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Leben und Wirken ganz aufgeben. Diesen Einwand der geläufigen Logik – Arjuna spricht ihn nicht aus, aber er hat ihn im Sinn, wie der Gang seiner folgenden Äußerungen zeigt –, hat der Lehrer sofort vorausgesetzt. Nein, sagt er, eine solche Entsagung, weit davon entfernt, unentbehrlich zu sein, ist nicht einmal möglich. (106-07)

      3.5

      Denn niemand ist auch nur für einen Augenblick in Untätigkeit. Jeder wird unwiderstehlich durch die aus Prakriti herrührenden Qualitäten zum Handeln gezwungen.

      Eine bemerkenswerte Besonderheit der Gita ist die eindrucksvolle Schau des gewaltigen kosmischen Wirkens und der ewigen Aktivität und Macht der kosmischen Energie. Diese wurde später stark betont durch die Lehre der tantrischen Shaktas, die sogar Prakriti oder Shakti höher stellten als den Purusha. Obwohl hier nur ein Unterton, ist er doch, verbunden mit dem, was wir die theistischen und die hingebungsvollen Elemente des Denkens der Gita nennen können, stark genug, jenen Aktivismus einzuleiten, der die quietistischen Tendenzen des alten metaphysischen Vedanta so sehr in seinem Yoga-Schema verändert. Der in die natürliche Welt verkörperte Mensch kann niemals aufhören zu wirken, auch nicht für einen Augenblick, nicht für eine Sekunde. Sein ganzes Dasein ist ein einziges Wirken. Das ganze Weltall ist ein Akt Gottes. Sogar das bloße Leben ist Seine Bewegung. (107)

      3.6

      Wer die Organe des Handelns beherrscht, sich aber in seinem Mental weiter an die Gegenstände der Sinne erinnert und sich mit ihnen befasst, solch ein Mensch hat sich durch falsche Auffassungen von Selbstdisziplin selbst in Verwirrung gebracht.

      Mit Wirken, karma, sind nicht nur unsere physischen Bewegungen und Aktivitäten gemeint. Auch unser mentales Dasein ist eine große komplexe Aktion. Sie ist sogar der umfassendere und wichtigere Teil des Wirkens der ruhelosen Energie, die subjektive Ursache und bestimmende Macht des Physischen. Wir haben nichts damit gewonnen, wenn wir die Wirkung unterdrücken, die Aktivität der subjektiven Ursache aber beibehalten. Die Gegenstände der Sinne sind nur ein Anlass für unsere Gebundenheit. Die nachdrückliche Einwirkung des Mentals auf sie ist das Mittel, die instrumentale Ursache. Ein Mensch mag die Organe für sein Handeln beherrschen und sich weigern, sie ihr natürliches Spiel spielen zu lassen. Er hat aber damit nichts gewonnen, wenn sein Mental sich immer noch an die Gegenstände der Sinne erinnert und mit ihnen beschäftigt. Ein solcher Mensch hat sich selbst mit seinem falschen Begriff von Selbstdisziplin irregeführt. Er hat sein Ziel oder dessen Wahrheit nicht verstanden und ebensowenig die Grundprinzipien seines subjektiven Daseins. Darum sind alle seine Methoden der Selbstdisziplin falsch und nichtig. (107-08)

      Da das Mental die instrumentale Ursache ist und Untätigkeit etwas Unmögliches, besteht das Vernünftige, das Notwendige und der richtige Weg darin, die Tätigkeit des subjektiven und des objektiven Organismus zu kontrollieren. (108)

      3.7

      Wer jedoch seine Sinne durch das Mental beherrscht, O Arjuna, und sich, ohne gebunden zu sein, mit den Organen des Handelns im Yoga der Werke betätigt, der zeichnet sich aus.

      3.8

      Übe du das kontrollierte Handeln, denn Handeln ist besser als Untätigkeit. Selbst die Aufrechterhaltung deines körperlichen Lebens kann nicht ohne Handeln bewerkstelligt werden.

      Wirke mit solcher Selbstbeherrschung, sagt Krishna, niyataṁ kuru karma tvam. Ich habe dir gesagt, dass Wissen, die Intelligenz, größer ist als das Wirken, jyāyasī karmaṇo buddhiḥ. Aber ich meinte nicht, dass Nichthandeln größer sei als Handeln. Das Gegenteil ist wahr, karma jyāyo akarmaṇaḥ. Denn Wissen bedeutet nicht, dem Handeln zu entsagen. Es bedeutet Gelassenheit und kein Festhalten am Begehren und an den Objekten der Sinne. Und es bedeutet Ausgeglichenheit des intelligenten Willens in der Seele, frei und hoch-erhaben über dem niederen Werkzeugcharakter von Prakriti, und das Beherrschen der Tätigkeit des Mentals, der Sinne und des Körpers in der Macht der Selbst-Erkenntnis und der reinen objektfreien Selbst-Seligkeit der spirituellen Verwirklichung, niyataṁ karma. Buddhi-Yoga wird durch Karma-Yoga zur Erfüllung gebracht. Der Yoga des selbst-befreienden intelligenten Willens findet seine volle Bedeutung durch den Yoga des Wirkens, das frei von Begehren ist. So begründet die Gita ihre Lehre der Notwendigkeit eines Wirkens ohne Begehren, niṣkāma karma, und vereinigt die subjektive Praxis des Sankhya – wobei sie deren lediglich physisches Gesetz ablehnt – mit der Praxis des Yoga.

