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Weltalls. Das traditionelle Sankhya ist, um unsere moderne Unterscheidung zu verwenden, atheistisch. Das Sankhya der Gita erkennt die theistischen, pantheistischen und monistischen Deutungen des Weltalls an und bringt sie miteinander in Einklang.

      Aber dieser Yoga ist auch nicht das Yoga-System des Patanjali. Denn dieses ist eine rein subjektive Methode von Raja-Yoga, eine innere Disziplin, begrenzt, scharf umrissen, streng und wissenschaftlich abgestuft, durch die das Mental fortschreitend stillgelegt und in den Samadhi emporgehoben wird, damit wir den zeitlichen und ewigen Lohn dafür bekommen, dass wir unser Ego überwinden: den zeitlichen in einer weiten Ausdehnung des Wissens und der Kräfte der Seele; den ewigen in der Einung mit dem Göttlichen. Der Yoga der Gita ist demgegenüber ein umfassendes, biegsames, vielseitiges System mit verschiedenartigen Elementen, die alle durch eine Art natürlicher lebendiger Anpassung miteinander in Einklang gebracht werden. Von diesen Elementen ist der Raja-Yoga nur eines und nicht das wichtigste und vitalste Element. Dieser Yoga verwendet keine strikte wissenschaftliche Stufenfolge; vielmehr ist er ein Prozess von natürlicher Seelen-Entfaltung. Indem er einige Prinzipien von subjektiver ausgeglichener Ruhe und von aktivem Handeln verwendet, will er eine Erneuerung der Seele und eine gewisse Umwandlung, ein Emporsteigen oder eine neue Geburt aus der niederen Natur in die göttliche zustande bringen. Entsprechend ist die Vorstellung der Gita von Samadhi völlig verschieden von der gewöhnlichen Auffassung der Yoga-Ekstase. Und während Patanjali dem Wirken nur eine anfängliche Bedeutung für die sittliche Läuterung und religiöse Konzentration beimisst, geht die Gita so weit, dass sie das Wirken zum besonderen Kennzeichen des Yoga macht. Handeln ist für Patanjali nur eine vorläufige, für die Gita eine dauernde Grundlage. Im Raja-Yoga muss es praktisch beiseite gelassen werden, wenn sein Ergebnis erlangt ist, zumindest hört es bald auf, ein Mittel für den Yoga zu sein. Für die Gita ist es ein Mittel zum höchsten Aufstieg und dauert auch nach der völligen Befreiung der Seele noch fort.

      So viel muss vorausgeschickt werden, um eine gedankliche Verwirrung zu vermeiden, die durch die Verwendung vertrauter Wörter in einem begrifflichen Zusammenhang entstehen könnte, der weiter ist als ihr jetzt bei uns gebräuchlicher technischer Sinn. Freilich wird von der Gita alles einbezogen, was den Systemen von Sankhya und Yoga wesentlich ist: alles was in ihnen weit, allumfassend, universal wahr ist, wobei sie sich aber nicht wie die einander bekämpfenden Schulen durch sie einschränkt. Ihr Sankhya ist das allumfassende vedantische Sankhya, wie wir es in den Prinzipien und Elementen der großen vedantischen Synthese der Upanishaden und in den späteren Entwicklungsphasen der Puranas finden. Ihre Auffassung von Yoga ist jener weite Gedanke einer hauptsächlich subjektiven Praxis und inneren Umwandlung, die für das Entdecken des Selbstes oder die Einung mit Gott nötig ist, der Raja-Yoga ist nur eine deren besonderer Anwendungen. Die Gita betont, Sankhya und Yoga sind nicht zwei verschiedene, miteinander unvereinbare und gegensätzliche Systeme, sondern in ihrem Prinzip und Ziel eins. Ihr Unterschied besteht nur in ihrer Methode und ihrem Ausgangspunkt. Auch Sankhya ist ein Yoga, aber es geht vom Wissen aus und wird fortschreitend durch dieses verwirklicht. Das heißt, es beginnt mit intellektueller Unterscheidung und Analyse der Prinzipien unseres Wesens und erlangt sein Ziel durch die Schau der Wahrheit und ihren Besitz. Yoga geht demgegenüber vom Wirken aus und vollendet sich durch Wirken. In seinem Grundprinzip ist er Karma-Yoga. Aus der ganzen Lehre der Gita und ihren späteren Definitionen wird aber klar, dass das Wort karma in einem sehr weiten Sinn gebraucht wird und dass unter Yoga die egolose völlige Hingabe sowohl der inneren wie der äußeren Aktivitäten als ein Opfer an den Herrn aller Werke verstanden wird. Es wird dem Ewigen als dem Meister aller Seelen-Energien und der strengen Übungen dargebracht. Yoga ist die praktische Ausübung der Wahrheit, die im Schauen erkannt wird. Seine Praxis hat als Antriebskraft den Geist erleuchteter Hingabe, einer stillen glühenden Darbringung, die sich Jenem weiht, das die Erkenntnis als das Höchste schaut.

