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und John sagte, dass er für sein Instrument eine offene G-Stimmung bevorzugte, so wie beim Banjo. Seine Mutter hatte ihm das so beigebracht, und er hatte nie gelernt, wie man eine Gitarre eigentlich richtig stimmte. Sie redeten über Songs, verglichen, welche sie kannten und welche sie immer noch zu knacken hofften. Als Paul Eddie Cochrans „Twenty Flight Rock“ erwähnte, flackerte Interesse in Johns Augen auf – beherrschte er den wirklich? Akkorde, Text und alles? Paul strahlte. Na klar! Er deutete auf Johns Gitarre. Darf ich mal? John zuckte die Achseln. Paul nahm die Gitarre, griff nach den Knebeln und brachte das Instrument schnell in die normale Stimmung. Dann drehte er es um, suchte nach dem G-Akkord, was nicht so einfach war, weil die Saiten nun in der umgekehrten Reihenfolge waren, und begann mit der ersten Strophe: Oh well, I gotta girl wih a record machine …

      Die Quarrymen waren überwältigt. „Es war der Wahnsinn“36, sagte Eric Griffiths, der andere Gitarrist. „Er hatte so ein Selbstbewusstsein, er legte einen richtigen Auftritt hin.“

      Ivan strahlte. Selbst John schien beeindruckt. Paul, der begeistert war, endlich einmal Publikum zu haben, machte weiter. Er versuchte sich an „Be-Bop-A-Lula“ – eine sehr selbstbewusste Wahl, da die Quarrymen den Titel gerade selbst erst gespielt hatten – und dann an einer Reihe von Little-Richard-Hits: „Tutti Frutti“, „Long Tall Sally“, „Good Golly Miss Molly“. Paul hatte sich in die wogenden Basslinien Little Richards und in seinen energiegeladenen, überschlagenden Gesang verliebt und Stunden damit zugebracht, jedes A-wop-bop-a-loo-bop und alle durchdringenden Falsett-Schreie einzustudieren.

      „Er konnte auf eine Art und Weise spielen und singen, die keiner von uns beherrschte, auch John nicht“, berichtete Griffiths. „Wir konnten nicht genug davon bekommen.“ John war ganz offensichtlich begeistert, er lachte und klatschte mit. Als Paul schließlich aufhörte, dachte John durchaus darüber nach, den Neuen in seine Band zu holen, aber er bremste sich. „Bis dahin war ich der Boss gewesen“37, erklärte er Hunter Davies 1967. „Wenn ich ihn jetzt hereinnehme, so überlegte ich, was passiert dann? Ich muss ihn in Schach halten, wenn ich ihn reinlasse. Aber er war gut. Es lohnte sich, ihn zu holen.“ Sie trennten sich an jenem Abend, ohne sich zu einem weiteren Treffen verabredet zu haben. Aber John diskutierte die Idee mit seinem besten Freund und Bandkollegen Pete Shotton, als sie am Abend nach Hause gingen, und Pete war sofort seiner Meinung: Paul würde eine hervorragende Ergänzung für die Band sein. Als Pete ein paar Tage später zufällig sah, dass Paul auf seinem Raleigh-Fahrrad zu Ivan fuhr, winkte er ihn zu sich heran und fragte ihn, ob er nicht Lust hätte, den Quarrymen beizutreten. Paul zuckte die Achseln, nickte. Ja, klar, warum nicht. Wäre bestimmt lustig. Also, drängte ihn Shotton weiter, könnte er dann vielleicht zur Probe fürs nächste Konzert kommen, in der Innenstadt im Cavern Jazz Club am 8. August? Paul verzog das Gesicht. Hm, na ja, da würde er gerade in Urlaub sein. Aber er käme nicht lange danach wieder zurück, wäre das dann auch in Ordnung? Shotton nickte, und als er anschließend in die Menlove Avenue einbog, fuhr Paul wieder mit seinem Fahrrad davon. „Von diesem Augenblick an ging alles in eine ganz neue Richtung für mich“, sagte er Davies. „Nachdem ich John kennengelernt hatte, wurde alles anders.“

      Kapitel 3

      Er hatte damals noch durchaus etwas Weiches an sich. Jedenfalls wirkte er ein wenig rundlich – Paul war, als er ins Teenageralter kam, noch immer ein wenig Babyspeck geblieben, was teilweise auch den Kuchen und Süßigkeiten zu verdanken war, mit denen die mutterlosen McCartney-Jungen von den besorgten Tanten verwöhnt wurden. Diese kleine Schwäche nutzte Mike gern aus, der schnell begriffen hatte, dass er seinen großen Bruder sofort zur Weißglut bringen konnte, wenn er ihn als „Fatty“ verspottete. Aber unter Pauls runden Wangen und den sanften braunen Augen verbarg sich ein stählerner Wille und eine Selbstsicherheit, die für einen Jugendlichen seines Alters verblüffend waren.

