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zu sein. »Ich hatte Sie doch ausdrücklich um Diskretion gebeten«, murmelte er vorwurfsvoll.

      »Die sei Ihnen auch weiterhin zugesichert, vorausgesetzt natürlich, dass die Tatsachen nicht gegen Sie sprechen. Und um diese aufzuklären, sind wir heute Abend zusammengekommen. In Anbetracht der ernsten Angelegenheit konnte ich auf einen zuverlässigen Zeugen eben nicht verzichten«, erklärte ihm Sidonie ungerührt, während der Apotheker geistesabwesend auf zwei Stühle wies.

      »Sie sprechen in Rätseln liebes Fräulein Weiß. ›Ernste Angelegenheit‹ und ›Tatsachen, die gegen mich sprechen‹. Was um Himmels willen meinen Sie damit? Sie führen sich schlimmer auf als ein Polizeiwachtmeister, ich dachte, Sie recherchieren für einen Kriminalroman?«

      »Das war ehrlich gesagt nur ein Vorwand. In Wahrheit ist mir sehr daran gelegen, zur Aufklärung des Giftmordes an Gerlinde Dietz beizutragen. Und die war nicht nur in Ihrem Hause als Dienstmädchen beschäftigt, sondern wusste zudem über Ihre seltsame Veranlagung Bescheid.«

      »Wollen Sie mir etwa unterstellen, dass ich etwas mit dieser Mordgeschichte zu tun habe?«, entrüstete sich Saltzwedel, dem, obgleich er auf Sidonies letzte Worte nicht einging, Schweißperlen auf die Stirn getreten waren.

      »Sprechen wir es doch einmal deutlich aus: Sie haben eine abartige Veranlagung, bitte ersparen Sie es mir, weiter ins Detail zu gehen, und Gerlinde Dietz wusste davon. Sie sind ein angesehener Mann und haben einen Ruf zu verlieren. Es sind schon Leute geringfügigerer Dinge wegen umgebracht worden. Außerdem wurde Gerlinde Dietz vergiftet. Mit einem seltenen Gift. Als Apotheker sitzen Sie sozusagen an der Quelle, und es dürfte Ihnen ein Leichtes gewesen sein, es ihr zu verabreichen.« Das Fräulein blickte Saltzwedel fest in die Augen, der mehr und mehr die Fassung zu verlieren schien. Mit zittrigen Händen holte er aus einem der Schränke eine Cognacflasche und schenkte sich, nachdem er auch seinen Gästen etwas davon angeboten hatte, einen großzügigen Schluck in ein Wasserglas, das er auf einen Zug leerte.

      »Auf den Schrecken hin musste das sein«, erklärte er kurzatmig. »Ich versichere Ihnen auf Ehre und Gewissen, mit dem Mord an der armen Anna habe ich nicht das Geringste zu tun!«

      »Gerne würde ich Ihren Worten Glauben schenken, und es bereitet mir gewiss kein Vergnügen, im Privatleben anderer Leute herumzustochern. Das Gift, welches der Ermordeten verabreicht wurde, führt je nach Dosierung bereits nach einer Stunde zum Tod. Ich muss Sie daher jetzt fragen: Wo waren Sie am Samstag, den 25. August, in der Zeit von vier Uhr nachmittags bis halb sechs Uhr abends?«

      Ottmar Saltzwedel war blass geworden und schenkte sich noch einen dreifachen Cognac ein.

      »Das geht Sie gar nichts an, Sie aufgeblasene Pute! Sie haben überhaupt kein Recht, mich derart zu verhören. Scheren Sie sich mitsamt Ihrem alten Schwerenöter zum Teufel, und lassen Sie mir meine Ruhe!«

      »Herr Saltzwedel, ich muss doch sehr bitten! So behandelt man keine Dame. Wenn Sie sich weiterhin so rüpelhaft und verstockt gebärden, steigen Fräulein Weiß und ich auf der Stelle in die Kutsche und fahren zur Hauptwache. Dann hat es sich von wegen Diskretion! Bin gespannt, was der Herr Polizeiinspektor dazu sagen wird. Und erst recht die Herren von der Zeitung. Ich treffe sie gleich morgen im Kaffeehaus …« Johann hatte sich gemeinsam mit Sidonie erhoben und strebte finsteren Blickes zur Eingangstür, wo der Schlüssel von innen steckte.

      »Nein, warten Sie. So war das doch nicht gemeint. Außerdem möchte ich Sie mal sehen, mein lieber Friedrich, wie Sie aus der Wäsche gucken würden, wenn man Ihnen einen gemeinen Meuchelmord unterstellt. Und das noch von einer Freizeitdetektivin. Das muss man sich mal überlegen!« Saltzwedel schüttelte ungehalten seinen Glatzkopf, der inzwischen wie eine Speckschwarte glänzte. Die hellgrünen, vorstehenden Augen waren blutunterlaufen. Er schenkte sich sein Glas noch einmal voll, nahm einen tiefen Schluck und schien angestrengt nachzudenken.

