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Everly Brothers. Außerdem ‚That’ll Be The Day‘, ‚Twenty Flight Rock‘, ‚Mean Woman Blues‘. Insgesamt so um die zwölf Songs.“52 Wenig später erschien Duff an einem Sonntagnachmittag zu seiner ersten Probe mit den Quarrymen. Man stellte sich kurz einander vor, dann legten sie los und ließen es mit „That’ll Be The Day“ richtig krachen, während Jim McCartney angespannt neben dem Klavier saß und mit flehentlichen Handbewegungen versuchte, die Jungs dazu zu bewegen, dass sie leiser spielten. Ein oder zwei Wochen später gab Duff sein Konzertdebüt, als die Gruppe in der Pause zwischen anderen, größeren Bands ein paar Titel präsentieren durfte. Die Quarrymen hatten keine große Fangemeinde, aber als sie eines Abends im Winter ein Engagement im Cavern Club bekamen, verwandelten sie den feuchten, kleinen Kellerraum in einen echten Hexenkessel.

      „Die Mädchen saßen normalerweise auf den Plätzen vor der Bühne, und an den Seiten war Platz zum Tanzen“53, erinnert sich Colin Hanton. „Und eines Abends spielten wir dort und rockten richtig ab. Aber die Leute standen dauernd auf. John war völlig fertig, weil er glaubte, dass alle gingen.“ Sie konnten natürlich nicht sehen, dass es hinter den steinernen Säulen, die den Keller in drei Bereiche unterteilten, ganz heiß herging. „Aber später kamen Pete und Nigel zu uns und sagten: ‚Das war super! Alle haben getanzt! Sie sind alle aufgestanden und haben abgehottet!‘ Und das war’s. Das war wohl ein wegweisender Auftritt, oder?“

      Nun, da die Besetzung aus John, Paul und George an der Gitarre, dem flinkfingerigen Duff am Klavier und dem verlässlichen Colin am Schlagzeug bestand, waren die Quarrymen also in der Lage, die desinteressierten Jugendlichen, wie man sie bei den frühen Gigs im Cavern Club Anfang 1958 antraf, von den Sitzen zu reißen und begeistert zum Tanzen zu bringen. Vielleicht lag es nicht unbedingt am Sound – die drei Gitarristen spielten noch immer einfache, billige Akustikgitarren, wie sie viele Teenager besaßen, die den Ehrgeiz entwickelt hatten, irgendwann endlich den G-Akkord greifen zu können. Und sie waren auf ihren Instrumenten auch nicht besonders sicher. „Ehrlich gesagt, sie konnten kaum richtig spielen“, meint Duff. Aber in den vielen Stunden, die sie zusammen gespielt und gesungen hatten, hatten John und Paul gelernt, wie durch Telepathie miteinander zu kommunizieren. Egal, was sie spielten, es machte den Anschein, als ob sie die nächste Aktion des anderen vorausahnten, noch bevor der selbst wusste, was er tun wollte. Wenn sie sangen, verbanden sich ihre Stimmen ganz natürlich miteinander; John übernahm mit seiner tieferen und raueren Stimme die Melodie, und Pauls heller Gesang legte sich auf harmonische Weise weicher darüber.

      Aber dennoch bekamen sie immer wieder zu spüren, dass die Quarrymen noch lange nicht den Sprung ins Profilager geschafft hatten. Bei einem Vorspieltermin in einem Arbeiterclub in der Nähe des Liverpooler Fußballstadions hatten die Quarrymen mit ihrer Mischung aus Rock ’n’ Roll-Hits und ein paar Skifflesongs das Nachsehen gegenüber einem seltsamen Kerl mittleren Alters, dessen Show darin bestand, Gläser zu essen und sich dann Zeitungspapier in den Mund zu stopfen, um die Blutungen zu stillen. Bei einer Tanzveranstaltung in einer Schule ein paar Wochen später stand das Klavier, das die Veranstalter für Duffy bereitgestellt hatten, nicht auf der Bühne, es war nicht einmal im Saal. „Die anderen standen oben auf dem Podest“54, erinnert sich Duff. „Und ich spielte draußen im Flur.“

