkungen, dessen Konsequenzen auf der Außenseite ansichtig werden. Das betende Geschehen als momentan sich Vollziehendes ist somit prinzipiell stets „verhüllt“ und von der Qualität eines sich verbergend-erscheinenden Geheimnisses. Es ist streng genommen im Vollzug als Ganzes unsichtbar. Mit Blick auf Edith Stein und ihr geistliches Leben insgesamt bringt es ihre langjährige Weggefährtin und Freundin Hedwig Conrad-Martius so ins Wort: „Es ist keine leichte Aufgabe, über Edith Stein zu sprechen. Zunächst, weil es im letzten Grunde überhaupt unmöglich ist, über einen so gut wie ausschließlich religiös bestimmten Menschen zulängliche Aussagen zu machen. Das innerste Leben eines solchen Menschen liegt im Geheimnis Gottes.“245

      Dass Beten von Entzogenheit geprägt ist, das gilt zunächst für den betenden Menschen selbst, der im Vollzug des betenden Grundaktes seiner Existenz danach sucht, wie er sich selbst verstehen kann. Erst recht gilt das für Außenstehende, zumal wo diese zeitversetzt dem betenden Ereignis im Leben eines anderen Menschen nahe treten wollen. Beten zeigt sich dem Denken somit nur indirekt und zeitversetzt in den sichtbaren Formen, die dessen leib-seelische Folgen sind: es erscheint im Modus des „Vorübergegangenen“. Diese Differenz bleibt stets zu beachten, nämlich zwischen einem im Ganzen radikal entzogenen Geschehen und dessen Manifestationen im Sichtbaren. Diese Differenz zu sehen, das ist für die Erkundung des Betens im Leben der Edith Stein aufschlussreich und kann vor Fehldeutungen bewahren.

      Denn die sichtbaren Manifestationen sind einer empirischen Untersuchung und systematisierenden Deutung ihrer situierbaren Verlaufsformen umfassend zugänglich, das innere Gebetsgeschehen selbst jedoch nicht. Wo aber klar ist, dass die sichtbaren Äußerungen und das, was sich als geronnene Konsequenz des bereits geschehenden Vollzugs vernehmbar macht, nicht zu verwechseln sind mit dem persönlichen Begegnungsgeschehen in der Tiefe der menschlichen Psyche, dort öffnet sich der Blick dafür, dass ein und das selbe innerseelische Geschehen bei einem Menschen an biographisch verschiedenen Stationen höchst Unterschiedliches hervorbringen kann. Dann wäre es möglich, im geschichtlich Hochvariablen der Gebetsform und -häufigkeit ein Überdauerndes zu postulieren, das sich in je geschichtlich neuer Weise aktualisieren kann, ja sogar muss, da der Mensch sich je und je wandelt, ohne dabei an innerer Kontinuität verlieren zu müssen. Vielmehr wäre ein Wandel in der Ausdrucksform und eine Vielgestalt in jeweiligen Konkretisierungen betenden Geschehens zu werten als Moment an der Lebendigkeit des sich Zutragenden. Was sich je unterschiedlich am Beten erkennen lässt, das wäre zu verstehen als Entfaltung eines Organischen, von Gestaltwandel und Wachstum Geprägten. Vor dem Hintergrund des Gesagten wird eine dritte Annäherung an das, was mit ‚Beten‘ bedeutet wird, möglich. Diese Annäherung greift den geschichtlichen, relationalen Charakter des Gebetsgeschehens auf und entfaltet ihn als Ausdruck der Existenz des Menschen in seiner gottgegründeten und -orientierten Bezogenheit auf das Mehr- als-Menschliche im Kontext mit anderen. Beten erscheint darin als ein mit Relevanz erfülltes Geschehen, das andere ursprünglich zu berühren vermag, wo ihnen diese religiöse

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