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in Lohnig, in der ich mich au­ßer durch das pein­lich miss­ra­te­ne Flug­ex­pe­ri­ment durch al­ler­lei an­de­re Hel­den­ta­ten aus­zeich­ne­te.

      Nicht aber das ist bei die­ser ju­gend­li­chen Los­lö­sung mei­ner Per­son vom bis­he­ri­gen Schau­platz mei­nes Le­bens und Ver­pflan­zung auf einen an­de­ren die Haupt­sa­che, son­dern eine da­mit ver­bun­de­ne all­ge­mei­ne Er­fri­schung, Er­ho­lung und Er­neue­rung.

      Es war Juli, ich kam in die Ern­te­zeit. Ta­gein, tag­aus schwank­ten die hoch­ge­türm­ten Ern­te­wa­gen über den Hof, wur­den auf die lehm­ge­stampf­ten Ten­nen ge­rückt und rechts und links in die Ban­sen ab­ge­la­den. Un­un­ter­bro­chen rausch­ten und zisch­ten die Gar­ben. Hüh­ner in un­ge­zähl­ten Men­gen mach­ten sich über die Wei­zen­kör­ner, die aus­fie­len, her, und eben­so zahl­rei­che Flü­ge wei­ßer Tau­ben wuss­ten bei der Fül­le des Se­gens al­lent­hal­ben nicht, wo sie zu­erst die Kröp­fe fül­len soll­ten.

      Tan­te Ju­lie und On­kel Gu­stav re­si­dier­ten im klei­nen Her­ren­haus, wo Vet­ter Ge­org und ich abends von der re­so­lu­ten Guts­frau im ge­mein­sa­men Zim­mer zu Bett ge­bracht und mor­gens wie­der dar­aus er­löst wur­den, denn zu schla­fen in die­ser all­be­glücken­den Som­mers­zeit war für uns kei­ne leich­te Auf­ga­be. Man be­den­ke, dass uns bei­den Kna­ben nicht nur ein Esel, son­dern auch ein Wa­gen mit schön­ge­schirr­ten Zie­gen­bö­cken zur Ver­fü­gung stand, – dass wir drau­ßen auf den Stop­peln, wo die Lei­ter­wa­gen mit vol­len Gar­ben be­la­den wur­den, lang­sam fort­rückend, auf den Pfer­den sa­ßen und schließ­lich oben, in luf­ti­ger Höhe der La­dung, und auf ih­rem be­que­men Bett heim­schwank­ten, – dass wir uns über­all als Kin­der des Her­ren­hau­ses wohl­ge­lit­ten tum­meln durf­ten nach Her­zens­lust. Wir jag­ten uns auf den Wei­zen­mas­sen der Scheu­nen, durch die end­lo­sen Stal­lun­gen der Rin­der und Pfer­de, zwi­schen der nach vie­len Hun­der­ten zäh­len­den Be­völ­ke­rung der großen Schä­fe­rei her­um. Wir wuss­ten, dass un­se­rem Kom­man­do die gan­ze Ju­gend der Ge­sin­de­häu­ser je­der­zeit folg­te, und wir ge­nos­sen eine Ver­pfle­gung, die mich, ver­glich ich sie mit der so­wohl som­mer­li­chen als win­ter­li­chen des El­tern­hau­ses, mär­chen­haft an­mu­ten muss­te: So­gleich nach dem Auf­wa­chen Kaf­fee mit di­cker Sah­ne, fri­sche Milch, mit Klum­pen von But­ter und Ho­nig be­leg­tes Wei­zen­ge­bäck; mit­tags Bra­ten, Ge­mü­se, Kom­pot­te in Men­gen und fri­sche Früch­te, fri­sche Sala­te mit sau­rer Sah­ne an­ge­macht, Käse, But­ter und selbst­ge­ba­cke­nes Rog­gen­brot. Zu al­le­dem wie­der Milch, so viel man woll­te. But­ter, Ho­nig, Sah­ne wie­der­um zum Nach­mit­tags­kaf­fee. Nun, ich darf mir den Abend er­spa­ren, er schloss sich den üb­ri­gen Mahl­zei­ten wür­dig an.

      Was war da­ge­gen da­heim selbst im Som­mer die tro­ckene Sem­mel und ein müh­sam er­kämpf­ter Mor­gen­kaf­fee, mein müh­sam er­kämpf­tes, lieb­los auf ei­nem Tel­ler zu­sam­men­ge­klecks­tes Mit­ta­ges­sen, zur Ve­s­per mein Glas Was­ser und et­was Him­beer­saft, des Abends die dünn­be­stri­che­ne But­ter­schnit­te, eine Er­näh­rungs­wei­se, die ich, so­lan­ge ich da­heim war, als gott­ge­wollt und selbst­ver­ständ­lich ohne al­les Mur­ren emp­fand.

      Herr­lich blüht noch heut die Erin­ne­rung an eine sol­che Schla­raf­fen­zeit, aus der ich gänz­lich ver­än­dert, kern­ge­sund und nicht ohne lei­ses Be­dau­ern nach Salz­brunn zu­rück­kehr­te. Zum ers­ten Mal emp­fand ich in dem gan­zen Ba­de­be­trieb, in­be­grif­fen mein El­tern­haus, eine ge­wis­se, mir ei­gent­lich nicht ent­spre­chen­de Künst­lich­keit: noch konn­te mir nicht zum Be­wusst­sein kom­men, dass ich ei­gent­lich im­mer von ihr fort mit un­still­ba­rem Drang zur Na­tur streb­te, wo sie un­ver­bil­det, ur­sprüng­lich und ein­fach ist.

