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hat zwei Seiten. Die Seele muss, im Gegenteil, dazu fähig sein, den physischen Kontakt auszuhalten, ohne innerlich diese Sinnen-Reaktionen zu erleiden. (99-100)

      2.60

      Selbst bei dem Weisen, der nach Vollkommenheit trachtet, wird das mentale Wesen durch das heftige Drängen der Sinne fortgerissen, O Sohn der Kunti.

      Gewiss sind Selbst-Disziplin und Selbst-Kontrolle niemals leicht. Alle intelligenten Menschen wissen, dass sie eine gewisse Selbst-Beherrschung ausüben müssen. Nichts ist allgemeiner bekannt als der Rat, die Sinne zu beherrschen. Gewöhnlich wird dieser Rat aber nur unvollkommen gegeben und sehr unvollkommen, in eingeschränkter und ungenügender Form befolgt. Indes findet sich sogar der weise Mensch von klarer, kluger und urteilsfähiger Seele, der sich wirklich darum bemüht, völlige Meisterschaft über sich zu erwerben, von den Sinnen bestürmt und fortgerissen. (100)

      2.61

      Nachdem er alle seine Sinne unter seine Herrschaft gebracht hat, muss er fest im Yoga gegründet und ganz an Mich hingegeben sein; denn wer seine Sinne gemeistert hat, dessen Intelligenz ist fest (an ihrem richtigen Ort) gegründet.

      Durch einen Akt der Intelligenz selbst, durch reine mentale Selbst-Disziplin, kann das nicht vollkommen geleistet werden. Es kann nur geschehen durch einen Yoga der Einung mit etwas, das höher ist als jene, mit etwas, dem Ruhe und Selbst-Herrschaft innewohnt. Und dieser Yoga kann nur dadurch zu seinem Erfolg gelangen, dass das ganze Selbst an das Göttliche hingegeben, ihm geweiht und dargebracht wird. Krishna sagt: „an Mich“. Denn der Befreier ist in unserem Inneren. Aber er ist nicht in unserem Mental, auch nicht in unserer Intelligenz und nicht in unserem persönlichen Willen –, sie sind nur Instrumente. Es ist der Herr, wie uns am Ende der Gita gesagt wird, zu dem wir unbedingt unsere Zuflucht nehmen sollen. Zu diesem Zweck müssen wir ihn zuerst zum Ziel und Inhalt unseres ganzen Wesens machen und Seelen-Verbindung mit ihm halten. Das ist der Sinn des Satzes: „Er muss fest im Yoga gegründet und ganz an Mich hingegeben sein.“ So deutet die Gita gemäß ihrer Art nur im Vorübergehen mit drei Worten das an, was im Kern alles Wesentliche des höchsten Geheimnisses enthält, das noch zu entfalten ist. Yukta āsīta matparaḥ. (101)

      2.62

      In demjenigen, dessen Mental mit gefesseltem Interesse an den Gegenständen seiner Sinne hängt, bildet sich Bindung an diese. Aus der Bindung kommt das Begehren und aus Begehren Zorn.

      2.63

      Zorn führt zu Verwirrung, auf Verwirrung folgt der Verlust der Erinnerung. Hierdurch wird die Intelligenz zerstört. Durch die Zerstörung der Intelligenz geht er zugrunde.

      Durch Leidenschaft und Zorn wird die Seele verdunkelt, Intelligenz und Wille vergessen die stille beobachtende Seele zu schauen und in ihrem Reich daheim zu sein. So kommt es zum Absturz aus der Erinnerung an das eigene wahre Selbst. Durch diesen Fall wird auch der intelligente Wille verfinstert, sogar zerstört. Denn in diesem Augenblick existiert die Seele in unserer Selbst-Erinnerung überhaupt nicht mehr; sie verschwindet in einer Wolke von Leidenschaft. Wir selbst werden Leidenschaft, Zorn, Kummer und hören auf, unser Selbst, unsere Intelligenz, unser Wille zu sein. (100)

      2.64-65

      Wer mit den Sinnen über die Gegenstände nur hinwegstreift, mit Sinnen, die dem Selbst untertan sind, befreit von Vorliebe und Abneigung, gelangt in eine weite und heitere Klarheit von Seele und Temperament, in der Leidenschaft und Kummer keinen Raum mehr haben. Die Intelligenz eines solchen Menschen wird rasch und fest (an ihrem eigentlichen Ort) gegründet.

