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und dieses Zurücktreten des unterscheidenden Prinzips von seinen Selbsttäuschungen würde stattfinden, dann würde der ganze Kosmos aufhören. Tatsächlich sehen wir aber, dass sich nichts Derartiges ereignet. Nur einige wenige unter unzähligen Millionen Menschen erlangen die Befreiung oder bewegen sich auf sie zu. Die Übrigen werden in keiner Weise davon berührt, und auch die kosmische Natur wird durch diese summarische Zurückweisung, die das Ende all ihrer Wirksamkeiten wäre, in ihrem Spiel keineswegs gestört. Diese Tatsache kann nur durch die Theorie von vielen unabhängigen Purushas erklärt werden. Die einzige überhaupt logische Erklärung vom Standpunkt des vedantischen Monismus aus ist die des Mayavada. Hier aber wird die ganze Welt zu einem Traum. Sowohl Gebundenheit wie Befreiung sind in ihr Zustandsformen der Unwirklichkeit, empirische Fehlkonstruktionen von Maya. In Wirklichkeit wird niemand befreit und niemand gebunden. Die realistischere Sankhya-Anschauung der Dinge lässt den Gedanken, alles Dasein sei trügerisch, nicht zu und kann darum auch diese Lösung nicht akzeptieren. Auch hier sehen wir, dass die Vielzahl der Seelen ein unvermeidlicher Schluss aus den Gegebenheiten der Seins-Analyse des Sankhyaist.

      Die Gita fängt mit dieser Analyse an, und es hat zuerst den Anschein, sogar in ihrer Darstellung des Yoga, als ob sie sie beinahe ganz annehme. Sie akzeptiert Prakriti mit ihren drei Gunas und vierundzwanzig Prinzipien. Sie stimmt darin zu, dass sie alles Wirken der Prakriti und die Passivität dem Purusha zuschreibt. Sie erkennt die Vielzahl der bewussten Wesen im Kosmos an. Sie bejaht, als Mittel zur Befreiung, dass der sich identifizierende Ego-Sinn aufgelöst werden muss, ferner das Wirken des unterscheidenden intelligenten Willens und die Notwendigkeit, dass wir über die Bewegung der drei Qualitäten der Energie hinauskommen müssen. Der Yoga, den zu praktizieren Arjuna von Anfang an aufgetragen wird, ist ein Yoga durch Buddhi, den intelligenten Willen. Hier ist aber die eine grundlegend bedeutungsvolle Abweichung – der Purusha wird als ein einziger angesehen, nicht als viele; denn das freie, nicht-materielle, unbewegliche, ewige, unwandelbare Selbst der Gita ist, abgesehen von einem einzigen Detail, eine vedantische Beschreibung des ewigen, passiven, unbeweglichen, unwandelbaren Purusha des Sankhya. Der grundlegende Unterschied ist aber, dass hier nur Einer da ist und nicht viele. Hier entsteht nun die ganze Schwierigkeit, die die Vielzahl des Sankhya vermeidet; darum ist eine völlig andersartige Lösung notwendig. Dafür sorgt die Gita, indem sie in das vedantische Sankhya die Auffassungen und Grundsätze des vedantischen Yoga hineinbringt.

      Das erste wichtige neue Element, das wir finden, liegt in der Auffassung von Purusha selbst. Prakriti unternimmt ihre Aktivitäten zur Freude von Purusha. Wie wird aber diese Freude näher bestimmt? In der strikten Sankhya-Analyse kann sie nur durch eine passive Zustimmung des schweigenden Zeugen geschehen. Passiv gibt der Zeuge seine Zustimmung zur Aktivität des intelligenten Willens und des Ego-Sinnes. Passiv stimmt er zu, dass dieser Wille sich vom Ego-Sinn zurückzieht. Er ist Zeuge, Ursprung der Zustimmung und hält durch die Reflexion das Werk der Natur in Gang, sāksī anumantā bhartā. Weiter ist er nichts. Der Purusha der Gita ist aber auch der Herr der Natur; er ist Ishwara. Wenn die Betätigung des intelligenten Willens zur Natur gehört, so gehen doch Verursachung und Macht des Willens von der bewussten Seele aus. Diese ist der Herr der Natur. Wenn auch der Akt der Intelligenz des Willens der Akt von Prakriti ist, so werden Ursprung und Licht der Intelligenz doch aktiv von Purusha beigesteuert. Er ist nicht nur der Zeuge, sondern der Herr und der Wissende, Meister des Wissens und des Willens, jñātā īśvaraḥ. Er ist die oberste Ursache der Aktion von Prakriti und die Ursache dafür, dass sie sich aus dem Wirken zurückzieht. In der Sankhya-Analyse sind Purusha und Prakriti in ihrem Dualismus die Ursache des Kosmos. In diesem synthetischen Sankhya ist Purusha mittels seiner Prakriti die Ursache des Kosmos. Wir sehen sofort, wie weit wir vom starren Purismus der traditionellen Analyse weggekommen sind.

