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Das Abenteuer meiner Jugend. Gerhart Hauptmann
Читать онлайн.Название Das Abenteuer meiner Jugend
Год выпуска 0
isbn 9783962818746
Автор произведения Gerhart Hauptmann
Жанр Языкознание
Серия Klassiker bei Null Papier
Издательство Bookwire
Nicht aber das ist bei dieser jugendlichen Loslösung meiner Person vom bisherigen Schauplatz meines Lebens und Verpflanzung auf einen anderen die Hauptsache, sondern eine damit verbundene allgemeine Erfrischung, Erholung und Erneuerung.
Es war Juli, ich kam in die Erntezeit. Tagein, tagaus schwankten die hochgetürmten Erntewagen über den Hof, wurden auf die lehmgestampften Tennen gerückt und rechts und links in die Bansen abgeladen. Ununterbrochen rauschten und zischten die Garben. Hühner in ungezählten Mengen machten sich über die Weizenkörner, die ausfielen, her, und ebenso zahlreiche Flüge weißer Tauben wussten bei der Fülle des Segens allenthalben nicht, wo sie zuerst die Kröpfe füllen sollten.
Tante Julie und Onkel Gustav residierten im kleinen Herrenhaus, wo Vetter Georg und ich abends von der resoluten Gutsfrau im gemeinsamen Zimmer zu Bett gebracht und morgens wieder daraus erlöst wurden, denn zu schlafen in dieser allbeglückenden Sommerszeit war für uns keine leichte Aufgabe. Man bedenke, dass uns beiden Knaben nicht nur ein Esel, sondern auch ein Wagen mit schöngeschirrten Ziegenböcken zur Verfügung stand, – dass wir draußen auf den Stoppeln, wo die Leiterwagen mit vollen Garben beladen wurden, langsam fortrückend, auf den Pferden saßen und schließlich oben, in luftiger Höhe der Ladung, und auf ihrem bequemen Bett heimschwankten, – dass wir uns überall als Kinder des Herrenhauses wohlgelitten tummeln durften nach Herzenslust. Wir jagten uns auf den Weizenmassen der Scheunen, durch die endlosen Stallungen der Rinder und Pferde, zwischen der nach vielen Hunderten zählenden Bevölkerung der großen Schäferei herum. Wir wussten, dass unserem Kommando die ganze Jugend der Gesindehäuser jederzeit folgte, und wir genossen eine Verpflegung, die mich, verglich ich sie mit der sowohl sommerlichen als winterlichen des Elternhauses, märchenhaft anmuten musste: Sogleich nach dem Aufwachen Kaffee mit dicker Sahne, frische Milch, mit Klumpen von Butter und Honig belegtes Weizengebäck; mittags Braten, Gemüse, Kompotte in Mengen und frische Früchte, frische Salate mit saurer Sahne angemacht, Käse, Butter und selbstgebackenes Roggenbrot. Zu alledem wieder Milch, so viel man wollte. Butter, Honig, Sahne wiederum zum Nachmittagskaffee. Nun, ich darf mir den Abend ersparen, er schloss sich den übrigen Mahlzeiten würdig an.
Was war dagegen daheim selbst im Sommer die trockene Semmel und ein mühsam erkämpfter Morgenkaffee, mein mühsam erkämpftes, lieblos auf einem Teller zusammengekleckstes Mittagessen, zur Vesper mein Glas Wasser und etwas Himbeersaft, des Abends die dünnbestrichene Butterschnitte, eine Ernährungsweise, die ich, solange ich daheim war, als gottgewollt und selbstverständlich ohne alles Murren empfand.
Herrlich blüht noch heut die Erinnerung an eine solche Schlaraffenzeit, aus der ich gänzlich verändert, kerngesund und nicht ohne leises Bedauern nach Salzbrunn zurückkehrte. Zum ersten Mal empfand ich in dem ganzen Badebetrieb, inbegriffen mein Elternhaus, eine gewisse, mir eigentlich nicht entsprechende Künstlichkeit: noch konnte mir nicht zum Bewusstsein kommen, dass ich eigentlich immer von ihr fort mit unstillbarem Drang zur Natur strebte, wo sie unverbildet, ursprünglich und einfach ist.
