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Madame empfängt. Ursula Neeb
Читать онлайн.Название Madame empfängt
Год выпуска 0
isbn 9783839234723
Автор произведения Ursula Neeb
Издательство Автор
Die geschäftsmäßige Freundlichkeit von Madame Zink war mit einem Mal wie weggeblasen. »So etwas hat in meinem Hause nichts zu suchen. Mit wie auch immer gearteten Mordfällen haben wir nichts zu tun und wollen es auch nicht, damit das klar ist. Und jetzt wäre ich Ihnen sehr verbunden, wenn Sie mich nicht länger behelligen würden«, beschied ihm Madame kühl.
»Wie Sie wünschen, Verehrteste. Stellen Sie sich aber bitte darauf ein, dass Sie in der Angelegenheit schon sehr bald Besuch von der Gendarmerie bekommen werden, die ich im Falle Ihres mangelnden Entgegenkommens leider zu unterrichten gezwungen wäre. Und diese Herren werden dann gewiss mehr Staub aufwirbeln als meine Wenigkeit, das darf ich Ihnen versichern. Im Gegensatz zu unserer lieben Polizei ist mir nämlich sehr wohl an einer behutsamen Ermittlung gelegen.«
Madame Zink dachte kurz nach. »Also gut. Was wollen Sie wissen?«, raunzte sie unwirsch. Johann formulierte bedachtsam sein Ansinnen, als er aber den Namen ›Saltzwedel‹ erwähnte, wurde ihm rüde das Wort abgeschnitten.
»Mein lieber Herr Friedrich, wie Ihnen sicherlich bekannt sein dürfte, suchten Sie uns noch vor einigen Jahren das eine oder andere Mal auf, gilt doch mein Haus als eine der ersten Adressen Frankfurts. Bei uns wird größten Wert auf Diskretion gelegt. Deswegen werde ich den Teufel tun, Ihnen irgendetwas über meine Kunden preiszugeben!«
»Es wäre aber ganz im Sinne von Herrn Saltzwedel, wenn Ihre Miss seine Angaben bestätigen würde«, gab Johann zu bedenken.
»Na, die wird Ihnen was husten, das kann ich Ihnen versprechen!«, erwiderte Frau Zink grimmig. »Da habe ich eine bessere Idee. Sie lassen sich gemeinsam mit Herrn Saltzwedel einen Termin bei der Miss geben, stellen in seinem Beisein Ihre Fragen, und wenn die Miss gnädig gestimmt ist, wird Sie Ihnen vielleicht eine Antwort geben. Vielleicht aber auch nicht.« Madame Zink lächelte süffisant, läutete nach dem Dienstmädchen und wollte Johann hinausbegleiten lassen, als es an der Tür klingelte.
»Das sind Schüler von der Miss, Emma. Kümmere dich bitte darum und bring sie schon mal ins Schulzimmer, damit der Unterricht pünktlich beginnen kann. Und den da bringst du bitte nach draußen. Ich bin dann mal kurz abwesend«, richtete sich die Bordellwirtin an das herbeieilende Dienstmädchen und verließ den Empfangsraum durch eine schmale, tapezierte Hintertür mit der Aufschrift ›Privat‹. Johann hatte sich in den Schatten eines großen Gummibaums zurückgezogen und wartete ab. Kurz hintereinander läutete es noch zweimal an der Eingangstür, drei Herren in Frack und Zylinder traten in das Foyer und übergaben dem Dienstmädchen ihre Hüte. Johann mischte sich unauffällig unter sie und tat es ihnen gleich. Die Dienstmagd blickte sich suchend im Empfangsraum um, runzelte ratlos die Stirn und bat die Herren schließlich, ihr zu folgen. Über eine lange, gewundene Treppe, deren Stufen mit einem flauschigen, dunkelroten Läufer ausgelegt waren, gelangten sie in den ersten Stock. Am Ende einer Zimmerflucht erreichten sie eine Flügeltür mit der Aufschrift ›Klassenzimmer‹. Das Dienstmädchen öffnete die Tür ohne anzuklopfen, bat Johann und die drei anderen Herren, sich auf ihre Plätze zu begeben und sich ruhig und gesittet zu betragen, der Unterricht beginne in Kürze. Johann staunte nicht schlecht, als er den Raum erblickte, der bis ins kleinste Detail die getreue Nachbildung eines Schulzimmers darstellte. An der Stirnseite hing eine große Tafel. Rechter Hand davon war eine Weltkarte angebracht. In einem Wandregal befand sich neben Schulbüchern und einem Stapel Atlanten auch ein Globus. In den Regalfächern reihten sich überdies ausgestopfte Säugetiere und Vögel, an der Seite baumelte gar ein menschliches Skelett. Auf einem Podest vor der Tafel erhob sich der Lehrerkatheder. Johann, der sich ebenso wie die anderen ›Schüler‹ auf einer der in Dreierreihen aufgestellten Schulbänke niedergelassen hatte, sah, dass auf dem Lehrerpult außer den obligatorischen Schreibutensilien und einem Klassenbuch auch verschiedene Rohrstöcke und Ruten sowie Holzlineale in unterschiedlichen Größen angeordnet waren. Kurz bevor die Schulglocke durchdringend läutete, entdeckte er mit leichtem Amüsement in der hinteren Ecke des Klassenzimmers sogar eine Eselsbank. Während er seine Blicke noch im Raum umherschweifen ließ und überlegte, wie er sich am besten der Miss gegenüber verhalten sollte, wurde die Flügeltür aufgerissen, und eine große, hagere Dame in einem schwarzen, hochgeschlossenen Kleid eilte im Stechschritt ins Klassenzimmer. Unter dem knöchellangen Saum ihres schmucklosen Gewandes waren schwere Reitstiefel zu erkennen, und in der rechten Hand hielt sie eine Reitgerte. Die dunklen Haare waren straff nach hinten gekämmt und im Nacken zu einem Knoten zusammengesteckt. Die herben Gesichtszüge mit den hohen Wangenknochen und der schmallippige Mund waren gänzlich ungeschminkt. Mit starren, gelben Raubvogelaugen und unbewegter Miene fixierte die Miss der Reihe nach ihre Schüler, und Johann kam es so vor, als könne sie bis auf den Grund seiner Seele spähen. Ehe er sich versah, fürchtete er sich vor diesem durchdringenden, erbarmungslosen Blick wie ein kleiner, unartiger Pennäler vor der Knute des Magisters. Die drei anderen Herren waren beim Eintreffen der Miss augenblicklich von ihren Bänken hochgeschnellt.