      „Er war ein geborener Anführer – er liebte die Gesellschaft anderer und war sehr beliebt“38, sagte Jack Sweeney, der moderne Sprachen unterrichtete. „Und trotzdem hatte er eine gewisse Zähigkeit an sich. Er konnte die Klasse wirklich fesseln.“ Vor allem aber glaubte Paul, wie Sweeney sich erinnerte, ganz überzeugt an sich selbst. „Er hatte dieses außergewöhnliche Vertrauen in seine eigenen Qualitäten.“

      Pauls Selbstsicherheit zeigte sich auch in jener Woche, die er mit Mike und ein paar Dutzend Mitschülern vom Liverpool Institute kurz nach dem Kirchenfest in Woolton in einem Pfadfinderlager verbrachte. Die Tage vergingen ohne weitere Vorkommnisse – abgesehen davon, dass Paul eines Tages eine gefährliche Kletterpartie anregte, bei der sich Mike den Arm brach und ins Krankenhaus nach Sheffield gebracht werden musste. Abgesehen von diesem Unfall staunte der Pfadfinderleiter Arthur Evans vor allem über Pauls Bereitschaft, etwas vorzutragen, wenn sie nachts am Lagerfeuer saßen. Paul hatte natürlich seine Gitarre mitgebracht, und sobald sich die Pfadfinder um die Flammen scharten, verwandelten sich die Abende in kleine McCartney-Konzerte voller witziger Überleitungen zwischen den damals beliebten Rocksongs und einigen McCartney-Eigenkompositionen, wie sich Evans erinnerte. „Er hatte kein Problem damit, das ganze Lager zu unterhalten, und das waren dreißig oder vierzig Jungen.“39

      Die Gitarre reiste auch in den Familienurlaub mit, als Vater Jim mit seinen Söhnen ins Feriencamp Butlins nach Nord-Wales fuhr. Die Butlins-Camps waren komplett ausgestattete Freizeit-Anlagen, die den Urlaubern aus der Arbeiterklasse von morgens bis abends alle möglichen Aktivitäten boten. Ganze Scharen rot uniformierter Angestellter standen bereit, um kleine Vergnügungen zu organisieren, von Krocket-Turnieren über Kunstkurse bis zum Camp-eigenen Radiosender. Zwei Verwandte der McCartneys, Bett und ihr Ehemann Mike Robbins, arbeiteten dort als Animateure. Der ruppige, schnurrbärtige Mike organisierte und leitete auch die Abendunterhaltung im Camp sowie die Talentshow am Wochenende. Paul meldete sich sofort dafür an und verbrachte Stunden damit, seine Version von Little Richards „Long Tall Sally“ gründlich aufzupolieren. Da er allerdings erkannte, dass ein Vortrag von zwei Brüdern mit viel Harmoniegesang wesentlich mehr zu Herzen gehen würde, bat er Mike, ihn bei der Fassung des Everly Brothers-Hits „Bye Bye Love“ zu unterstützen. Sie hatten das Lied zu Hause im Wohnzimmer doch oft genug gesungen, also hatten sie es auch drauf. Das konnte doch wohl nicht so schwer sein?!

      „Kommt nicht infrage“40, erwiderte Mike jedoch. Er trug schließlich immer noch den Arm in einer Schlinge. Ihm ging es nicht gut. Vor allem aber hatte er nicht die geringste Absicht, auf eine Bühne zu gehen und vor tausend fremden Leuten zu singen.

      Paul suchte Unterstützung bei Jim, und der frühere Bandleader stellte sich gleich auf die Seite seines rampenlichtverrückten Sohnes. „Es ist doch nur ein bisschen Spaß. Was hast du schon zu verlieren?“

      Paul lächelte. „Du machst doch mit, oder?“

      Mike willigte zögernd ein, und die McCartney-Brüder gaben ihren ersten und auch letzten Auftritt als Duo. Paul beendete seine Nummer mit einer Soloeinlage des ausgiebig geübten „Long Tall Sally“, und obwohl sie zu jung waren, um sich um den Hauptpreis von 5000 Pfund zu bewerben, gewannen sie ihren ersten Fan – ein Mädchen namens Angela, das ihnen nach dem Urlaubsflirt eine Reihe schwärmerischer Liebesbriefe schickte. Sie waren allesamt an Mike adressiert, der sie allerdings jahrelang nicht zu Gesicht bekam. Sein eifersüchtiger großer Bruder hatte die Post sorgsam aus dem Briefkasten genommen, gelesen und dann ordentlich weggepackt.

      * * *

      Pauls erste Probe mit den Quarrymen fand an einem Samstagnachmittag im Spätsommer statt. Die Band traf sich normalerweise zu Hause bei Eric Griffiths, weil dessen Vater im Krieg gefallen war und seine Mutter arbeitete und deshalb meist nicht da war. Damit hatten die Jungs jede Menge Platz; nicht nur für ihre Instrumente und ihre Musik, sondern auch für Freunde, die vorbeikamen, um zuzuhören und zu applaudieren. Ob das besagte Treffen nun bei Griffiths, bei Colin Hanton oder bei John stattfand, darüber gehen die Erinnerungen auseinander. Auf alle Fälle herrschte zunächst Unklarheit darüber, ob Paul gekommen war, um zuzuhören oder um mitzumachen. „John hatte mir gesagt, er sei ein Kumpel von Ivan und wollte uns beim Proben zusehen“41, berichtet Rod Davis. Aber Paul hatte diesmal seine eigene Gitarre dabei, und kaum dass er sie in Händen hielt, brannte er darauf zu spielen und den anderen, vor allem John, zu zeigen, wie viele Songs er draufhatte.

      „Er war sehr nett, sehr höflich. Auch sehr

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