      »Also gut, wenn Sie mir beide Ihr Ehrenwort geben, dass keine Menschenseele etwas davon erfährt, sage ich Ihnen, wo ich an besagtem Samstagnachmittag zwischen vier und halb sechs Uhr gewesen bin«, lenkte er schwerzüngig ein. Nachdem ihm Sidonie und Johann zugesagt hatten, die Angelegenheit absolut vertraulich zu behandeln, fuhr Saltzwedel stockend fort: »Ich war im Hause von Madame Zink in der Großen Gallengasse Nummer 23. Dort hatte ich eine Verabredung mit einer Dame.«

      »Mein lieber Saltzwedel, auch wenn wir Ihnen unser Stillschweigen zugesichert haben, so kommen wir doch nicht umhin, Ihre Angaben zu überprüfen, das werden Sie hoffentlich verstehen. Also ist es selbst in diesem delikaten Fall unumgänglich, dass Sie uns den Namen der Dame nennen«, insistierte das Fräulein.

      »Was denn, Sie wollen auch noch dorthin gehen und nachfragen? Ich versichere Ihnen auf Ehre und Gewissen, dass ich zur fraglichen Zeit dort war und nichts, aber auch gar nichts mit dem Mord an Gerlinde Dietz zu tun habe. Ich gebe Ihnen mein Ehrenwort, das ist die reine Wahrheit«, beteuerte der Apotheker mit erhobener Stimme und reichte Sidonie mit theatralischer Geste die Hand, die diese widerwillig ergriff.

      »Herr Saltzwedel, ich glaube Ihnen. Aber um ganz sicher zu sein, benötige ich dennoch den Namen der Dame«, beharrte die Dichterin, obgleich ihr Saltzwedel inzwischen fast leid tat.

      »Gilt denn das Wort eines Ehrenmannes überhaupt nichts mehr?«, näselte Saltzwedel gekränkt und schien den Tränen nahe. »Sie sind eine kaltherzige Person«, fügte er mit bebender Stimme hinzu.

      »Mitnichten, Herr Saltzwedel, mitnichten. Und jetzt den Namen bitte!«

      »Sie hat aber keinen Namen. Alle nennen sie nur die ›Miss‹. Oh je, das wird Ärger geben«, murmelte er wie zu sich selbst und senkte schicksalsergeben den Blick.

      H

      Von außen betrachtet wirkte das Haus in der Großen Gallengasse Nummer 23 völlig unauffällig. Darauf hatte Madame Zink, eine gutsituierte Kaufmannswitwe, die das hübsche kleine Anwesen von ihrem Gatten geerbt hatte, schon immer großen Wert gelegt. Nur Eingeweihte wussten, dass sich im ersten Stock der Villa ein heimliches Bordell der gehobenen Klasse befand.

      Jungfern aus Mainz, Würzburg und auch aus Frankfurt, allesamt jung und attraktiv, standen den Besuchern zur Verfügung. Madame Zink nahm auch Sonderwünsche entgegen. Für Geld, so hieß es hinter vorgehaltener Hand, konnte man bei ihr alles bekommen. Jungfräuliche Bürgerstöchter, verheiratete Damen, Dienstmädchen und gestrenge Gouvernanten konnten im Bedarfsfall ebenso vermittelt werden wie Lustknaben und Transvestiten. Das Haus galt als eine der ersten Adressen Frankfurts. Die Einrichtung war vortrefflich und entsprach exklusiven Ansprüchen. Hier verkehrten vor allem die wohlhabenden und angesehenen Herren der Stadt, die äußersten Wert auf Diskretion legten. Auch reiche Messebesucher gehörten zu den Stammgästen.

      Eine besondere Spezialität des Hauses waren die abgedunkelten Zimmer, wo der Besucher von willigen Damen empfangen wurde, die nahezu jeden Wunsch erfüllten. Einzige Bedingung: Es musste dunkel bleiben. Denn die Damen, so wurde gemunkelt, entstammten der besten Frankfurter Gesellschaft und wollten auf keinen Fall erkannt werden.

      Als Johann, dem das Etablissement aus früheren Jahren noch gut in Erinnerung war, an jenem Abend die Glocke läutete und sich kurz darauf bei der Inhaberin nach einer gewissen ›Miss‹ erkundigte, erhielt er zunächst eine abschlägige Antwort: »Ich bedaure, mein Herr, aber die Miss empfängt nur nach Absprache. Da kann ich keine Ausnahme machen. Wenn Sie möchten, notiere ich Sie für die kommende Woche, sagen Sie doch bitte, wann es Ihnen gelegen kommt.«

      Madame Zink, eine elegante, gutaussehende Dame um die 40, saß hinter ihrem zierlichen Sekretär aus poliertem Wurzelholz und blickte Johann abwartend an. Als dieser zögerte und aus seinem Unmut keinen Hehl machte, fügte die Inhaberin des Nobel-Bordells entgegenkommend hinzu, dass er auch die Möglichkeit habe, auf eine andere Dame zurückzugreifen, vorausgesetzt, es müsse nicht unbedingt eine Gouvernante sein. »Ich weiß ja nicht, wonach Ihnen sonst noch der Sinn steht. Aber Madame Herzog wäre momentan gerade frei. Was nicht häufig vorkommt, das darf ich Ihnen versichern, denn sie ist ebenso gefragt wie unsere Miss, auch wenn man die beiden Damen natürlich nicht miteinander vergleichen kann. Madame Herzog ist bekannt für ihre feurigen Küsse, die nichts zu wünschen übriglassen, wenn Sie verstehen, was ich meine …«, erläuterte die Bordellwirtin

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