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müssen wir die Lösung beibringen, auf daß nicht nur in Betreff derer, die in gleiche Krankheit und Schwäche verfallen, sondern auch Derjenigen, welche in Armuth und Hunger, in Fesseln und Qualen, in Nachstellung und Verleumdung, in alle Leiden des gegenwärtigen Lebens gerathen, obschon sie heilige und große, ja bewunderungswürdige Menschen sind, — daß auch in Bezug auf Diese aus unserer heutigen Rede eine bündige und überzeugende Vertheidigung gegen Solche, die darauf einen Vorwurf gründen wollen, entnommen werden könne. Denn Viele habt ihr schon sicher Fragen, wie diese, thun hören: „Warum in aller Welt wird denn dieser mäßige und rechtschaffene Mann von jenem andern, der in Sünde und Bosheit dahin lebt, tagtäglich vor Gericht geschleppt und duldet tausend Unbilden, und Gott läßt es zu? Weßhalb mußte ein Anderer auf eine Verläumdung hin eines ungerechten Todes sterben? Der ist ersäuft, heißt es, jener von einem Felsen gestürzt worden. Und viele Heilige könnten wir nennen, sowohl unter uns als bei unsern Ahnen, die eine Fülle der verschiedensten und mannigfaltigsten Trübsale erduldeten.” Damit wir nun in alle diese Dinge eine gründliche Einsicht gewinnen und weder selbst durch sie beunruhigt, noch auch Andere, welche sich daran ärgern, rathlos zu lassen genöthiget werden, so laßt uns sorgfältig beachten, was jetzt gesagt werden wird.

      6.

      Denn ich habe eurer Liebe acht Ursachen aufzuzählen, aus welchen den Heiligen so vielfaches und mannigfaltiges Übel begegnet. Darum leihet mir Alle mit Sorgfalt euer Ohr und wisset, daß wir in Zukunft keinen Vorwand und keine Entschuldigung haben, wenn wir an dergleichen Unfällen Ärgerniß nehmen und, während es so viele Gründe dafür gibt, dergestalt darüber in Unruhe gerathen und erschrecken, als ob keiner da wäre.

      Die erste Ursache demnach ist diese: Damit sie (die Heiligen) ob der Größe ihrer Leistungen und Wunderthaten nicht gleich einem thörichten Dünkel verfallen, deßhalb läßt Gott sie in Unglück gerathen. Die zweite: daß nicht Andere eine höhere Meinung von ihnen hegen, als mit der menschlichen Natur verträglich ist, und wähnen, sie seien Götter und nicht Menschen. Die dritte: damit die Kraft Gottes offenbar werde, indem sie durch Schwache und Gefesselte herrschet und obsiegt und die Predigt (des Evangeliums) mehrt. Die vierte: damit ebenderselben Geduld um so mehr offenbar werde, darin, daß sie Gott nicht um Lohn dienen, sondern eine so edle Gesinnung an den Tag legen, daß sie auch nach so beschwerlichen Leiden noch eine unverfälschte Liebe gegen ihn zeigen. Die fünfte: daß wir den Gedanken an die Auferstehung innig umfassen; denn wenn du einen gerechten und mit großer Tugend gezierten Menschen zahllose Unfälle leiden und so von hinnen scheiden siehst, so wirst du auch wider Willen sicher gezwungen, an das Gericht jenseits zu denken. Wenn nämlich schon Menschen Diejenigen, welche sich für sie abmühen, nicht ohne Lohn und Vergeltung von sich gehen lassen: wie viel weniger könnte Gott es je über sich gewinnen, Jene ohne Krone zu lassen, die so Schweres erlitten! Wenn er es aber nicht vermag, sie der Vergeltung ihrer Mühen je zu berauben, so muß nothwendig nach dem Ende hienieden eine Zeit kommen, in der sie die Belohnung für ihre Mühen hienieden empfangen werden. Die sechste: auf daß Alle, welche in Unfälle gerathen, auf Jene schauen und ihres harten Looses gedenken, um daraus genügenden Trost und Zuversicht zu schöpfen. Die siebente: daß, wenn wir euch ermahnen, tugendhaft zu sein wie Jene, und zu einem Jeden von euch sagen: Ahme den Paulus, eifere dem Petrus nach! ihr nicht etwa glaubet, sie seien ihrer ungemeinen Leistungen wegen einer andern Natur theilhaftig, und daß ihr nicht nachlässig seid. Die achte: daß, wenn es aufs Seligpreisen und Beklagen ankömmt, wir daraus lernen, welche man für glücklich, und welche man für elend und beklagenswerth halten müße.

      Das also wären die Ursachen. Wir müssen sie aber alle aus der Schrift beglaubigen und mit Sorgfalt darthun, daß Alles, was wir gesagt, nicht Erzeugniß menschlicher Klugheit, sondern Lehre der heiligen Schrift sei; denn auf diese Weise wird auch unser Wort glaubwürdiger sein und in euren Herzen sich besser festsetzen.

