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um den Zellkern herum gruppiert ist, verdoppelt werden. Dann muss die Zellteilung akkurat und vollständig vonstatten gehen, so dass wirklich zwei neue Zellen entstehen. Diese Zellteilungen finden nicht nur in der Embryonalentwicklung statt, sondern ständig auch im ausgewachsenen Organismus. In jeder Sekunde werden Milliarden Zellen neu produziert, sie werden aufgebaut, abgebaut, umgebaut. Bei all diesen Verdoppelungs-, Abschreibe- und Teilungsprozessen können Fehler passieren. Diese Fehler werden im Organismus aber repariert oder aber die Zellen werden ausgesondert, wenn die Reparatur nicht gelingt (Apoptose). Der Organismus hat eine Vielzahl von „checkpoints“, an denen jede Zelle, bevor sie in den Kreislauf gelangt, auf ihre Funktionstüchtigkeit hin untersucht wird.

      Bei der milliardenfachen Anzahl diese Zellteilungen und Vermehrungsschritte ist es nicht verwunderlich (eher sogar wahrscheinlich), dass einmal einer dieser Schritte nicht funktioniert und der Fehler nicht repariert wird. Es können genetische Veränderungen eintreten, Mutationen auf den Chromosomen stattfinden oder Chromosomen falsch verteilt werden. Wenn zum Beispiel ein Chromosom in der Zelle zuviel ist, entstehen Schäden beim Embryo. Die bekannteste Krankheit ist die Trisomie 21, bei der das Chromosom 21 dreimal vorhanden ist (Down Syndrom).

      Hat der Embryo einen genetischen Schaden, kann dieser zu einer Krankheit führen, muss aber nicht. Das hängt mit dem physiologischen Mechanismus zusammen, dass Gene aktiviert und inaktiviert werden müssen. Nur aktivierte kranke Gene führen zu einer Krankheit. Wird ein geschädigtes Gen nicht aktiviert, entsteht auch keine Krankheit. Bei der Vielzahl der milliardenfachen Zellteilungsprozesse sind Abschreibefehler statistisch gesehen viel wahrscheinlicher als das Gelingen dieser Prozesse. All diese Mechanismen laufen „von selbst“ und nahezu selbstverständlich ab, aber selbstverständlich sind sie gerade wegen der hohen Fehlerwahrscheinlichkeit nicht. Es sterben auch immer wieder Embryonen ab.

      Ab dem Achtzellstadium beginnen sich die Zellen in die etwa zweihundertzwanzig verschiedenen Zelltypen zu differenzieren. Diese Differenzierung geschieht ebenfalls dadurch, dass einzelne Gene ab- und andere angeschaltet werden. Jede Zelle enthält dieselben etwa dreißigtausend Gene (Ausnahme Same und Eizelle und einige andere Zelltypen). Durch das Abschalten einzelner Gene entstehen die verschiedenen Zelltypen. Man nennt diesen Prozess Methylierung (da Methylgruppen an die Gene angeheftet werden) oder auch Imprinting, da jeder Zelltyp seinen individuellen Fingerabdruck bekommt. Es ist etwa so wie bei einer Flöte, bei der unterschiedliche Töne herauskommen, je nachdem welche Löcher offen oder geschlossen sind. Da die Zellen alle dieselbe Grundinformation haben und lediglich in den unterschiedlichen Zelltypen je anders geschaltet sind, können womöglich geschädigte Zellen durch andere Zellen von einem ursprünglich anderen Zelltypus ersetzt werden. Sie können womöglich umprogrammiert werden.

      Ein Zelltyp ist bei dieser Zelldifferenzierung ganz eigenartig: er fängt irgendwann einmal an zu zucken. Diese Kontraktionen vollzieht er dann siebzig Mal in der Minute und dies oft siebzig oder achtzig Jahre lang. Es sind dies die Herzzellen. Diese Zellen kontrahieren sich von selbst, das Herz schlägt von selbst, niemand weiß genau warum, selbst wenn man die physiologischen Mechanismen kennt. Wenn es nicht mehr schlägt, kann die Medizin es nach einem Herzstillstand manchmal wieder zum Schlagen bringen. Man nennt diesen Vorgang eine re-anima-tion, was wörtlich bedeutet: die Seele zurückgeben. Dem Organismus wird im übertragenen Sinn die Seele im Sinne der Lebenskraft zurückgegeben, indem das Herz wieder anfängt zu schlagen. Dann aber muss es wieder von selbst schlagen, machen kann der Mensch den Herzschlag nicht. Auch dies ist ein „Von selbst“, etwas vermeintlich Selbstverständliches. Aber selbstverständlich ist es nicht. Bei der millionenfachen Schlagzahl des Herzens ist die Wahrscheinlichkeit, dass es zwischendurch einmal aufhört zu schlagen, sehr viel größer.

      Um den dritten Monat herum sind die Organe und das Gehirn angelegt. Jetzt finden kaum noch Zelldifferenzierungen statt, sondern der Embryo, der ab jetzt Fetus genannt wird, wächst nur noch heran. Das erste Sinnesorgan, das sich entwickelt, ist das Ohr. Der Embryo beginnt zu hören und nimmt den Rhythmus des Herzschlages der Mutter wahr. Die Wahrnehmung des jungen Menschen beginnt also mit der Wahrnehmung eines Rhythmus’. Spätestens jetzt (wahrscheinlich schon früher) beginnt auch der emotionale Dialog mit der Mutter. Der Fetus wird in ihren Rhythmus mit hineingenommen, die pränatale Psychologie weiß einiges davon. Hier werden erste Weichen für die weitere Biographie des Menschen gestellt.

