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ihn kein Kameramann begleitete und auch offensichtlich keine Tonaufnahmen gemacht werden sollten, die das Gesagte nochmals widergeben konnten, vermutete Jake, dass er mit einer Kurzschrift schneller zu Gange war, als mit dem Zehnfingersystem auf dem Laptop.

      »Nun.« Jake runzelte die Stirn und zögerte. Für gewöhnlich zielten die ersten Fragen direkt auf die Kampagne ab und nicht auf die Örtlichkeiten, an denen das Interview stattfand. Den Impuls, den Grund dafür zu nennen, unterband er. Er durfte nicht vergessen, dass Tom ein Journalist war, wenn auch ein sehr sympathischer, der möglichst viel für seinen Artikel herausholen wollte.

      Um noch ein wenig Bedenkzeit für sich herauszuschlagen, konzentrierte er sich auf Kisha, die wenig später ihre Arbeit mit einem letzten prüfenden Blick abschloss. Jetzt konnte er sich nicht mehr länger vor einer Antwort drücken. Jake erhob sich und schlenderte auf Tom zu.

      »Es war meine Idee, etwas Neues auszuprobieren«, umschrieb Jake vorsichtig die Gründe für sein Vorgehen. Mehr wollte er nicht preisgeben.

      Ohne Zögern wurde die nächste Frage gestellt. Allerdings keine, die Jake sich gewünscht hätte.

      »Bedeutet das, dass das Management erst davon überzeugt werden musste?«

      Jake unterdrückte ein Stöhnen und glaubte zu erkennen, dass Tom auf der Suche war nach Gräben zwischen ihm, dem Gesicht der Kampagne, und den Personen, die im Hintergrund die Fäden zogen. Warum sonst die Frage nach Jakes Management? Seine innere Stimme sagte ihm, dass er das Gespräch schleunigst auf das zentrale Thema, die Werbung, lenken musste.

      Was hatte Tom vor, mit welchen Fragen wollte er noch aufwarten? Hatte Jake sich getäuscht und Tom war einer von der hinterlistigen Sorte? Unangenehme Erinnerungen an ähnliche Gespräche poppten hoch. Durchhalten, ermahnte er sich. In wenigen Minuten würde der Kerl aus der Suite spazieren und ihm vermutlich nie wieder begegnen.

      »Wir waren uns zumindest schnell einig.« Er bemühte sich um ein Lächeln, verschränkte die Arme vor der Brust und wich Toms Blick schließlich aus. Anstatt einfach den Mund zu halten und gute Miene zum bösen Spiel zu machen, gab er dem Bedürfnis nach, sich rechtfertigen zu müssen. »Natürlich bedeutet es mehr Aufwand, aber es sollte schon mir … uns … überlassen werden, welche Art Kontakt wir mit den Medienvertretern anstreben. Ich denke, dass das … der richtige Weg ist«, formulierte er seine Gedanken mit Vorsicht, um keine neue Angriffsfläche zu bieten. Er versuchte, Ruhe zu bewahren und einen aufmüpfigen Tonfall zu vermeiden. Jake musste sich zusammenreißen. Er hatte aus seinen Erfahrungen gelernt. Je mehr ein Journalist Widerwillen spürte, umso mehr verbiss er sich.

      »Entstehen denn dadurch nicht noch mehr Konkurrenz und Missgunst? In diesem Business ist sich eh jeder selbst der Nächste. Zumindest die, die etwas erreichen wollen. Ich habe es erlebt. Diejenigen, die oben auf der Liste stehen, werden beim Verlassen des Aufenthaltsraums beinahe zerfleischt, weil sie einen unbestreitbaren Vorteil haben. Bereits eine halbe Stunde kann ausreichen, das Interview, oder zumindest Teile davon, zu veröffentlichen, während die Kollegen noch warten müssen.« Zusätzlich zum herausfordernden Tonfall hatte er eine Braue angehoben. »Wenn diese Vorgehensweise sich durchsetzt, wird dann nicht das Erkaufen der obersten Listenplätze gefördert? Irgendwann kommt es nur noch auf Kontakte und Vitamin B an. Ich denke, auf solche Auswüchse braucht man nicht allzu lange warten.«

      Was sollte das? Heuchler! Tom nahm kein Blatt vor den Mund, dabei war er doch selbst Nutznießer und tat genau das, was er anprangerte. Widerwillen durchzuckte Jake nach dieser offenen Kritik und baute sich weiter auf. Dabei hatte Tom doch überhaupt keine Ahnung! Jake musste all seine Willenskraft aufbieten, jetzt nicht unüberlegt zu reagieren. Was war Toms Problem? Natürlich! Auch er war nur auf seinen Vorteil bedacht. Was für ein eingebildeter Fatzke! Jake hatte sich offensichtlich durch die hübsche Fassade täuschen lassen.

      Wut bildete einen Klumpen in seiner Magengegend. In letzter Zeit war er durch den Stress ziemlich dünnhäutig geworden. So gern er es wollte, er konnte unmöglich alles stehen und liegen lassen, das Interview abbrechen und aus der Suite fliehen – Janine würde ihm gnadenlos die Hölle heiß machen. Und nicht nur Janine. Für die Presse wäre so ein Ausrutscher ein gefundenes Fressen.

