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Zukunft nicht. Es kann sein, dass es morgen keine Zukunft mehr gibt. Wenn es sie aber gibt und die Welt nicht untergeht, kann er im Rahmen seiner Vorgegebenheiten anfanghaft etwas Selbstursprüngliches setzen, er ist nicht nur Spielball fremder Mächte.8

      Das Leben beginnt ganz still und unscheinbar: ein menschlicher Same und eine Eizelle vereinigen sich zur Zygote, dann geht alles wie von selbst, zwei Zellen, vier, acht. Es ist ein neues Leben entstanden. Dieses neu entstandene Leben ist einmalig, vor ihm war noch nie eines so und nach ihm wird keines mehr so sein. Es ist es sogar in seiner genetischen Ausstattung, auch aufgrund der epigenetischen Faktoren. Daher unterscheiden sich auch eineiige Zwillinge. Dieses neue Leben hat ein Geschlecht, es ist lebendig, es ist ein Menschenleben und keine Sache. Es weiß nichts von seiner Existenz und wurde auch nicht gefragt, ob es leben will. Das Leben wird ihm zugemutet. Später muss sich der junge Mensch zu seinem Leben, zu sich selbst und zu seiner Umgebung irgendwie verhalten.

      Das Spermium findet die Eizelle, indem es durch bestimmte Duftstoffe angelockt wird (Chemotaxis). Spermium und Eizelle wandern im Eileiter aufeinander zu. Es kann passieren, dass aufgrund eines genetischen Defekts ein Spermium die Eizelle nicht findet oder es zu schwach ist, in sie einzudringen. Dann findet keine Befruchtung statt. Nur ein Spermium von den vielen Millionen, die auf die Eizelle zuwandern, darf in die Eizelle eindringen. Nach dem Eindringen des einen Spermiums verschließt sich die Eizelle. Gelangt ein zweites Spermium hinein, ist dies mit dem Leben nicht vereinbar.

      Die Eizelle hat eine sehr dicke Hülle, so dass nur gesunde Spermien eindringen können. Haben Spermien zum Beispiel einen genetischen Schaden und können die Eizellhülle nicht durchdringen, findet keine Befruchtung statt. Die Medizin kann hier zwar nachhelfen und mit Hilfe einer Spritze ein Spermium in die Eizelle einbringen (intracytoplasmatische Spermieninjektion, ICSI). Sie kann aber das eingebrachte Spermium vorher nicht genetisch untersuchen, da es bei der Untersuchung zerstört würde. So gelangt möglicherweise ein genetisch geschädigtes Spermium in die Eizelle, so dass bei den späteren Kindern Schäden entstehen können.9

      Es beginnt ein stiller, geräuschloser, von selbst ablaufender, komplizierter physiologischer Prozess. Die erste Zelle teilt sich, es entstehen zwei Zellen, dann vier, dann acht. Es geschieht das, was Aristoteles „Selbstbewegung“ nennt. Der Begriff meint, dass sich das Leben jetzt von selbst weiter entwickelt und von innen her Gestalt wird. Die Zygote (erste Zelle) und der Embryo wachsen und die Zellen differenzieren sich in die etwa 220 verschiedenen Zelltypen, die ein erwachsener Mensch hat. Die Zygote hat bereits eine aktive Potentialität, das heißt, sie hat alles in sich, was sie zur Entwicklung hin zum Embryo und zur weiteren Entwicklung braucht. Von außen bedarf sie nur der Nahrung und der richtigen physiologischen Umgebung. Diese aktive Potentialität führt zu einem Lebens- und Entfaltungsprozess, der nicht zu stoppen ist. Um ihn zu stoppen, muss man den Embryo töten. Leben ist ständige Veränderung. Und Veränderung braucht zwei Prinzipien: ein sich änderndes und ein sich durchhaltendes. Das erste nannte Aristoteles „Materie“, und dasjenige Prinzip, das sich im Innersten des sich verändernden Lebendigen durchhält und die Identität des Seienden ausmacht, nannte er Seele.

      Das sich entwickelnde Leben drängt nach vorne, nach Wachstum, Veränderung, Differenzierung und schließlich nach Geborenwerden. Es ist ein unumkehrbarer Prozess, eine Einbahnstraße. Es geht nur in eine Richtung nach vorne und nicht zurück, es drängt nach vorne und nach draußen. Der Embryo und der spätere Fetus (ab dem dritten Monat so genannt) entwickeln sich als Mensch und nicht erst zum Menschen. Der aktiven Potentialität der Zygote, des Embryos und des Fetus, die zur Selbstentfaltung führt, steht die passive Potentialität von Samen und Eizelle gegenüber. Diese besitzen jeweils nur den halben Chromosomensatz und bedürfen daher des jeweils anderen, um lebensfähig zu sein. Allein sind sie es auf Dauer nicht.