      Daß nun das Mißgeschick den Heiligen dazu verhilft, bescheiden und demüthig zu bleiben und ob ihrer Zeichen und Tugenden nicht aufgeblasen zu werden, und daß Gott dessen Dasein darum gestattet: das können wir vom Propheten David und von Paulus vernehmen, die Dasselbe behaupten. Denn jener spricht: „Es ist mir gut, daß du mich gedemüthigt hast, damit ich deine Satzungen lerne.” 13 Dieser aber sagt zuerst: „Ich ward in den dritten Himmel entrückt und in’s Paradies entführt” und fährt fort mit den Worten: „Und damit ich mich nicht der hohen Offenbarungen wegen erhebe, wurde mir ein Stachel in’s Fleisch gegeben, ein Engel des Satan, daß er mir Faustschläge gebe.” 14Was kann deutlicher sein? Daß ich mich nicht überhebe, deßhalb, sagt er, ließ es Gott zu, daß ein Engel des Satan mir Faustschläge gebe. Unter den Engeln Satans versteht er aber nicht böse Geister, sondern die Menschen, welche dem Satan dienen, die Ungläubigen, die Tyrannen, die Heiden, die ihn fortwährend peinigten und ohne Unterlaß hetzten. Was er sagt, ist nun Dieses. Gott konnte, meint er, die Verfolgungen und die unaufhörlichen Trübsale zurückhalten; aber damit ich, nachdem ich in den dritten Himmel erhoben und in das Paradies entrückt worden war, ob der überschwenglichen Offenbarungen mich nicht überhöbe und hochmüthig würde, hat er diese Verfolgungen zugelassen und Satans Engeln gestattet, durch jene Verfolgungen und Trübsale mich mit Fäusten zu schlagen, „damit ich mich nicht überhebe.” Denn wenn auch Paulus und Petrus, und wer immer in diese Klasse gehört, heilige und bewunderungswürdige Männer sind, — und das sind sie in Wahrheit, — so bleiben sie dennoch Menschen und haben große Vorsicht vonnöthen, auf daß sie nicht leichtlich dem Hochmuth verfallen, und gerade die Heiligen unter Allen am meisten; denn Nichts verleitet so gewöhnlich zum Stolz als das Bewußtsein großer Verdienste und eine Seele, die in Zuversicht lebt. Damit nun Jenen Solches nicht widerfahre, läßt Gott besagte Anfechtungen und Trübsale über sie kommen, die sie demüthige und lehren könne, in allen Stücken bescheiden zu sein.

      7.

      Daß aber gerade sie (die Leiden) sehr viel dazu beitragen, die Macht Gottes zu offenbaren: auch das vernimm von demselben Apostel, der Dieß früher gesagt hat. Auf daß du nämlich nicht sagest, was die Ungläubigen wähnen, daß Gott, der Solches zuläßt, ein Schwächling sei und darum, weil er die Seinen den Gefahren nicht zu entreissen vermag, gestatte, daß sie unaufhörlich geplagt werden: so gib auch darauf Acht, wie Paulus durch jene Stelle beweist, daß Fälle solcher Art Gott nicht allein der Schwäche nicht zeihen, vielmehr die Macht desselben Allen herrlicher kund thun. Denn, nachdem er gesagt: „Mir ist ein Stachel in’s Fleisch gegeben, ein Engel des Satan, daß er mir Faustschläge gebe,” womit er seine beständigen Versuchungen bezeichnet, setzt er hinzu: „Um deßwillen habe ich dreimal den Herrn gebeten, daß er von mir weiche.” Und er sagte zu mir: „Meine Gnade genügt dir; denn meine Kraft wird in der Schwachheit vollkommen.” 15 Dann offenbart sich meine Kraft, sagt er, wenn ihr in Schwachheit seid und durch euch, die ihr schwach zu sein scheinet, das Wort des Evangeliums gemehrt und überall hin ausgesäet wird. So hat der Apostel, nachdem er zahllose Schläge empfangen hatte und in den Kerker geworfen worden war, den Kerkermeister gefesselt. Seine Füße lagen im Block, seine Hände in Ketten; und das Gefängniß erbebte mitten in der Nacht, als sie Gott lobten. 16Siehst du, wie die Kraft Gottes in den Schwachen sich mächtig erwies? Wäre Paulus, als jenes Haus erbebte, nicht gebunden gewesen, so wäre die Begebenheit nicht in dem Grade wunderbar. Deßhalb sagt Gott: Bleibe in den Banden, und die Mauern sollen allenthalben erschüttert und die Gefangenen los werden, damit meine Macht um so herrlicher kund werde, wenn durch dich, der selbst an Händen und Füßen gefesselt ist, alle Gefangenen frei werden. Gerade Dieses nun versetzte auch dazumal den Kerkermeister in Staunen, daß der Apostel, obwohl so schwerem Zwang unterliegend, durch bloßes Gebet die Grundvesten zu erschüttern, die Thüren des Kerkers zu öffnen und die Gefesselten allesammt zu lösen vermochte. Aber nicht hier allein, sondern auch bei Petrus, und bei Paulus noch sonst, und bei allen andern Aposteln kann man Dieses immerfort zutreffen sehen, daß Gottes Gnade in den Verfolgungen immer emporblüht und sich in den Trübsalen zeigt und so dessen Obmacht verkündet. Deßhalb sagt er: „Meine Gnade genügt dir; denn meine Kraft wird in der Schwachheit vollkommen.”

      Ferner daß auch Viele oft Höheres hinter ihnen gesucht haben würden, als menschliche Natur verträgt, wenn sie dieselben nicht so schwer hätten leiden sehen, höre wie Paulus selbst Dergleichen befürchtet: „Denn wenn ich mich auch

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