      Hier ist aber noch eine wesentliche Schwierigkeit nicht beseitigt. Begehren ist das gewöhnliche Motiv alles menschlichen Handelns. Wenn die Seele frei von Begehren ist, gibt es keinen weiteren vernünftigen Grund mehr für das Handeln. Wir mögen gezwungen sein, gewisse Tätigkeiten zu verrichten, um unseren Körper zu erhalten. Aber auch das bedeutet, dass wir dem Begehren des Körpers unterworfen sind, dessen wir doch ledig sein müssten, wenn wir die Vollkommenheit erlangen wollen. Wenn man aber zugibt, dass das nicht getan werden kann, bleibt nur der Ausweg, ein Gesetz außerhalb von uns für unser Handeln festzusetzen, das nicht irgendwie durch unsere Subjektivität diktiert ist, das nityakarma der vedischen Ordnung, die Routine für das zeremonielle Opfer, die tägliche Lebensführung und die soziale Pflicht. Der nach Erlösung strebende Mensch mag einfach deshalb etwas tun, weil es ihm auferlegt ist, ohne dass er einen persönlichen Zweck oder ein subjektives Interesse daran hat. Mit absoluter Gleichgültigkeit vollzieht er das Tun, nicht weil er durch seine Natur dazu gezwungen wird, sondern weil es das ihm auferlegte Shastra ist. Wenn aber das Prinzip des Handelns kein für die eigene Natur äußeres, sondern ein subjektives sein soll, wenn die Handlungen selbst des Befreiten und des Weisen von seiner Natur beherrscht und bestimmt sein sollen, svabhāva-niyatam, dann ist doch das einzige subjektive Prinzip für die Tätigkeit ein Begehren, welcher Art auch immer, sei es der Fleischeslust, der Gefühle des Herzens, eines unedlen oder edlen Zieles des Mentals, jedoch sämtlichst den guṇas der Prakriti unterworfen. Oft wird die Lehre der Gita vom Handeln frei von Verlangen so interpretiert, als sei das niyata karma der Gita das nityakarma der vedischen Ordnung ihr kartavya karma. Oder das Werk, das getan werden muss, sei das arische Gesetz der sozialen Pflicht. Ferner bedeute das als ein Opfer zu leistende Handeln der Gita einfach diese vedischen Opfer und diese festgelegte soziale Pflicht, die ohne ein egoistisches Interesse und ohne jeden persönlichen Zweck erfüllt werden muss. Mir scheint aber die Lehre der Gita nicht so primitiv und einfach, nicht so lokal und zeitlich gebunden, nicht so eng zu sein wie all dies. Sie ist weit und frei, subtil und tief. Sie ist für alle Zeiten und alle Menschen, nicht für ein besonderes Zeitalter und Land. Insbesondere macht sie sich immer frei von äußeren Formen, Einzelheiten, dogmatischen Auffassungen. Sie geht zurück zu Grundsätzen und den großen Tatsachen unserer Natur und unseres Wesens. Sie ist ein Werk von weiter philosophischer Wahrheit, und ihre Spiritualität ist praktisch verwirklichbar. Sie enthält keine erzwungenen religiösen oder philosophischen Formeln, keine schablonenhaften Dogmen.

      Die Schwierigkeit liegt in der Frage: Wie ist – da unsere Natur das ist, was sie ist, und da Begehren das allgemeine Prinzip des Handelns ist – es möglich, ein wirklich von Verlangen freies Handeln durchzuführen? Denn was wir gewöhnlich ein interesseloses Handeln nennen, ist nicht wirklich frei von Verlangen. Es werden dabei einfach gewisse kleinere persönliche Interessen durch andere, größere Begehren ersetzt, die nur so aussehen, als seien sie unpersönlich, als gelte unser Wirken der Tugend, dem Vaterland, der Menschheit. Überdies wird doch alles Wirken, wie Krishna betont, von den drei guṇas der Prakriti, von unserer Natur, ausgeführt. Wenn wir im Gehorsam gegenüber dem Shastra handeln, so tun wir das auch hier im Einklang mit unserer Natur, gerade wenn diese Shastra-Handlung nicht – wie es doch gewöhnlich der Fall ist – als reiner Deckmantel für unsere Wünsche, Vorurteile, Leidenschaften, Egoismen, für unsere persönlichen, nationalen, sektiererischen Eitelkeiten, Gefühle und unserer Vorliebe dient. Aber auch sonst gehorchen wir, selbst bei unserem reinsten Tun, doch unserer menschlichen Art. Wäre unsere menschliche Natur andersartig und würden die guṇas in einer andersartigen Kombination auf unsere Intelligenz und unseren Willen einwirken, dann würden wir das Shastra nicht annehmen, sondern nach unserer Lust oder unseren intellektuellen Begriffen leben. Oder wir würden ganz aus der sozialen Ordnung ausbrechen, um das Leben des Einsiedlers oder des Asketen zu führen. Wir können nicht apersonal werden, wenn wir irgendeinem

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