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stärker Augustinus folgt.127 Steins Anliegen, scholastische Philosophie mit Denkwegen und Methoden der zeitgenössischen Philosophie zu erschließen und für die Gegenwart fruchtbar zu machen, trifft sich mit dem Grundanliegen Bernhard Weltes, worauf bereits hingewiesen wurde.128 Somit kann für meine Studie festgehalten werden, dass sowohl eine hohe thematische als auch methodische Affinität zwischen dem 18 Jahre jüngeren Religionsphilosophen Bernhard Welte und Edith Stein ins Auge fällt. Ein Hinweg zum Werk Steins unter Einbezug der Positionen Weltes scheint somit von der Sache her angemessen.

      Als Ertrag aus der Sichtung der zwei vorgestellten Positionen zum Ereignis des Betens ergeben sich somit mehrere Anregungen für den Umgang mit Phänomenen des Gebetes im Werk und Leben der Edith Stein. Von einem betonten Augenmerk auf die Dimensionen Zeit, Schweigen und Dialogizität war bereits die Rede. Den Gebetsvollzug in einer durch die phänomenologische Blickperspektive sensibilisierten Optik wahrzunehmen und Beten in einer davon angeregten Weise zu beschreiben, zählt ebenfalls zum Ertrag, den für die vorliegende Studie aus der Werken der Freiburger Religionsphilosophen gewonnen wurde.

      In der gegenwärtigen Edith-Stein-Forschung greifen Studien und Beiträge zur Biographie, zum literarischen Werk und zur Wirkungsgeschichte verschiedene Aspekte und Stationen ihres Lebens auf und beleuchten diese in ihrem Zusammenhang oder hinsichtlich ihrer Einzelheiten und situativ-geistesgeschichtlichen Verortung. Eine umfangreiche Literaturübersicht mit Monographien, Aufsätzen und anderen Publikationsformen jüngeren und älteren Datums seit 1942 bietet eine entsprechende Sonderausgabe des „Edith-Stein-Jahrbuchs“ von Francesco Alfieri aus dem Jahre 2012.129

      Untersuchungen, die ausdrücklich und systematisch das Thema Gebet bei Edith Stein in den Blick rücken, fehlen bisher in der Edith-Stein-Forschung. Weder eine umfassende Sichtung der einzelnen Aspekte ihres Betens noch eine zusammenschauende Betrachtung ihrer Gebetsmanifestationen liegen vor. Studien zu den geistlichen Texten unserer Autorin sind ebenfalls nicht erstellt worden. Vom Umfang her kleinere Beiträge wenden sich entweder lediglich einzelnen Aspekten des geistlichen Lebens unserer Autorin zu oder sichten das gesamte Leben Edith Steins global unter bestimmten Gesichtspunkten, die eine rückblickende Einteilung in biographische Phasen der spirituellen Entwicklung ermöglichen.

      So skizziert in knapper Form Terrence C. Wright im Jahre 2005 den Zusammenhang zwischen Steins phänomenologischem Ansatz, ihrer Sicht von Innerlichkeit in Verbindung mit der Verwobenheit hin zur äußeren, sozialen Welt und ihrem Gebetsverständnis.130 In der Thematisierung des abgeschiedenen privaten Betens, dem „solitary prayer“131, in philosophischer Perspektive und in der Erkundung des von Stein eingenommenen religionsphilosophischen Verständnisses der psychischen Struktur des Menschen liegt ein Verdienst dieses Beitrags. Wright hält fest: „For Stein prayer is one of the interior cognitive activities of the soul that makes possible its self-knowledge and fulfillment“.132 Das Gebet führt gleichermaßen nach innen und in ein relationales Verhältnis zu Gott: „Prayer, for Stein, is an activity that places us at the center of ourselves and simultaneously in relation to God.“133 Im Inneren der Seele geschieht eine Antwort auf dem Ruf Gottes: „And this response is, in ist first manifestation, prayer.“134 Eine Weitung der Perspektive auf das für Stein bedeutsame gemeinschaftliche und liturgische Gebet findet in diesem Beitrag nicht statt. Das gilt auch für eine umfassende, das Steinsche Beten in seinen vielfältigen biographischen und theologischen Bezügen systematisch erhellende Darstellung, die neben dem Gemeinschaftsaspekt des Vollzuges noch weitere zentrale Dimensionen des Betens beachtet (biblische, liturgische, frömmigkeitsgeschichtliche, geschlechtsbezogene Aspekte usw.). Das kann der Beitrag von Wright aufgrund seiner begrenzten Fragestellung nicht leisten.