      Wie ist aber dieser begierdelose Kontakt zu den Objekten, diese nicht-sinnliche Verwendung der Sinne, möglich? Sie ist möglich, parām dṛṣṭvā, durch die Schau des Höchstenparām, der Seele, des Purusha –, und dadurch, dass wir im Yoga leben, in der Einung oder im Einssein des ganzen subjektiven Wesens mit jenem, durch den Yoga der Intelligenz... (100)

      Dann werden die Sinne, von Reaktionen frei, von Gebundenheit an Vorlieben und Abneigungen erlöst, der Gegensätzlichkeit von positivem und negativem Begehren entgehen. Dann werden Stille, Friede, Klarheit, heitere Gelassenheit, ātmaprasāda, den Menschen ganz einnehmen. Diese klare Heiterkeit ist die Ursache für das Glück der Seele. Aller Kummer verliert allmählich seine Macht, die heitere Seele anzurühren. Die Intelligenz wird rasch im Frieden des Selbstes beheimatet. Leiden wird zerstört. Dieser ruhigen, von Begehren und Kummer freien Beständigkeit von Buddhi in Selbst-Ausgeglichenheit und Selbst-Erkenntnis gibt die Gita den Namen Samadhi. (101)

      Das höchste Ziel des Yoga des intelligenten Willens liegt im Brahman-Zustand, brāhmī sthiti. Das ist eine Umkehrung aller Anschauungen der erdgeborenen Geschöpfe, ihrer Erfahrung, Erkenntnis, Werte, Gesichtspunkte. (103)

      2.66

      Für den, der nicht im Yoga gegründet ist, gibt es keine Intelligenz, keine Konzentration des Denkens. Ohne Konzentration gibt es für ihn keinen Frieden. Wie kann der Friedlose glücklich sein?

      2.67

      Schweifende Sinne, denen das Mental folgt, reißen den Verstand mit sich fort, so wie die Winde ein Schiff auf See mit sich forttragen.

      2.68

      Darum, O Starkarmiger, ruht bei demjenigen, der bis zum äußersten die Erregung der Sinne durch deren Gegenstände gezügelt hat, die Intelligenz fest gegründet in der ruhigen Erkenntnis des Selbstes.

      2.69

      Jenes (höhere Sein), das für alle Geschöpfe eine Nacht ist, ist Wachsein für den selbstbeherrschten Weisen (sein leuchtender Tag wahren Seins, wahrer Erkenntnis und Macht). Das Leben in der Spannung der Dualitäten, das für jene ihr Wachsein ist (ihr Tag, ihr Bewusstsein, die helle Voraussetzung für ihr Wirken), ist eine Nacht für den Weisen, der sieht (ein unruhiger Schlaf und Finsternis der Seele).

      2.70

      Derjenige erlangt Frieden, in den alle Begehren einströmen wie die Gewässer in das Meer (in einen Ozean von weitem Sein und Bewusstsein), das ständig gefüllt wird und doch immer unbewegt bleibt; niemals jener, der (wie die wirbelnden schlammigen Gewässer) durch jeden kleinen Zustrom von Begehren erregt wird.

      2.71

      Wer alles Begehren aufgibt und frei von Begehren lebt und handelt, wer kein „ich“ und „mein“ mehr hat (wer sein individuelles Ego im Einen ausgelöscht hat und in jener Einung lebt), der erlangt den großen Frieden.

      2.72

      Dies ist brāhmī sthiti (das Feststehen in Brahman), O Sohn Prithas. Wer dahin gelangt ist, wird nicht verwirrt. Wer in der Stunde des Todes in diesem Zustand fest gegründet ist, kann zum Erlöschen in Brahman gelangen.

      Nirvana ist nicht die negative Selbst-Vernichtung der Buddhisten, sondern das beseligende Eintauchen des gesonderten persönlichen Selbsts in die allgewaltige Wirklichkeit des einen unendlichen apersonalen Seins. (104)

      Die Gita ersetzt die sechs Kapitel hindurch den stillen, unveränderlichen, aber vielfältigen Purusha der Sankhyas durch den stillen, unveränderlichen Brahman der Vedantins, den Einen ohne einen zweiten, der dem ganzen Kosmos immanent ist. Durch all diese Kapitel hindurch akzeptiert sie das Wissen von Brahman und die Verwirklichung von Brahman als das wichtigste, das unentbehrliche Mittel zur Befreiung, während sie gerade auf den ohne Verlangen vollzogenen Werken als einem wesentlichen Teil des Wissens besteht. Ebenso übernimmt sie das Nirvana des Ego als wesentlich für die Befreiung, wenn das Ego in der unendlichen Gelassenheit des unveränderlichen, unpersönlichen Brahman aufgeht. Sie identifiziert praktisch dies Auslöschen des Ego mit der Rückkehr des untätigen, unwandelbaren Purusha zu sich selbst im Sankhya, wenn er aus den Identifizierungen mit den Aktionen der Prakriti emportaucht. (90)

      Solche subtile Vereinigung von Sankhya, Yoga und Vedanta ist die erste Stütze der Lehre der Gita. Sie ist keineswegs alles, aber die erste, unentbehrliche praktische Einheit von Wissen und Wirken. Sie enthält bereits eine Andeutung des dritten krönenden und stärksten Elements in der Vollkommenheit der Seele: göttliche Liebe und innige Hingabe

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