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      Abb. 4 Stephanus auf einem Mosaik des sechsten Jahrhunderts in der Basilika S. Lorenzo fuori le mura zu Rom.

      Die spätestens seit der Verfolgung der Hellenisten beobachtbare Zweiteilung der Jerusalemer Gemeinde bringt aber nicht nur räumliche Trennung, sondern auch innerkirchliche Differenzen mit sich. Denn die geflohenen Hellenisten betreiben schon sehr bald außerhalb Palästinas eine erfolgreiche Heidenmission und vertreten dabei eine christliche Lehre und Lebenspraxis ohne Beschneidung und mosaisches Gesetz. Darauf reagieren die weiterhin jüdisch orientierten Christen mit heftigem Protest, weil sie überzeugt sind, dass die Taufe auf den Namen Jesu Beschneidung und Gesetzesgehorsam voraussetze. Als Folge dieser Unstimmigkeiten lässt sich ein Klärungsprozess erschließen, der etwa um 48/49 auf dem so genannten „Apostelkonzil“ verdichtet in Erscheinung tritt (vgl. Apg 15; Gal 2).

      Unter den dazu in Jerusalem versammelten Christen lassen sich an erster Stelle christliche Hebräer pharisäischer Prägung namhaft machen. Sie bestehen gegenüber den Heidenchristen strikt auf deren Beschneidung und auf der Einhaltung des mosaischen Gesetzes. Vor allem der Herrenbruder Jakobus, eine maßgebliche Autorität und später das Haupt der Jerusalemer Gemeinde, plädiert nachdrücklich und offensichtlich über das „Apostelkonzil“ hinaus für diese Position. Petrus spielt eine eher vermittelnde Rolle, wenn er auch später gewissen judenchristlichen Eiferern aus dem Kreis um Jakobus bisweilen nachgibt (vgl. Gal 2,11-14). Nur der jüngst bekehrte Paulus – als eifriger Heidenmissionar in die Auseinandersetzungen hineingezogen – vertritt mit Entschiedenheit die Sache der bekehrten Heiden und kann die ausschlaggebenden Autoritäten der Jerusalemer Gemeinde, die Apostel und Presbyter, von einem gesetzesfreien Heidenchristentum überzeugen. So einigt man sich darauf, dass das Christentum bei den Heiden ohne jüdische Auflagen verkündet werden dürfe, bei den Juden aber an die jüdische Gesetzespraxis gebunden bleibe. Die Einheit bleibt also gewahrt; der juden- und der heidenchristliche Weg der Christusnachfolge ist gleichermaßen anerkannt.

      BAUS (wie S. 4) 76f. (religiöse Gruppierungen im Judentum).

      BROX (wie S. 4) 12-17 (religiöse und sprachlich-kulturelle Gruppierungen im Judentum; Apostelkonzil).

       1.3 Die Lösung der Kirche von der Synagoge

      Rabbi Jochanan ben Zakkai († ca. 80 n. Chr.) gilt als der Begründer eines neuen geistigen und politischen Zentrums des Judentums in Jabne (Jamnia) bei Jaffa. Unter ihm und seinem Nachfolger Gamaliel II. († ca. 120 n. Chr.) ergreift man auf jüdischer Seite Maßnahmen, um ohne Tempel und Hohen Rat das Weiterbestehen des Volks zu sichern. So müssen sich von nun an alle nach der Überlieferung der Ältesten (Halacha) richten, nach einer bisweilen eng wirkenden Gesetzessammlung, gegen die schon Jesus polemisierte (vgl. Mk 7,8-13). Der Tempelgottesdienst wird durch das regelmäßige Beten des Schema Israel (Dtn 6,4-9;11,13-21; Num 15,37-41) und des Achtzehnbittengebets ersetzt, die Opfer durch Almosen, Beten und Leiden.

      Während anfangs zwischen Pharisäern und Christen, sofern Letztere gesetzestreu lebten, Duldsamkeit und bisweilen sogar Sympathie herrscht (vgl. Apg 15,5), wird etwa zwischen 70 und 132 in Jabne die birkat ham-mînîm des Achtzehnbittengebets, eine Fluchformel gegen religiöse Abweichler, auf auffällige Weise umformuliert. In dem Wort minim, mit dem man bisher ohne negative Konnotation die Vertreter jüdischer Sonderrichtungen bezeichnete, schwingt nun die Bedeutung häretische Abspaltung mit. Falls sich diese Sonderrichtungen fortan nicht unterwerfen, werden sie aus der Synagoge ausgestoßen und ihr Schrifttum vernichtet. In diesem Sinne betet man mit besagter Fluchformel:

      „Den Abtrünnigen sei keine Hoffnung, und das anmaßende Reich rotte schnell aus in unseren Tagen, und die Nazoräer (notsrim) und die Häretiker (minim) mögen augenblicklich zugrunde gehen. ‚Sie seien aus dem Buch des Lebens getilgt und nicht bei den Gerechten verzeichnet‘ (Ps 69,29). Gepriesen seist Du, Herr, der die Anmaßenden niederbeugt.“

      Ein Widerhall dieser Verschärfung findet sich möglicherweise in den Evangelien. Nach Mt 10,17 werden die Jünger zwar vor das Synagogengericht gebracht und durch Auspeitschung bestraft, sie verbleiben aber im Synagogenverband, freilich als Übeltäter. In Joh 12,42 heißt es dagegen, dass viele Juden an Jesus glaubten, ihren Glauben aber wegen der Pharisäer nicht offen bekannten, damit sie nicht aus der Synagoge ausgestoßen würden. Diese Nachricht passt genau zur Situation nach dem Jahr 80, weshalb Johannes hier also wohl seine Erfahrungen einfließen lässt.

      Wenn auch der Nazoräer-Zusatz der obigen Fluchformel laut der neueren Forschung wohl etwas später eingefügt wurde, so bezeugt doch bereits Justin der Märtyrer († um 165) die Verfluchung von Christen in der Synagoge. Warum grenzen sich die Juden so entschieden von den Christen ab? Ohne Zweifel vollzieht sich zwischen 70 und 135 die grundlegende Wandlung des jüdischen Volks von einem in Israel ansässigen Gottesvolk zu einer heimatlosen, ihres Tempels beraubten Nation, die nur durch die stark spiritualisierte rabbinische Religion zusammengehalten wird. Um in dieser bedrängten Situation als Volk überleben zu können, muss die ursprüngliche religiöse Vielfalt nun zugunsten einer massiven Einheitlichkeit aufgegeben werden. Das hat zur Folge, dass fortan eine sehr verengte Gesetzesauslegung gilt, die andere Richtungen nicht dulden kann, schon gar nicht die Judenchristen.

      Diese halten trotz ihrer Ausschließung aus der jüdischen Volksgemeinschaft an der Beschneidung fest und feiern weiterhin den Sabbat und die anderen jüdischen Feste, was freilich viele Heidenchristen verstimmt. So entwickeln sich die judenchristlichen Gemeinden allmählich zu einsamen, von der übrigen Christenheit isolierten Kreisen. Doch bestehen noch im 4. Jahrhundert und später kleine judenchristliche Gemeinden in Syrien. Der gelehrte, des Hebräischen kundige Kirchenvater Hieronymus († ca. 419/20) fertigte nach eigenen Angaben sogar eine lateinische Übersetzung ihres Hebräerevangeliums an, das gegenüber den kanonischen Evangelien leicht abweichende Traditionen enthält und die Stellung des Herrenbruders Jakobus besonders betont. Insgesamt geraten die Judenchristen aber immer mehr an den Rand. Die Juden können ihnen ihr Christsein nicht verzeihen und die heidenchristliche Mehrheit der Kirche akzeptiert nicht, dass sie weiterhin an den Bräuchen und Riten des Judentums festhalten. So verlieren sie immer mehr ihre zwischen Christen und Juden vermittelnde Relevanz und verschwinden allmählich aus der Geschichte.

      Das Verhältnis zwischen Christen und Juden ist aber von Anfang an ambivalent. Einerseits verbindet sie der gleiche Ein-Gott-Glaube, dieselbe Heilige Schrift und viele gemeinsame gottesdienstliche Strukturen und Gebräuche, sodass noch das im ausgehenden 1. Jahrhundert entstandene Johannesevangelium Jesus zur Samariterin sagen lässt: „Das Heil kommt von den Juden“ (Joh 4,22). Andererseits ist Jesus der Stein des Anstoßes, den die Juden verwerfen und – so lautet der Vorwurf – sogar töten. Angesichts der verheerenden Folgen dieser Anschuldigung ist es wichtig, dieses spannungsreiche Verhältnis genauer zu betrachten.

      Paulus ist stolz auf seine jüdische Herkunft (2 Kor 11,22; Gal 2,15; Phil 3,5). Für ihn ist Israel das auserwählte Volk, das berufen ist, den Messias hervorzubringen (Röm 9,3-5). Trotzdem fällt es ihm in Röm 9-11 nicht leicht, die momentane Ablehnung Jesu durch die Juden theologisch zu erklären. In 1 Thess 2,15 stellt er schließlich fest, dass die Juden Jesus und die Propheten getötet und die Christen verfolgt haben, weshalb sie „Gott missfallen und allen Menschen feind sind“.

      Doch ist diese Stelle

      1. eine Ausnahme in den paulinischen Schriften und

      2. wird ihre

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