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befassen, und dies das ganze Leben hindurch. Diese bevorzugten Kata sind die Tokui kata, die Lieblingskata des Karateka. Es geht nicht darum, alles über alle Kata zu erfahren – was zudem eine unmöglich zu lösende Aufgabe wäre. Es ist schon eine große Herausforderung und ehrgeizig genug, über eine einzige wichtige Sache alles herausfinden zu wollen. Je enger eine Tür erscheint, desto mehr wird man sich mühen, einzudringen.

      Meister Mabuni Kenwa, der Gründer des Shitô-ryû, schrieb, daß es drei wesentliche Punkte bei einer Kata gibt: die vollendete Art der Ausführung, die beständige Kontrolle der Atmung und die Beherrschung des Schwerpunktes – zu all diesem sollte das innere Empfinden hinzukommen.

      Auf jeden Fall muß man den Atem und die Bewegung miteinander in Einklang bringen. Eine schlechte Koordination führt schnell zu wachsender Erschöpfung, man wird schwächer, langsamer und verliert schließlich die Kontrolle über die Gefühle, die einen bei einem Kampf überkommen können – Angst, Wut, instinktive Reaktionen – und die, indem sie sich auf den Herzrhythmus auswirken, die eigene Handlung stören. Die Atmung ist offensichtlich mit dem der Kata innewohnenden Rhythmus verbunden, oder sie richtet sich nach persönlichen Auslegungen. Darüber in einem Buch zu sprechen ist schwierig, aber dennoch sollen hier einige Ratschläge mit Bezug auf bestimmte Atemphasen erteilt werden, doch diese sind keineswegs immer zwingend. Vieles ist möglich, doch alles hängt dabei vom Niveau des Praktizierenden ab.

      Die erste Stufe besteht darin, daß jedesmal, wenn man eine Technik ausführt, kurz ausgeatmet wird, sei es bei der Verteidigung oder beim Angriff (Kime12). Dabei verharrt man kurz, was die Muskelkontraktion erleichtert. Am Beginn der Bewegung atmet man hingegen ein, was Entspannung und Schnelligkeit befördert. Doch auf einer fortgeschritteneren Stufe kann es interessant sein, genau das Gegenteil davon zu tun. Dies ist jedoch Bestandteil jener »Schlüssel für das Verständnis«, von denen weiter oben die Rede war. Eine leichter zu bewältigende Zwischenstufe kann darin bestehen, daß man bei einer Blocktechnik einatmet, so daß man sich dabei gewissermaßen ausdehnt, und bei einer Angriffstechnik ausatmet, wodurch man die Fokussierung der Kräfte begünstigt. Dennoch muß man zunächst mehrere Jahre lang auf der ersten Stufe verweilen, da diese den Vorteil hat, daß jede Bewegung durch den Atem verstärkt wird, indem das Kime erleichtert wird. Je nach dem Rhythmus und dem Umfang einer Technik gibt es fünf grundlegende Arten zu atmen:

       a) Bei normalem Atem, ohne Unterbrechungen ( Jusoku )

      1) Langes Einatmen – langes Ausatmen

      2) Langes Einatmen – kurzes Ausatmen

      3) Kurzes Einatmen – langes Ausatmen

      4) Kurzes Einatmen – kurzes Ausatmen

       b) Atmung mit Luftanhalten ( Taisoku )

      5) Einatmen – Luft anhalten (Kontraktion) – Ausatmen; oder: Ausatmen – Luft anhalten (Kontraktion) – Einatmen

      Es ist auch möglich, an verschiedenen Stellen der Kata »stoßweise« ein- oder auszuatmen. Man atmet stets durch die Nase ein, wobei der Mund geschlossen ist, und durch den halb offenen Mund aus. Die Atmung muß eine tiefe, aus dem Hara13 kommende Bauchatmung sein.

      Manche Kata können von Shigin begleitet werden, d. h., man rezitiert japanische Gedichte oder singt sie – letzteres vor allem bei den Atemkata des Gôjû-ryû, wie z. B. Sanchin oder Tenshô. Das hat keine künstlerische Bedeutung sondern soll bestimmte Muskelkontraktionen erleichtern, indem man auf diese Weise besser die Atmung kontrolliert. Der Kiai14 muß auf sehr natürliche Weise erfolgen, wenn die Atmung richtig ist.