»Guten Abend, Miss!«, riefen sie im Chor. Johann war ebenfalls aufgestanden und zögerte zunächst noch, das Wort an die Miss zu richten. Doch sie kam ihm zuvor.
»Ein Neuzugang also. Wie ist dein Name?«, bellte sie in Johanns Richtung, während sie sich hinter dem Lehrerpult niederließ und den übrigen Schülern bedeutete, sich zu setzen.
»Ich heiße Johann Konrad Friedrich und möchte eigentlich nicht Ihren Unterricht stören, aber ich hätte Sie gerne etwas gefragt. Das muss auch nicht gleich sein, sondern später, wenn Sie Zeit haben. Ich kann ja vielleicht draußen auf Sie warten«, gab Johann in bemüht munterem Tonfall von sich, als sich auch schon die Miss wie eine Harpyie auf ihn zubewegte und die Reitgerte haarscharf an seinem Ohr vorbei einen Millimeter neben seiner linken Hand auf das Pult knallen ließ.
»Ich stelle hier die Fragen und sonst niemand! Ist das klar? Für unaufgefordertes Sprechen gibt es zehn Schläge aufs blanke Hinterteil mit dem spanischen Rohr. Hosen runter, Friedrich, und übers Pult mit dir!«, zischte sie ihm ins Gesicht wie eine wütende Königskobra, die gleich zuschlagen wird.
»Aber ich möchte Sie doch nur kurz etwas fragen. Bitte, kann ich nicht irgendwo auf Sie warten? Es ist wichtig«, bat Johann sie inständig.
»Halt auf der Stelle den Mund, Friedrich, oder ich verdresche dich so, dass du in keinen Sarg mehr passt. Ab mit dir in die Eselsecke und die Eselsmütze auf. Da bleibst du so lange stehen, bis ich dir Bescheid gebe. Und sei dir gewiss, auf dich wartet heute noch eine Extralektion.« Die hochgewachsene Dame schien trotz ihrer Hagerkeit über erhebliche Körperkräfte zu verfügen, denn sie umklammerte Johanns Unterarm mit eisernem Griff und zerrte den verdatterten Mann zur Eselsecke, wo sie ihm grob die haarige Eselsmütze mit den überlangen Ohren über den Kopf stülpte. Das alles vollzog sich so schnell, dass Johann gar nicht recht wusste, wie ihm geschah, und ehe er sich besinnen konnte, war um ihn herum alles stockfinster. Er lehnte sich an die Wand und beschloss, zunächst einmal abzuwarten. Wenigstens war er so außerhalb der Gefechtslinie, und der ›Unterricht‹ ging ohne ihn weiter, was ihn in Anbetracht dessen, was er nach und nach zu hören bekam, zunehmend mit Erleichterung erfüllte. Immer wieder mussten die Schüler Aufgaben lösen und wurden für den kleinsten Fehler von der gestrengen Lehrerin gezüchtigt. Ständig vernahm Johann unter seiner Mütze das fahrige Stottern der verängstigten Kandidaten und die bösartigen Beschimpfungen der Miss, die ihre Züchtigungen begleiteten. Die Gepeinigten keuchten und stöhnten in wolllüstiger Qual um die Wette, und endlich, Johann waren vom langen Stehen schon die Beine eingeschlafen, schien der Unterricht ein Ende gefunden zu haben. Er vernahm noch die devoten Abschiedsgrüße der drangsalierten Herren, hörte, wie der Schlüssel im Türschloss gedreht wurde und dann herrschte Stille. Erschrocken riss er sich die Eselsmütze vom Kopf, doch im Klassenzimmer war alles dunkel. Er tastete nach der Tür, versuchte sie zu öffnen, musste jedoch feststellen, dass sie abgesperrt war. Ratlos lehnte er sich dagegen und überlegte, was er tun sollte, als sich von draußen Schritte näherten. Gleich darauf wurde aufgeschlossen, und Johann sah sich vis-à-vis mit der Miss, Madame Zink und einem vierschrötigen Kerl, der Johann um mindestens drei Haupteslängen