      Er musste nach einer anderen Möglichkeit suchen, sich eine Atempause und Zeit zu verschaffen, um den nächsten Zug planen beziehungsweise sich die nächste Antwort überlegen zu können. Gereizt biss Jake die Zähne aufeinander und wandte sich dem Fenster zu. Er wollte auf keinen Fall, dass Tom ihm die Emotionen ansehen konnte. Was sollte er sagen, was tun? Dieses Interview lief aus dem Ruder, ehe es überhaupt richtig begonnen hatte. Seine Kiefer begannen zu schmerzen und er beneidete Kisha, die in dem Moment einfach verschwand und Jake mit diesem Arsch allein ließ.

      Die Zeit verstrich, der Druck, etwas auf Finleys Ausführungen zu erwidern, stieg. Schweigen würde ihn nicht retten. Es gab kein Räuspern und keinen respektvollen Übergang zum nächsten Thema. Dieser Journalist erwartete eindeutig eine Reaktion und wollte es offenbar partout aussitzen.

      Ihm wurde heiß. Nach einem letzten Blick aus dem Fenster gab Jake sich einen Ruck, wappnete sich innerlich für die Konfrontation und drehte sich um. Es überraschte Jake, dass diese Situation ihn derart aufwühlte. Trotz regte sich in ihm. Wenn Tom Finley es unbedingt so haben wollte, dann sollte er seine Antwort bekommen!

      Um das Zittern zu verbergen, trat er an den Sessel heran und stützte sich auf der Rückenlehne ab. Seine Fingerspitzen wurden weiß, so sehr krallte er sich in die Lehne. Das Blut rauschte unangenehm in seinen Ohren, während er den Blick aus den eisblauen Augen spöttisch erwiderte. Wenn schon nicht räumlich, so wollte Jake wenigstens Abstand schaffen, indem er eine distanziertere Formulierung wählte und zum ›Sie‹ wechselte.

      »Ich bedaure, dass dies hier nicht Ihren Erwartungen entspricht. Eigentlich war ich der Meinung, dass meine aktuelle Kampagne im Mittelpunkt des Interviews stehen würde. Überraschenderweise liegt jetzt jedoch Ihr Hauptinteresse auf dem Wohlergehen der Journalisten.« Mit der Betonung des letzten Wortes hoffte Jake, seiner Geringschätzung noch mehr Ausdruck zu verleihen. Er schmeckte die Bitterkeit förmlich auf seiner Zunge. Zu oft schon hatte er indiskrete Fragen weglächeln müssen, das Verhalten oder unverschämte Berichterstattung ertragen müssen. Warum sollte er auf deren Befindlichkeiten auch noch Rücksicht nehmen? Sie wollten doch etwas von ihm!

      Jake presste seine Lippen aufeinander. Sein Herz raste und seine Nasenflügel blähten sich, als hätte er eben erst eine Trainingseinheit mit Will beendet. Auch wenn es ihm schwerfiel sich zu beherrschen, schaffte er es, den Sessel zu umrunden und Platz zu nehmen. Es schien ein Vakuum zwischen ihnen zu entstehen, das das Atmen erschwerte.

      Seine unverblümten Worte zeigten Wirkung. Auf Toms Gesicht erschien ein verblüffter Ausdruck. Beschwörend hob er eine Hand. »Ich wollte nicht … es schafft Atmosphäre, die Leser über solche Einzelheiten an das Interview heranzuführen«, versuchte er sich an einer Erklärung für seine Beharrlichkeit. »Sie wollen dabei sein, den Journalisten quasi auf dem Weg zu ihrem Star begleiten.«

      Er schien das Interview retten zu wollen, nachdem er offensichtlich erkannte hatte, dass er den Einstieg ungeschickt gewählt und den Bogen überspannt hatte. Schuldbewusst rutschte er auf seinem Sessel hin und her. Trotzdem konnte Jake nicht über seinen Schatten springen. Auch auf die Gefahr hin, arrogant oder überheblich zu wirken, nahm er eine betont lässige Haltung ein. Es gab ihm in dieser Situation zumindest das Gefühl von Überlegenheit. So leicht wollte er ihn nicht davonkommen lassen. Dachte er wirklich, er brauchte nur einen harmlosen Dackelblick aufsetzen und alles war in Ordnung? Der Klumpen in seinem Hals schmerzte. Er wusste nicht, was ihn mehr ärgerte – die provokanten Fragen des Journalisten oder die Tatsache, dass er enttäuscht war, weil er ihn falsch eingeschätzt und anfangs sogar Sympathie empfunden hatte.

      »Keine Angst. Nichts liegt mir ferner, als euch mit dieser Art von Interviews zu quälen oder euch dem Gerangel um die besten Listenplätze auszusetzten.« Obwohl es unter der Oberfläche brodelte, fixierte er Tom kühl und presste die Worte durch seine Zähne. »Es ist nur so … ich hasse es, in einem Raum voller Journalisten zu sein, die wie Aasgeier ständig auf jede noch so kleine Verfehlung warten, mich mit indiskreten Fragen löchern und anstarren, als wäre ich prämiertes Vieh auf einer Auktion!« Sein Ärger verpuffte

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