      Dem Gebet bei Edith Stein widmet sich schon zwei Jahrzehnte zuvor die Darstellung von Veronika Schmitt OCD, die das Steinsche Gebet als „Lebensprozeß“ in den Blick nimmt.135 Die Karmelitin arbeitet im Jahre 1982 insgesamt sieben136 biographische Entwicklungsphasen heraus, die der Autorin schließlich retrospektiv als „Kreuzwegstationen“137 erkennbar werden. Zwischen diesen Stationen geschieht nicht nur jeweils nach außen hin eine biographische Wandlung, auch innerlich setzen sich Entwicklungsvorgänge durch. Diesen führen als „innerer Weg“138 durch Nacht- und Kreuzerfahrungen schließlich zum Licht und zur Teilhabe an der Auferstehung Jesu Christi.139 Der Beitrag dieser Studie zum Verständnis des Betens bei Edith Stein besteht darin, dass die großen Linien ihrer geistigen Existenz in knapper und prägnanter Form gezeichnet und in ihrem Fluchtpunkt der Kreuzesberufung und – nachfolge Edith Steins gebündelt dargestellt werden. Desgleichen kann die Untersuchung Schmitts dafür sensibilisieren, wie Individuationsprozesse und biographische Entwicklungen Edith Stein sukzessive in eine vertiefte geistliche Existenz führten.

      Phasen der religiös-geistlichen Entwicklung werden auch in biographischen Übersichten zum Thema, die sich in Studien von Felix Maria Schandel OCarm140 und Francisco Javier Sancho Fermín OCD141 finden. Bei Schandel geschieht dies jedoch ohne explizit auf einzelne Gebetsformen einzugehen.142 Fermín greift das Gebet Edith Steins ausdrücklich in knapper Form vor allem auf in Rahmen seiner Betrachtung über den „Karmel als konkreter Rahmen des Seinsvollzugs“143. Dort lenkt er den Blick auf die „Mystik des Alltags – Gebet, Meditation, Kontemplation“144 und die Aspekte „Arbeit der Selbstüberwindung“145, „Gemeinschaftsleben“146 und „Das Schweigen“147. Schon zuvor kommt er einschlussweise auf das Gebet zu sprechen im Rahmen seiner breiten Darstellung des Steinschen Weges „Von der Philosophie zur Mystik“.148 In der Entfaltung der historischen und der damaligen zeitgenössischen karmelitischen Tradition, in deren Rahmen die geistliche Entwicklung Edith Steins zu situieren ist, und in der Darstellung der „Grundinhalte der mystischen Philosophie“149, die Fermín mit einer Darstellung der „Karmelitischen Grundzüge der mystischen Philosophie Edith Steins“150 verbindet, liegt der Beitrag dieser Studie zur Frage nach dem Gebet bei Edith Stein. Auf den Beitrag von Maria Amata Neyer OCD151 zum geistlichen Text „Das Gebet der Kirche“ braucht an dieser Stelle der vorliegenden Studie nicht ausführlicher eingegangen werden, da dies noch im Rahmen der Besprechung des genannten geistlichen Textes geschehen wird.152 Neyer beleuchtet Einflüsse der zeitgenössischen Reformbewegungen und stellt biblische Bezüge heraus, die sich im Beitrag Steins als einem aus jüdischer Tradition und Frömmigkeit herkünftigem Menschen aufweisen lassen.

      Über die genannten Studien hinaus sind bisher drei Abhandlungen erschienen, die das geistliche Leben bei Edith Stein in systematischer Perspektive sichten und dabei dem Thema Gebet das Interesse zuwenden. Diese Beiträge illustrieren biographische oder themengeschichtliche Zusammenhänge und konturieren Schwerpunkte der Spiritualität Edith Steins. Alle drei Studien lassen instruktive Ansätze erkennen, die in der Zusammenschau wichtige Akzente am betenden Geschehen bei Edith Stein vor Augen stellen. Eine summarische Sichtung dieser Forschungszugänge soll den Ausgangspunkt markieren, von dem aus eigene methodische Überlegungen angestellt werden.

      Einen zusammenschauenden Blick auf das geistliche Leben der Edith Stein und in diesem Zusammenhang auf ihr Beten ermöglicht eine 1990 in den USA erschienene Studie von Josephine Koeppel OCD. Die Monographie trägt den Titel „Edith Stein – Philosopher and Mystic“.153 Koeppels Beitrag legt den Akzent auf die biographischen Fügungen, die Edith Stein ermöglichen, ihr religiöses Leben in allen Wechselfällen immer stärker aus der Begegnung mit dem göttlichen Gegenüber heraus zu leben. Dazu geht die Autorin aus vom geistesgeschichtlichen Hintergrund Sr. Teresia Benedictas als unbeschuhter Karmelitin und von ihrem täglichen Leben im Alltag des Klosters. Einfühlsam und differenziert dargelegte Momente von Irritation, Enttäuschung und Trauer, von Neuaufbrüchen nach Erschöpfendem in Beruf und privatem Leben werden von Josephine Koeppel rückblickend als Prozesse der Wandlung und Weitung des religiösen Verhältnisses gesehen. Dem Leser der Studie wird wiederholt die posthume Perspektive verdeutlicht, in der eine rückblickende Schau mehr und noch anderes zu sehen

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