      Der neu entstandene Embryo hat bereits anfanghaft etwas von einem „Selbst“10. Zwar beginnt die Umsetzung der eigenen genetischen Information in konkrete Eiweißstoffe (Genexpression) nach Meinung einiger Autoren erst zwischen dem Vier- und Achtzellstadium11. Aber die Selbststeuerung im Sinne eines eigenen Stoffwechsels des Embryos beginnt bereits früher:

      „Die Selbststeuerung des Embryos beginnt nicht erst im Achtzellstadium, in welchem die Aktivierung der embryonalen DNA zur Transskription beobachtet wird; sie erfolgt wahrscheinlich schon im Pronukleusstadium, spätestens aber in der Zygote, die sich in einem durch die Zona pellucida begrenzten Reaktionsraum befindet und ihren eigenen Stoffwechsel hat. Als Folge dieses Stoffwechsels und der eigenen Proteinsynthese wird der Vorrat an mütterlicher mRNA allmählich verbraucht. Schließlich wird die Transskription der eigenen DNA angeschaltet. Die Selbstorganisation beginnt mit dem eigenen Stoffwechsel im Reaktionsraum der Zona pellucida.“12

      Der Embryo ist auf diese Selbststeuerung und eine anfanghafte Eigenaktivität angewiesen. Denn er hat die Hälfte des genetischen Materials vom Vater und dieses müsste eigentlich vom Immunsystem der Mutter als fremd erkannt und der Embryo abgestoßen werden. Offensichtlich kann sich aber der Embryo durch seine Selbststeuerung und Eigenaktivität vor dieser Abwehr des mütterlichen Immunsystems schützen. Wie das funktioniert, ist noch nicht ganz geklärt.13 Aber es wurde zum Beispiel bei der „Maus schon wenige Stunden nach der Befruchtung ein immunsuppressiver Faktor (EPF: Early Pregnancy Factor) gefunden, der das Immunsystem der Mutter unterdrückt und eine Abstoßungsreaktionen verhindert“.14

      Die Zygote und der spätere Embryo müssen also nach der Verschmelzung von Samen und Eizelle ihr eigenes Programm aktivieren und der Mutter signalisieren, dass sie ihn nicht abstoßen soll. Im Blick auf die Veränderungen bei der Mutter und die Individualität des Embryos formuliert Günter Rager:„Der Austausch der Signale führt unter anderem dazu, dass der mütterliche Organismus sich auf Schwangerschaft einstellt (humanes Choriongonadotropin, HCG) und verhindert, dass der Embryo bei der Einnistung in den Uterus als Fremdkörper angesehen und abgestoßen wird (early pregnancy factor, EPF).“15

      Der neu entstandene Organismus agiert also von Beginn an als eine Einheit und „sendet an die Mutter Signale, die den embryo-maternalen Dialog einleiten und zur Steuerung (Synchronisation) und Feinabstimmung des embryonalen und mütterlichen Systems beitragen“.16 Hier findet auf einer ganz physiologischen Ebene ein erster „Dialog“ und eine erste „Kommunikation“ im Sinne einer Wechselwirkung zwischen Embryo und Mutter statt. Ohne eine solche Kommunikation wäre ein Überleben des Embryos nicht möglich.

      Daher ist die Rede vom Lebensbeginn, der erst mit der Implantation in die Gebärmutter anzusetzen ist, biologisch nicht schlüssig, da der embryo-maternale „Dialog“ vor der Implantation als Bedingung der Möglichkeit für die Einnistung des Embryos beginnen muss. Der menschliche Embryo durchläuft dann eine typisch menschliche Entwicklung. Neben der Selbstbewegung und Gestaltwerdung des Embryos findet eine Ortsbewegung statt. Er wandert vom Eileiter zur Gebärmutter. Selbstbewegung im Sinne des inneren Wachstums und Ortsbewegung gehören zusammen. Die Zygote wächst heran und die Zellverbindungen verdichten sich. Der sich entwickelnde Embryo darf nach außen hin nicht an Größe zunehmen, sonst bleibt er bei der Wanderung zur Gebärmutter im Eileiter stecken. So gehören Wachstum, Verdichtung und Kompaktierung zusammen.

      Nach der Entstehung der Zygote beginnt einige Stunden später die erste Zellteilung. Bald danach folgen die nächsten. Diese Zellteilungen gehen „von selbst“ und aus sich selbst heraus, nahezu selbstverständlich. Die Teilungen gehen immer weiter, nichts kann sie stoppen, nur der Tod. Mancher Biologe fragt sich, woher die Zellen „wissen“, dass sie sich teilen müssen und wie sie sich teilen müssen, damit Leber-, Gehirn- oder Muskelzellen entstehen. Mancher Biologe fragt sogar, wie eine Zelle „denkt“ und wie sie mit anderen Zellen kommuniziert. Denken und Kommunizieren sind eigentlich geisteswissenschaftliche Begriffe. Zellen denken nicht, aber sie kommunizieren miteinander und tauschen sich über Hormone, Zellmembranen und haptische Kontakte aus. „Solange diese vier Funktionen (Vermehrung, Stoffwechsel, Abgrenzung, Kommunikation) aufrecht sind, lebt die Zelle.“17 Aufgrund dieser Kommunikation ist die Frage nach dem Denken der Zellen nicht falsch gestellt, denn offensichtlich wohnt dem biologischen Leben, zumal dem menschlichen, ein gewisser „Geist“, ein logos, eine Urlogik und Urvernunft inne.

      Dass die Zellteilungen reibungslos vonstatten gehen, ist gar nicht selbstverständlich.

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