      Was sind aber die Wahrheiten des Sankhya? Diese Philosophie bekam ihren Namen von ihrem analytischen Prozess. Sankhya ist die Analyse, die Aufzählung, die trennende und unterscheidende Darstellung der Prinzipien unseres Wesens, von denen das gewöhnliche Mental nur die Kombinationen und die Ergebnisse der Kombinationen sieht. Es wollte überhaupt nicht die Synthese herstellen. Sein ursprünglicher Standpunkt ist tatsächlich dualistisch, und zwar nicht vom relativen Dualismus der vedantischen Schulen, die sich mit diesem Namen benennen, Dwaita, sondern auf eine sehr absolute und genau präzisierte Art. Denn das Sankhya erklärt das Dasein nicht durch ein einziges ursprüngliches Prinzip, sondern durch zwei, deren Verhältnis zueinander die Ursache des Weltalls ist: Purusha, das inaktive, Prakriti, das aktive Prinzip. Purusha ist die Seele, nicht im gewöhnlichen oder populären Sinn des Wortes, sondern als reines, bewusstes Wesen, unbeweglich, unveränderlich und selbst-leuchtend. Prakriti ist Energie und deren Auswirkung. Purusha tut nichts, aber er reflektiert das Wirken der Energie und ihre Verfahren. Prakriti ist mechanisch; aber dadurch, dass sie in Purusha reflektiert wird, gewinnt sie den Anschein von Bewusstsein in ihren Wirkensweisen, und deshalb entstehen solche Phänomene von Schöpfung, Erhaltung und Auflösung, Geburt, Leben und Tod, Bewusstheit und Unbewusstheit, Erkenntnis durch die Sinne, intellektuelles Wissen und Unwissenheit, Wirken und Nicht-Wirken, Frohsinn und Leiden. Sie alle schreibt der Purusha unter dem Einfluss von Prakriti sich selbst zu, obwohl sie alle überhaupt nicht ihm angehören, sondern allein dem Wirken oder der Bewegung von Prakriti.

      Denn Prakriti wird von den drei guṇas, den wesentlichen Eigenschaften der Energie konstituiert: sattva, die Saat der Intelligenz, konserviert die Wirkensweisen der Energie; rajas, die Saat der Kraft und Aktivität, verschafft die Wirkensweisen der Energie; tamas, die Saat der Trägheit und Nicht-Intelligenz, die Aufhebung von Sattwa und Rajas, löst das auf, was diese erschaffen und bewahren. Sind diese drei Mächte der Energie von Prakriti im Zustand des Gleichgewichts, dann ist alles in Ruhe, gibt es keine Bewegung, kein Handeln, keine Schöpfung, darum auch nichts, was in dem unwandelbaren, erleuchteten Wesen der bewussten Seele reflektiert werden könnte. Wird das Gleichgewicht aber gestört, verfallen die drei Gunas in einen Zustand von Unausgeglichenheit, indem sie miteinander streiten und aufeinander einwirken, und all die unentwirrbaren Vorgänge von Schöpfung, Erhaltung und Auflösung beginnen und lassen die Phänomene des Kosmos abrollen. Das geht so lange weiter, als Purusha einwilligt, diesen Wirrwarr zu reflektieren, der seine ewige Natur verfinstert und ihr die Natur von Prakriti beilegt. Wenn er aber seine Zustimmung zurückzieht, fallen die Gunas in ihr Gleichgewicht zurück und die Seele kehrt heim in ihre ewige, unveränderliche Unbeweglichkeit; sie wird von den Phänomenen erlöst. Dies Reflektieren und dies Erteilen oder Widerrufen der Zustimmung scheinen die einzigen Mächte des Purusha zu sein. Kraft der Reflexion ist er der beobachtende Zeuge der Natur und erteilt ihr seine Zustimmung, sāksī und anumantā der Gita. Er ist aber nicht auf aktive Weise der Ishwara. Selbst sein Erteilen der Zustimmung ist passiv; und wenn er die Zustimmung zurückzieht, ist das nur eine andere Passivität. Jegliche subjektive oder objektive Aktion ist der Seele fremd; sie hat weder einen aktiven Willen noch eine aktive Intelligenz. Sie kann darum auch nicht die einzige Ursache des Kosmos sein. So wird die Behauptung einer zweiten Ursache notwendig. Nicht Seele allein ist durch ihre Natur als bewusstes Wissen, bewusster Wille und bewusste Seligkeit die Ursache des Weltalls, sondern Seele und Natur sind die duale Ursache: ein passives Bewusstsein und eine aktive Energie. So erklärt das Sankhya das Dasein des Kosmos.

      Woher stammen aber diese bewusste Intelligenz und dieser bewusste Wille, die wir als einen so großen Teil unseres Wesens wahrnehmen und die wir, gewöhnlich und instinktiv, nicht der Prakriti sondern dem Purusha zuschreiben? Nach dem Sankhya sind diese Intelligenz und dieser Wille ganz und gar ein Teil der mechanischen Energie der Natur, nicht Eigenschaften der Seele. Sie sind das Prinzip von Buddhi, einem der vierundzwanzig tattvas, der vierundzwanzig kosmischen Prinzipien. In der Evolution der Welt bildet Prakriti mit den drei Gunas in ihr die Basis; sie ist als die ursprüngliche Substanz der Dinge ungeoffenbart, nichtbewusst. Daraus entwickeln sich, aufeinander folgend, fünf elementare Erscheinungsformen von Energie und Materie – denn Materie und Kraft sind dasselbe in der Sankhya-Philosophie. Diese werden mit den Namen der fünf konkreten Elemente des alten Denkens benannt: Äther, Luft, Feuer, Wasser und Erde. Wir müssen aber bedenken,

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