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wie Jake vertrauensvoll in Kishas Hände hatte begeben können. Lässige Jeans betonten die langen Beine. Keine MacKay, aber das Interesse für die neue Marke konnte im Laufe des Interviews sicher noch geweckt werden. Stehen würde sie ihm auf jeden Fall, befand Jake. Der Blick des Journalisten wirkte offen mit einem Tick Unsicherheit, was keinen Widerspruch zum kantigen Gesicht und den breiten Schultern darstellte, sondern durchaus harmonierte. Alles in allem war er von der Gattung Kumpeltyp – mit einer Spur perfekter Schwiegersohn.

      So angenehm er das Erscheinungsbild seines Gegenübers auch fand, so enttäuscht war er, das Buffet nicht für sich allein zu haben. Der herrliche Duft, den das Essen verströmte, stieg ihm in die Nase. Das Wasser lief ihm im Mund zusammen und Jake schluckte angestrengt. Tja, noch schnell etwas zu stibitzen, konnte er jetzt wohl vergessen. Dabei roch es so verführerisch, dass sein Magen erneut zu grummeln begann. Wenn Janine sich treu geblieben war, dann befand sich im anderen Raum ein fulminantes Buffet mit allem, was das Herz begehrte, das er aber leider nicht genießen durfte. Vor seinem inneren Auge tauchten Rühreier, Cerealien mit Knusperstückchen und Fettgebackenes auf. Speckstreifen vollendeten die Folter.

      »Guten Morgen.« Der Fremde wirkte ein wenig steif, war aber offensichtlich in der Lage zu sprechen. So weit, so gut, schoss es Jake durch den Kopf. Das war vermutlich die Kategorie ›überforderter, ehrfürchtiger Ersttäter, der umsorgt werden musste‹. Er wusste gar nicht mehr, wann er begonnen hatte, Kategorien zu erstellten und Menschen, vorzugsweise Journalisten, diesen zuzuteilen. So gab es zum Beispiel noch die ›karrieregeilen Schleimer‹, ›die Anbetenden‹ oder ›die Hinterlistigen‹, die plötzlich mit einer zweideutigen Frage über sein Privatleben daherkamen, nachhakten und sich notfalls wie ein Pitbull verbissen, um ganz frech auszutesten, ob er seine Überraschung und Unsicherheit hinter einem Pokerface verstecken konnte.

      Die Schublade, in die er dieses gutaussehende Exemplar gesteckt hatte, war ihm da bei Weitem am liebsten. Auch wenn ein Makel blieb – der Typ war Journalist.

      Der Schmerz in seinem Fuß ließ merklich nach. Also war es jetzt möglich, sich mehr auf sein Gegenüber zu konzentrieren.

      »Janine hat mich gebeten, hier zu warten.« Er warf einen flüchtigen Blick zu der Tür, durch die er den Salon wohl betreten hatte, als erwartete er, die Assistentin dort zum Beweis vorzufinden.

      Jake nahm hinter sich Geräusche wahr, schloss seinen Mund, ohne zu antworten, und wandte sich kurz um. Janine war im Anmarsch. Die Redewendung ›Wenn man vom Teufel spricht‹ traf es ungemein. Erstaunlicherweise blieb sie trotz ihrer energischen Schritte nicht mit ihren Absätzen im Boden stecken, sondern hackte weiter ihrem Ziel entgegen.

      »Oh, gut! Ihr habt euch gefunden! Dann ist ja alles in bester Ordnung.« Ein ironischer und zugleich vorwurfsvoller Unterton hatte in ihren Worten mitgeschwungen. Von wegen in bester Ordnung. Es war doch nun wirklich nicht seine Schuld, dass sie unter Zeitdruck standen und Janine durch die Räume hasten musste! Jake hielt für eine Sekunde den Atem an und rief sich in Erinnerung, dass sie beide nicht allein waren. Er wusste, dass er die aufmüpfige Bemerkung, die ihm auf der Zunge lag, hinunterschlucken musste.

      Atemlos blieb Janine bei Kisha und Jake stehen, der nicht überrascht gewesen wäre, wenn es den Knopf, der die Bluse auf Höhe ihrer Brüste im Moment noch zusammenhielt, mit einem leisen ›Plopp‹ abgesprengt hätte. »Der Redaktion von WM wurde das erste Interview zugesagt. Nun sollten wir aber wirklich beginnen«, drängte sie, als hätte er zuvor widersprochen. Kühl verzog sie ihre Lippen zu einem Lächeln. Nach einem eiligen Blick auf ihr Clipboard wirbelte Janine herum und verschwand wieder.

      Jake sah ihr nach und verspürte Widerwillen. Bildete er sich ihre herablassende Art nur ein? Reagierte er gereizt, weil er übernächtigt war oder sich vor dem Typ keine Blöße geben und wie ein unmündiger Trottel dastehen wollte? Er wusste auch ohne ihre Bevormundung, was er zu tun hatte. Es fehlte gerade noch, dass sie ihm wie einem Welpen den Kopf tätschelte. Jake riss sich zusammen und ließ sich nichts anmerken. Schließlich nutzte es niemandem, wenn sie sich stritten – außer natürlich dem Journalisten, wenn er Zeuge wurde und eine Story daraus machte.