      Dass die Zelldifferenzierungen durch die erwähnten Abschaltmechanismen geschehen, bedeutet, dass die Information für den Organismus nicht allein in den Genen liegt, sondern verteilt ist auf die genetische Grundinformation und die epigenetische Schaltinformation aus der Umgebung (Epigenetik). Diese die Gene an- und abschaltenden Faktoren sind zum Teil bekannt, zum Teil noch unbekannt. Sie liegen auf den Chromosomen in den Bereichen zwischen den Genen (diese Abschnitte hat man bisher für billiges Zeug gehalten, cheap junk), sie liegen im Zytoplasma der Zellen, sie bestehen in der Interaktion zwischen den Genen selbst und den Genen mit den Proteinen. Im erwachsenen Organismus reichen diese Interaktionen bis zum Nervensystem und zum menschlichen Gehirn.„Auch das Gehirn … nimmt direkten Einfluß darauf, welche Gene einer Zelle aktiviert und welche Funktionen von der Zelle infolgedessen ausgeführt werden.“18 Die Information liegt aber nicht nur in den Genen (DNS, Desoxyribonucleinsäure) und ihrer Umgebung, sondern vor allem auch in der Ribonucleinsäure (RNS).„Information und Stoffwechsel. Die zwei wichtigsten Eigenschaften des Lebens. Beide in einem Molekül“19, nämlich der RNS.

      Es findet also eine ständige Wechselwirkung statt zwischen den Genen, zwischen Genen und Proteinen, zwischen Genen und ihrer Umgebung, zwischen DNS und RNS, zwischen den Zellen sowie der Umgebung der Zellen, zwischen dem ganzen Organismus und den Zellen, den Genen und Proteinen sowie der Umgebung des Organismus. Auch die soziale Umwelt, die Ernährung und die Innenwelt des Menschen mit seinem Denken und Fühlen haben Einfluss auf diese genetischen Interaktionen. In der Embryonalentwicklung wird das Genom durch diese ständigen Interaktionen erst langsam geformt und dabei müssen die genetische Grundinformation und die epigenetische Schaltinformationen genau aufeinander abgestimmt sein, damit die Zelldifferenzierung beim Embryo geordnet abläuft. Verläuft sie ungeordnet, entstehen Missbildungen. Eine solche ungeordnete Zelldifferenzierung findet zum Beispiel statt, wenn man aus einem fünf Tage alten Embryo Zellen entnimmt und diese Zellen zu embryonalen Stammzellen verwandelt, um sie zu therapeutischen Zwecken beispielsweise bei Patienten mit Parkinson, Diabetes, Krebs, Alzheimer zu verwenden.

      Transplantiert man diese jungen fünf Tage alten Zellen in den anderen Organismus des Patienten, dann bleibt zwar die genetische Grundinformation zur Zelldifferenzierung bestehen, aber diese „Aufforderung“ zur Zelldifferenzierung läuft jetzt wegen der anderen Umgebung im Patienten („Schaltinformation“) ungeordnet ab. Und eine ungeordnete Zelldifferenzierung ist das, was man als Krebs bezeichnet. Daher haben bisher seit zehn Jahren alle Therapieversuche (weltweit) mit diesen jungen und unreifen Zellen, die man embryonale Stammzellen nennt, zu Krebserkrankungen geführt.

      Schon auf dieser rein physiologischen Zellebene sieht man, dass die Information im Organismus nicht eindimensional starr festgelegt ist, sondern sich als ein ständiges Wechselwirkungs- und Interaktionsgeschehen darstellt zwischen genetischer Grundinformation und epigenetischer Schaltinformation. Das Genom des Menschen scheint sich in der Embryonalentwicklung erst langsam zu formen, es liegt nicht starr fest, sondern wird erst langsam Gestalt. Dabei spielt offensichtlich das Verhältnis zur Mutter und später auch zum Vater eine wesentliche Rolle. Die drei entscheidenden Phasen dieser Formung sind offensichtlich die pränatale Phase im Mutterleib, die Geburtsphase und die Pubertät.20

      Interessant ist, dass in der Embryonalentwicklung viele „Aktivitäten“ bereits vom Embryo ausgehen. Sie reichen von der schon erwähnten Hormonausschüttung zur Verhinderung der Abstoßung bis hin zum langsamen Sich-Eingraben des Embryos in die Gebärmutter (zwischen 6. und 14. Tag) sowie der Ausbildung der Nabelschnur und der Geburtseinleitung durch den Fetus. Er gibt die Signale zum Beginn der Geburt. Daher sind frühzeitig eingeleitete Geburten und Kaiserschnitte (wenn sie nicht absolut notwendig sind) nicht das Mittel der Wahl, da der Fetus noch nicht zur Geburt reif ist und eine vorgezogene Geburt Stress bei ihm auslöst.

      So ist der Entwicklungsprozess von der Zygote bis hin zum geborenen Kind eine Einbahnstraße. Der Organismus entsteht durch die Verschmelzung von Samen und Eizelle, er wächst, wird Gestalt und muss geboren werden.

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