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Das Abenteuer meiner Jugend. Gerhart Hauptmann
Читать онлайн.Название Das Abenteuer meiner Jugend
Год выпуска 0
isbn 9783962818746
Автор произведения Gerhart Hauptmann
Жанр Языкознание
Серия Klassiker bei Null Papier
Издательство Bookwire
Welche Atmosphäre von schlichtem Mut, Opferbereitschaft in jedem Augenblick, ernstem Willen zur Verantwortung umwitterte diesen Mann, über den ich von Stund an immer wieder nachdenken musste.
Der respektvollen Art meines Vaters diesem Manne gegenüber konnte ich anmerken, dass er ähnlich wie ich zu ihm stand.
1 Zwicker, Brille ohne Bügel <<<
2 (Lat.) notgedrungen, wohl oder übel <<<
3 Kerngehäuse <<<
Fünfzehntes Kapitel
Mein Vater war Jäger, hatte selbst eine Jagd gepachtet und wurde vielfach, so auch von der fürstlich-plessischen Jägerei, zu Jagden geladen. Seine Heldentaten, die ich ihn selbst nicht erzählen hörte, belebten immer aufs neue den Familienstolz. Eine Doublette in Hirschen, die er bei einet Verlappjagd in den Görbersdorfer Bergen, dem Revier Onkel Adolfs, im wahren Sinne des Wortes erzielt hatte, war der Höhepunkt. Dann kam ein erlegtes Hermelin, in der Nähe von Salzbrunn als Wunder empfunden. Mein Vater hatte geglaubt, ein Stück Papier zu sehen, das der Wind bald so, bald so hin und her bewegte. Eigentlich mehr aus Schießlust hielt er mit der Doppelflinte darauf, worauf der Papierfetzen seine Tänze einstellte. Was er aufnahm und als Trophäe heimbrachte, war, wie gesagt, ein Hermelin.
Zufällig eines Nachts war ich wach, als mein Vater sich für den Pirschgang zurechtmachte. Als er mit seinen Verrichtungen fertig war, zog es ihn in seiner vollen winterlichen Vermummung zum Abschied noch einmal an mein Bett, und er wollte mir zärtlich mit den Fingern durchs Haar fahren. Beim Dämmer des Nachtlichtchens aber geriet unversehens ein Finger mit heftigem Stoß in mein linkes Auge. Die Funken stoben aus meinen Wimpern.
Ich habe meinen Vater kaum je lieber gehabt als in diesem Augenblick. Noch größeren Schmerz hätte ich auf mich genommen, wenn ich den seinen und seinen Schreck damit hätte zu mildern vermocht. Er legte sogleich alle Jagdutensilien ab, und er und die Mutter machten mir nasse Umschläge. Erst als der Schmerz sich beruhigte und mein Auge sich als unbeschädigt erwiesen hatte, trat er, und zwar nur auf Zureden meiner Mutter, den Pirschgang doch noch an.
Ein ähnlicher Vorfall hat, wie ich fürchte, eine kleine Folge zurückgelassen. Eines Tages im Herbst erlaubte mein Vater mir, ihn zu begleiten, als er mit der Flinte ein wenig das Gelände absuchen wollte. Ich war erstaunt, wie er ohne Weg und Steg in jeder gewünschten Richtung über die Felder von Hinz und Kunz mit mir stapfen durfte. Ein Dutzend Schritte abseits von ihm, hörte ich ihn dann das Kommando »Duck dich!« rufen. Ich tat es, wobei ich das rechte Ohr nach oben wendete. An diesem ging sein Schuss, der leider den Hasen, auf den er zielte, fehlte, ich weiß nicht in welcher Entfernung vorbei.
Ob ich glaubte, getroffen zu sein? Das Ohr war jedenfalls taub geworden. Mein Vater muss keinen geringen Schreck gehabt haben, denn meine Benommenheit, die man auf alle mögliche Weise deuten konnte, dauerte eine lange Zeit. Selbst die schlimmste Vermutung war nicht ganz von der Hand zu weisen, nämlich dass mir ein Schrotkorn irgendwo eingedrungen sei.
*
Ein Rätsel ist mir bis heut meines Vaters pädagogische Fähigkeit. Hätte er sie mir regelmäßig und dauernd zugewendet, die Anfangsgründe meiner Bildung wären solider ausgefallen. So lehrte er mich zum Beispiel durch eine kurze, einleuchtende Erörterung die Zeit von der Uhr ablesen, und so fort.
Eines Tages war ich verzweifelt, weil ich als der Kleinste eine Schlittenpartie zu Onkel Adolf nach Görbersdorf wieder einmal nicht mitmachen sollte. Ich ließ mich empört über diese Zurücksetzung und überhaupt meine Lage als Jüngster aus. »Gerhart«, sagte mein Vater, »sei ruhig, wir wollen uns schon amüsieren auf unsere Art!«
Worin bestand dieses Amüsement?
Wir saßen ein Stündchen in der Vier, und am Ende eines Geplauders, das mir Aufmerksamkeit und Spannung abnötigte, sagte ich Schillers Ballade »Der Taucher« von Anfang bis Ende her und habe sie bis heut im Kopfe behalten.
*
Mein Vater schätzte Freimut als eine hohe menschliche Eigenschaft. Wenn das Eingeständnis einer Verfehlung aus Liebe zur Wahrheit geschah, konnte es die Schuld in seinen Augen aufheben. Von Beispielen solcher Handlungen brachte er immer dieses oder jenes vor, wenn er im gleichen Sinn auf uns einwirken wollte.
Groß war der Respekt, den mein Vater als Leiter des Gasthofs bei den Angestellten genoss, man darf sogar von der Furcht des Herrn reden, die überall von Kutscherstube zu Küche, von dort zu den Sälen und Zimmern vorhanden war. Hielt er seinen Nachmittagsschlaf, so trat eine Atempause ein. Aber alles war sogleich elektrisiert bei dem energischen Klingelzeichen aus seinem Zimmer, das sein Wiedererwachtsein ankündigte.
Seine Reserviertheit war den meisten Hotelgästen unheimlich. In der Tat besaß er nichts von der so vielen Gasthofbesitzern eigenen liebenswürdig-unterwürfigen Wesenheit, sondern trat selbst den Salzbrunn besuchenden hohen Persönlichkeiten nicht anders als gleich und gleich gegenüber.
Da mein Vater lange Zeit der einzige Sohn des Großvaters Hauptmann, eines vermögenden Mannes, gewesen ist, der mit Vorliebe alles an