      Als hätte jemand einen Startschuss abgegeben, hakte Jake das, was in den vergangenen Minuten geschehen war, ab und schaltete in seinen Interviewmodus. Lächeln, aufmerksam, freundlich und gesprächig sein – aber auch nicht zu viel preisgeben, war das Motto.

      Zumindest versuchte er es, denn da war plötzlich noch etwas anderes. Etwas, eine Empfindung, die so zart wie ein faszinierender Schmetterling war und nicht ignoriert werden konnte. Wenn er tief in sich hineinhorchte und sich darauf konzentrierte, dann konnte er es fühlen – und es weckte gleichzeitig Argwohn und Erstaunen.

      Argwohn, weil dieses Gefühl nicht sein durfte und Jake ahnte, welche Schwierigkeiten daraus entstehen konnten.

      Erstaunen, weil er nicht für möglich gehalten hatte, diese enorme Anziehungskraft, gegen die man mit bloßem Menschenverstand nichts ausrichten konnte, ausgerechnet jetzt und hier wieder zu spüren.

      Mit Bedauern fragte Jake sich, warum er die Person, die dieses Gefühl auslöste, unter Umständen traf, die Jake nur deshalb ertrug, weil sie zu seinem Job gehörten.

      Für Jake waren Interviews und Journalisten ein notwendiges Übel, das er sich, so gut es ging, vom Hals hielt. Was leider bedeutete, dass sein Gegenüber zu dem Schlag Menschen zählte, die er zu meiden versuchte.

      Und genau hier lag das Problem. Er bezweifelte, dass er das in diesem Fall wollte – oder konnte.

      Jake brauchte es erst gar nicht zu leugnen. Dieser Mann hatte etwas an sich. Etwas, das Jakes Interesse weckte und vermutlich noch Stunden oder Tage später seine Gedanken fesseln konnte – wie das Netz einer Spinne einen gefangenen Schmetterling.

      Warum hatte er ihm nicht in einem einsam gelegenen schottischen Dorf, beim Joggen oder irgendwo sonst über den Weg laufen können? Am besten in einer anderen Welt, in der er nicht Jake Crawford und der andere kein Journalist war. Einfach begegnen – ohne diese negativen Begleiterscheinungen im Schlepptau. Ohne das Misstrauen, das wie ein tiefsitzender Stachel einen unbeschwerten Umgang unmöglich machte.

      Er spürte, dass dieser Mann seinem Seelenheil gefährlich werden konnte – und das, obwohl Jake ihn gerade zum allerersten Mal traf!

      Jake wandte sich seinem Interviewpartner zu, der immer noch neben den Scheinwerfern stand, eine Faust vor den Mund hielt und sich räusperte. Im selben Moment, als er sich in Bewegung setzte, machte auch Jake einen ersten Schritt und testete aus, ob er wieder auftreten konnte. Und tatsächlich, den Druck, den er immer noch im großen Zeh spürte, konnte er getrost ignorieren. Betont lässig schlenderte er ihm entgegen.

      Ein Lächeln stahl sich auf die Lippen des Journalisten und Jake hatte mit einem Mal das Gefühl, von einem guten Freund begrüßt zu werden.

      »Guten Morgen.« Jake fiel auf, dass er sich wiederholt hatte und ihm wäre daraufhin beinahe ein ›doppelt hält besser‹ rausgerutscht. Sie waren voreinander stehen geblieben. Wenn Jake sich nicht täuschte, dann hatten die Wangen seines Gastes eine gesunde Farbe angenommen. Die Vorstellung, den Fremden aus der Fassung zu bringen, brachte Jakes Herz einen Augenblick aus dem Takt und er musste aufpassen, dass er sich nicht ebenfalls verriet. Blieb nur noch die Frage, ob er ihn körperlich anzog und als Mann nervös machte oder ob das Ganze lediglich Jakes Bekanntheitsgrad geschuldet war. Auch wenn Jake es gewohnt war, dass manche seiner Gesprächspartner aufgeregt waren und er für gewöhnlich darüber hinwegsah – ihm wollte er die Unsicherheit nehmen.

      Ohne darüber nachzudenken, streckte er dem Typ die Hand entgegen, um ihn zu begrüßen, und wäre beinahe wieder zurückgewichen. Schon allein diese Geste überführte ihn, wenn man ihn gut genug kannte. Er begann ein Interview niemals mit Handschlag, sondern immer nur mit einer distanzierten Floskel. Nicht in diesem Fall. Ein Gedanke durchzuckte ihn und er fühlte sich ertappt. Bemerkte Kisha das verräterische Händeschütteln, wo er doch sonst immer gegen Journalisten wetterte? Oder war sie noch mit dem Make-up beschäftigt?

      Er gestand sich ein, dass er sogar neugierig war und darauf brannte, den Fremden zu berühren – wenn auch nur zur Begrüßung. Glücklicherweise war es dadurch möglich, die Distanz unauffällig

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