Dreizehntes Kapitel
Motive aller Art schoben sich durcheinander und ineinander, wurde gesagt. Wer dürfte versuchen, so innig Verwirrtes zu sondern!
Neben Feldzügen und Schlachten, die ich weitläufig in leeren Zimmern unter Benützung von Fußboden, Stühlen und Tischen mit meinen Zinnsoldaten durchführte, war ich immer noch Chingachgook, ritt das windschnelle Steppenroß und hatte außerdem Hamlet, den Dänen, in meinen Wachtraum aufgenommen. Der Bühneneindruck, durch den es geschah, steht in keinem Verhältnis zu seiner unauslöschlichen Dauer.
Ich lag krank an Mumps oder sonst einer Kinderkrankheit im Zimmer Numero Sieben am Ende des Flurs. Es war Winter, in einer Zeit, wo man um vier Uhr die Kerzen anzündet. Es brannte eine an meinem Bett. Da hatten Carl und Johanna den Gedanken gefasst, mir die Zeit zu vertreiben. Sie brachten ein kleines Kistchen herein, aus dem sie allerhand Dinge herausholten. Es waren kleine Kulissen aus Pappdeckel, die einen feierlich-gotischen Raum, das Innere eines Domes, vorzauberten. Was Prinz Hamlet mit diesem Dom zu tun hatte, wusste ich nicht. Er war eben da! In schöner Rüstung, mit gelbem Haar, ausgeschnitten aus Pappdeckel, unten mit einem Klötzchen versehen. Mir von Johanna und Carl als Prinz Hamlet vorgestellt und durch ihren Mund allerlei Worte hersagend, stand er jedoch nur kurze Zeit auf dem Holzklötzchen. Dann wurde er auf zwei Puppenstühlchen gelegt und lag dort, ich weiß nicht zu welchem Zweck, eine Weile ausgestreckt.
So blieb er mir in Erinnerung. Die Antwort auf die Frage weshalb wird nie erschöpfend zu geben sein. Eine Pappfigur, ein Theaterchen, das gewiss nicht mehr als acht Groschen kostete, und doch kam das Ganze der feierlichen Grundsteinlegung eines Baues gleich, der durch siebzig Jahre gewachsen ist. Das bedeutet der frühen Jugend Innengewalt, es bedeutet Voraussicht des Unbewussten, es bedeutet Wirksamwerden der Vorsehung, es bedeutet schöpferische Entwicklung.
Mag sein, bei dem einzigen Zuschauer, der ich war, haben einige Fiebergrade mitgespielt. Es hat die nächtliche, vielleicht auch stürmische Stunde der Äquinoktialtage mitgespielt. Das ganze Haus mit den langen Fluren übereinander, seinen kalten, leeren, gespensterbewohnten Zimmern – auch Hamlets Geist erlebte ich einen Augenblick – hat mitgespielt. Die weiten, leeren, eisigen Säle mit ihren Bildern, dem Leichnam, den man vom Kreuze nimmt, haben mitgespielt. Sie waren mit Nacht gleichsam vollgestopft und haben vielleicht im Sturme gezittert. Mit Finsternis vollgestopft waren die Küchen, die Vorräume, die Büfettstube. Die verlassenen Galerien des großen Saals waren mit Finsternis vollgestopft. Durch all das seufzte vielleicht der Wind. Er fauchte, er ächzte, er krächzte und rasselte. Gegen alles das, was einem schwarzen Universum vergleichbar mich einkerkerte, kämpfte der kleine Schein eines Lichts, das ein Achtgroschentheater mit einem gotischen Dom beleuchtete, der nicht mehr als zwei Pfennige gekostet haben kann.
Aber was wurde mir dieser Dom, diese unterirdische, in die Schwärze des Nichts versenkte Kathedrale! Ich muss an Westminster Abbey denken, wenn ich einen schwächeren Abglanz davon haben will. Sie war gehüllt in schwarzes Nichts als leuchtendes Mysterium. Wo hatte man freilich bei späterem Wiedersehen mit diesem düsteren Dichterwerk die gleiche