      Jede Kata wird entlang bestimmter Grundlinien ausgeführt, Embusen genannt. Zudem hat sie einen zentralen Punkt, das Kiten. Genau genommen sollte jede Kata mit dem Gesicht nach Norden beginnen und enden, was auch für die Taolu des Wushu oder für das Taijiquan gilt. Doch dies wird heute nur noch sehr selten berücksichtigt, bzw. ist sogar in Vergessenheit geraten. Die Verbindung der Kata mit den vier Himmelsrichtungen und damit dem Universum erinnert an die ursprüngliche Absicht, die Bewegungen in Zusammenhang mit einem Regenerationszyklus kosmischer Kräfte zu bringen. Der Ursprung dieser Herangehensweise stammt aus China. Im modernen Karate ist man sich dessen nicht mehr bewußt.

      Generell ist auch der Anfangsort der Kata derselbe, an dem die Kata endet. Man berücksichtige, daß der Karateka hier mit Blick zum Shômen steht. Hierauf werden sich auch die Beschreibungen der Bewegungsabläufe auf den folgenden Seiten beziehen.

      Es geht darum, beim Ausüben einer Kata unaufhörlich das Gefühl zu haben, sich im Kampf zu befinden. Man muß versuchen, jeden Abschnitt der Kata zu verstehen. Es gibt eine ständige Wechselbeziehung zwischen dem inneren Verstehen einer Kata und der Meisterung ihrer äußeren Form. Jede Bewegung, jeder Rhythmuswechsel, jeder Stop erklärt sich aus dem Gesamtzusammenhang und tritt genau im richtigen Moment auf. Man muß den Rhythmus der Kata suchen und respektieren, sei er langsam oder schnell. Dies gestattet einem, den »Augenblick am Schopf zu fassen«, den Gegner zu übertrumpfen. Es gibt keine Stillstandzeiten. Selbst, wenn einem die Kata einen Augenblick des Innehaltens auferlegt, muß man dabei einen wachen und aufmerksamen Geist (Zanshin15) bewahren. Hinter jedem ausgeführten Schlag steht immer der Geist, der ihn beabsichtigt. Man sagt, daß sich der Geist zu Beginn »in allen vier Ecken« befindet – unfokussiert, aber bereit, in jeder Richtung einzugreifen. Doch mit der ersten Bewegung der Kata richtet er sich durch den ersten Gegner hindurch aus, ohne aber vollständig die Aufmerksamkeit aus den anderen Richtungen abzuziehen. Am Ende der Kata verweilt der Geist noch ein wenig beim letzten, besiegten Gegner, bevor er sich entspannt. Die Bewegungsfolgen müssen von ein und derselben Empfindung durchdrungen sein: Angreifen, kontern, blocken – alles erfolgt mit dem Gefühl, den Gegner zu umwickeln, sich an ihn zu heften, bis zum Ende, und ihn allein durch den Geist zu besiegen. Zumindest sollte man nicht an die Technik, die man gerade ausführt, denken, sondern an jene, die folgen (könnten). Durchlebt man eine Kata auf diese Weise, geht es in erster Linie um den Kampfgeist und erst in zweiter Linie um die Einzelheiten der Positionen. Der Blick ist scharf, flink und entschlossen und in Richtung der Handlung ausgerichtet. Er begleitet die Aktionen unaufhörlich, nimmt sie oftmals voraus und wird niemals gesenkt, auch nicht, während man sich umwendet. Das Gesichtsfeld muß so weit wie möglich sein. Dies erreicht man, indem man keinen bestimmten Punkt fixiert. Der Blick ist sozusagen »auf ein weit entferntes Gebirge« gerichtet; man sieht durch den Gegner »hindurch« (Enzan no metsuke)16 .

      Die Bewegungen werden, wo dies erforderlich ist, mit maximaler Energie und Schnelligkeit ausgeführt. Bei jedem Aufschlag erfolgt ein Kime. Andere Sequenzen werden langsam und voll Konzentration geübt. Man macht schnelle Schritte, doch ohne zu hasten. Die Hüften sind abgesenkt, die Region des Hara ist angespannt. Der Mund ist geschlossen, das Kinn zurückgezogen, das Gesicht sollte nicht verzerrt sein. Der Körper wird als eine stabile Einheit bewegt, als ein Ganzes und ohne daß die Ortsveränderung zuvor signalisiert wird. Jede Kata beinhaltet mindestens ein oder zwei Techniken, die von einem Kiai begleitet werden. Nach dem Kiai verharrt man ein bis zwei Sekunden an seinem Ort, als würde man den Stoß geistig unterstützen. Dabei soll man für einen Augenblick »vom Ki, der Lebensenergie, erfüllt sein«.

      Bei allem darf nicht vergessen werden, daß man sich mit den jeweiligen Grundtechniken des Stils, dem die Kata entstammt, vertraut machen muß.

      Es gibt Punkte, die sowohl bei der Ausführung von Grundtechniken als auch von Kata unbedingt zu berücksichtigen sind, und es gibt Aspekte, die eher von sekundärer Bedeutung sind oder gänzlich

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