      Mo­ti­ve al­ler Art scho­ben sich durch­ein­an­der und in­ein­an­der, wur­de ge­sagt. Wer dürf­te ver­su­chen, so in­nig Ver­wirr­tes zu son­dern!

      Ne­ben Feld­zü­gen und Schlach­ten, die ich weit­läu­fig in lee­ren Zim­mern un­ter Benüt­zung von Fuß­bo­den, Stüh­len und Ti­schen mit mei­nen Zinn­sol­da­ten durch­führ­te, war ich im­mer noch Ching­ach­gook, ritt das wind­schnel­le Step­pen­roß und hat­te au­ßer­dem Ham­let, den Dä­nen, in mei­nen Wachtraum auf­ge­nom­men. Der Büh­nen­ein­druck, durch den es ge­sch­ah, steht in kei­nem Ver­hält­nis zu sei­ner un­aus­lösch­li­chen Dau­er.

      Ich lag krank an Mumps oder sonst ei­ner Kin­der­krank­heit im Zim­mer Nu­me­ro Sie­ben am Ende des Flurs. Es war Win­ter, in ei­ner Zeit, wo man um vier Uhr die Ker­zen an­zün­det. Es brann­te eine an mei­nem Bett. Da hat­ten Carl und Jo­han­na den Ge­dan­ken ge­fasst, mir die Zeit zu ver­trei­ben. Sie brach­ten ein klei­nes Kist­chen her­ein, aus dem sie al­ler­hand Din­ge her­aus­hol­ten. Es wa­ren klei­ne Ku­lis­sen aus Papp­de­ckel, die einen fei­er­lich-go­ti­schen Raum, das In­ne­re ei­nes Do­mes, vor­zau­ber­ten. Was Prinz Ham­let mit die­sem Dom zu tun hat­te, wuss­te ich nicht. Er war eben da! In schö­ner Rüs­tung, mit gel­bem Haar, aus­ge­schnit­ten aus Papp­de­ckel, un­ten mit ei­nem Klötz­chen ver­se­hen. Mir von Jo­han­na und Carl als Prinz Ham­let vor­ge­stellt und durch ih­ren Mund al­ler­lei Wor­te her­sa­gend, stand er je­doch nur kur­ze Zeit auf dem Holz­klötz­chen. Dann wur­de er auf zwei Pup­pen­stühl­chen ge­legt und lag dort, ich weiß nicht zu wel­chem Zweck, eine Wei­le aus­ge­streckt.

      So blieb er mir in Erin­ne­rung. Die Ant­wort auf die Fra­ge wes­halb wird nie er­schöp­fend zu ge­ben sein. Eine Papp­fi­gur, ein Thea­ter­chen, das ge­wiss nicht mehr als acht Gro­schen kos­te­te, und doch kam das Gan­ze der fei­er­li­chen Grund­stein­le­gung ei­nes Bau­es gleich, der durch sieb­zig Jah­re ge­wach­sen ist. Das be­deu­tet der frü­hen Ju­gend In­nen­ge­walt, es be­deu­tet Voraus­sicht des Un­be­wuss­ten, es be­deu­tet Wirk­sam­wer­den der Vor­se­hung, es be­deu­tet schöp­fe­ri­sche Ent­wick­lung.

      Mag sein, bei dem ein­zi­gen Zuschau­er, der ich war, ha­ben ei­ni­ge Fie­ber­gra­de mit­ge­spielt. Es hat die nächt­li­che, viel­leicht auch stür­mi­sche Stun­de der Äqui­nok­ti­al­ta­ge mit­ge­spielt. Das gan­ze Haus mit den lan­gen Flu­ren über­ein­an­der, sei­nen kal­ten, lee­ren, ge­spens­ter­be­wohn­ten Zim­mern – auch Ham­lets Geist er­leb­te ich einen Au­gen­blick – hat mit­ge­spielt. Die wei­ten, lee­ren, ei­si­gen Säle mit ih­ren Bil­dern, dem Leich­nam, den man vom Kreu­ze nimmt, ha­ben mit­ge­spielt. Sie wa­ren mit Nacht gleich­sam voll­ge­stopft und ha­ben viel­leicht im Stur­me ge­zit­tert. Mit Fins­ter­nis voll­ge­stopft wa­ren die Kü­chen, die Vor­räu­me, die Bü­fett­stu­be. Die ver­las­se­nen Ga­le­ri­en des großen Saals wa­ren mit Fins­ter­nis voll­ge­stopft. Durch all das seufz­te viel­leicht der Wind. Er fauch­te, er ächz­te, er krächz­te und ras­sel­te. Ge­gen al­les das, was ei­nem schwar­zen Uni­ver­sum ver­gleich­bar mich ein­ker­ker­te, kämpf­te der klei­ne Schein ei­nes Lichts, das ein Acht­gro­schen­thea­ter mit ei­nem go­ti­schen Dom be­leuch­te­te, der nicht mehr als zwei Pfen­ni­ge ge­kos­tet ha­ben kann.

      Aber was wur­de mir die­ser Dom, die­se un­ter­ir­di­sche, in die Schwär­ze des Nichts ver­senk­te Ka­the­dra­le! Ich muss an West­mins­ter Ab­bey den­ken, wenn ich einen schwä­che­ren Ab­glanz da­von ha­ben will. Sie war gehüllt in schwar­zes Nichts als leuch­ten­des Mys­te­ri­um. Wo hat­te man frei­lich bei spä­te­rem Wie­der­se­hen mit die­sem düs­te­ren Dich­ter­werk die glei­che

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