      Was wird aber aus dem einen Selbst, dem unveränderlichen, unbeweglichen, ewig freien, mit dem die Gita begann? Dies ist frei von allem Wechsel, von einer Involution in den Wechsel, avikārya; es ist ungeboren, nicht manifestiert, das Brahman, und doch ist es das, „durch das all dieses hier ausgebreitet ist“. Darum dürfte das Prinzip des Ishwara in seinem Wesen enthalten sein. Wenn es auch unbeweglich ist, so ist es doch Ursache und Herr allen Wirkens und all dessen, was sich bewegt. Aber wie? Und wie steht es mit der Vielzahl der bewussten Wesen im Kosmos? Sie sind offenbar nicht der Herr, und zwar sehr betont nicht der Herr, anīśa, denn sie sind dem Wirken der drei Gunas und der Täuschung durch den Ego-Sinn unterworfen. Und wenn sie, wie die Gita offenbar sagt, alle das einzige Selbst sind, wie kam diese Involution, Unterwerfung und Täuschung zustande, wie ist das erklärbar außer durch die reine Passivität des Purusha? Und woher diese Vielzahl? Wie steht es damit, dass das eine Selbst in dem einen Körper und Mental die Befreiung erlangt, während es in anderen unter der Illusion der Gebundenheit verbleibt? Das sind Schwierigkeiten, an denen man nicht ohne Lösung vorübergehen kann.

      Die Gita antwortet darauf in ihren späteren Kapiteln mit einer Analyse von Purusha und Prakriti, die neue Elemente beisteuert, die einem vedantischen Yoga sehr angemessen, dem traditionellen Sankhya aber fremd sind. Sie spricht von drei Purushas, eigentlich von einem dreifachen Zustand des Purusha. Wenn die Upanishaden auf die Wahrheiten des Sankhya eingehen, scheinen sie manchmal nur von zwei Purushas zu sprechen. Ein Text sagt, es gibt einen Ungeborenen von drei Farben, das ewige weibliche Prinzip von Prakriti mit seinen drei Gunas, das immer erschafft. Es gibt zwei Ungeborene, zwei Purushas, von denen der eine an ihr hängt und sich ihrer erfreut, der andere sie aufgibt, weil er alle ihre Freuden genossen hat. In einem anderen Vers werden sie als zwei Vögel auf einem Baum beschrieben, zwei auf ewig einander verbundene Gefährten, von denen der eine die Früchte des Baumes isst –, der Purusha in der Natur, der sich an ihrem Kosmos erfreut –, der andere aber nicht, der seinen Gefährten beobachtet –, der schweigende Zeuge, der sich zurückgezogen hat vom Genießen. Wenn der erstere den zweiten sieht und erkennt, dass alles seine eigene Größe ist, ist er befreit vom Leiden. Der Gesichtspunkt in den beiden Versen ist ein unterschiedlicher, aber sie haben eine gemeinsame Bedeutung. Einer der Vögel ist das ewig schweigende, ungebundene Selbst oder der Purusha, durch den alles hier ausgebreitet ist. Er betrachtet den Kosmos, den er aus sich heraus entstehen ließ, bleibt aber über ihm erhaben. Der andere ist der in Prakriti hinein verwickelte Purusha. Der erste Vers deutet an, dass die zwei dasselbe sind. Sie repräsentieren verschiedene Zustände, gebunden und frei, desselben bewussten Wesens –, denn der zweite Ungeborene ist zum Genießen der Natur herabgestiegen und hat sich dann aus ihr zurückgezogen. Der andere Vers macht deutlich, was wir aus dem ersten nicht entnehmen können, dass das Selbst in seinem höheren Zustand von Einheit immer frei, inaktiv, ohne Bindungen ist, obwohl es in sein niederes Wesen in die Vielfalt der Schöpfungen der Prakriti herabsteigt und sich aus ihr wieder dadurch zurückzieht, dass es in jedem individuellen Geschöpf zum höheren Zustand zurückkehrt. Diese Theorie vom doppelten Status der einen bewussten Seele öffnet die Tür. Aber der Prozess der Vervielfältigung des Einen ist immer noch dunkel.

      Den beiden Purushas fügt die Gita noch einen anderen, den höchsten, den Purushottama, den erhabenen Purusha, hinzu, dessen Größe diese ganze Schöpfung ist. Sie entwickelt dabei den Gedanken, der an anderer Stelle in den Upanishaden auftaucht, weiter: Es gibt also drei, Kshara, Akshara, Uttama. Kshara, der bewegliche, der veränderliche, ist Natur, svabhāva. Er ist die variable Werdeform der Seele. Hier ist der Purusha die Vielfalt des göttlichen Wesens. Er ist der Purusha, vielfältig, nicht getrennt von Prakriti, sondern in ihr. Akshara, der unbewegliche, der unveränderliche, ist das schweigende inaktive Selbst. Er ist die Einheit des göttlichen Wesens. Er ist der Zeuge der Natur, jedoch nicht in ihre Bewegung verwickelt. Er ist der inaktive Purusha, frei von Prakriti und ihrem Wirken. Uttama ist der Herr, das erhabene Brahman, das höchste Selbst, das beides besitzt, die unveränderliche Einheit und die bewegliche Vielfalt. Durch eine außerordentlich große Beweglichkeit und Aktionskraft Seiner Natur, Seiner Energie, Seines Willens und Seiner Macht manifestiert Er sich in der Welt. Durch

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