      In der Hoffnung, dass eine selbstproduzierte Platte ihre Talente vielleicht eher ins rechte Licht rücken würde, verbrachte die Band ein paar Wochen damit, Buddy Hollys „That’ll Be The Day“ perfekt einzustudieren und außerdem Pauls lebhafte, wenn auch stark von verschiedenen Rhythm & Blues-Mustern abgekupferte Nummer „In Spite Of All The Danger“ als B-Seite vorzubereiten. Sie buchten sich eine Session in einem halbprofessionellen Studio, das im Nebenraum des Elektrogeschäfts eines gewissen Percy Phillips untergebracht war, und hauten beide Titel in einem einzigen Durchgang raus. Eine Stunde später hielt die Band mit der frischgepressten Schellackplatte eine greifbare Verkörperung ihrer kühnsten Träume in Händen. Sie einfach nur festzuhalten, war schon aufregend. Dass man sie dann noch auf den eigenen Plattenteller legen konnte und die eigene Stimme und die eigenen Instrumente aus einem Lautsprecher hörte, aus dem sonst Elvis und Buddy und all ihre anderen Helden schallten – das war sogar noch besser. „Wir einigten uns darauf, sie immer die Runde machen zu lassen“, erinnert sich Duff. „Aber irgendwie blieb die Platte am Ende in meinem Besitz. Es dauerte Jahre, bis ich mir mal eine andere Beatles-Platte kaufte.“

      Duff verließ die Quarrymen wenige Wochen später. Er hatte eine neue Freundin, und das einzige Mal, als er sie zu einer Probe in die Forthlin Road mitnahm, brach sie angesichts dessen, was sie da hörte, nicht gerade in Begeisterungsrufe aus. „Es war ein schrecklicher Lärm in diesem kleinen Raum“, sagte Duff. „Sie wollte lieber ein bisschen spazieren gehen. Also ging ich nicht mehr hin, so einfach war das.“55

      Vielleicht war es sogar noch einfacher. Als Duff sich verabschiedete, um lieber Spaziergänge mit seiner Freundin zu machen, nur wenige Wochen nach ihrem ehrgeizigen Besuch in Percy Phillips Aufnahmestudio, gab es die Quarrymen nicht mehr.

      * * *

      Es brach alles am Abend des 15. Juli zusammen, einen Tag, nachdem sie beinahe den großen Sprung in die Welt der Schallplattenstars geschafft hatten. John war zu seiner Mutter gefahren und wartete mit ihrem Freund, mit dem sie die Wohnung teilte, und ihren gemeinsamen Töchtern darauf, dass Julia nach Hause kam. In den letzten Wochen waren sich Mutter und Sohn recht nahegekommen und hatten eine enge Verbindung zu einander aufgebaut, wenn auch vielleicht keine typische Mutter -Sohn-Beziehung. Julia unterhielt sich und alberte mit ihrem Sohn herum, als seien sie enge Freunde, die ein wenig flirten. Ihre Beziehung linderte ein wenig die Verletzungen, die John seit seiner Kindheit erlitten hatte, und so besuchte er sie oft und gern und war durchaus bereit, ein wenig auf sie zu warten.

      Wie sich später herausstellte, war Julia währenddessen bei ihm zu Hause und besuchte ihre ältere Schwester Mimi. Gegen neun Uhr abends verabschiedete sie sich, unterhielt sich noch kurz mit Nigel Walley, der auf der Suche nach John war, und schickte sich an, die Straße zu überqueren, um dort auf den nächsten Bus zu warten. Julia schaffte es nicht mehr über die Menlove Avenue. Als sie hinter der Hecke hervortrat, die am Rand des begrünten Mittelstreifens der breiten Straße wuchs, wurde sie von einem heranrasenden Auto erfasst. Ihr Körper wurde dreißig Meter weit geschleudert. Walley, der Zeuge des Unfalls wurde, rannte sofort zu ihr. Als er sie erreicht hatte, wusste er, dass sie tot war, noch bevor er sie berührt hatte.

      John, der immer noch darunter litt, dass seine Mutter ihn als kleines Kind verlassen hatte, war am Boden zerstört. Er war so mitgenommen, dass er nicht einmal mit Paul über diese Tragödie sprach, obwohl er natürlich wusste, dass Paul vor zwei Jahren denselben Verlust erlitten hatte. Stattdessen zog er sich in sein Zimmer zurück und schloss die Tür. Wenn er das Haus verließ, dann nur, um in einem Pub genug zu trinken, bis er aus seinem Schmerz eine Waffe schmieden konnte. Er war gehässig zu seinen Freunden und provozierte Streit und Schlägereien mit Fremden. „Die Komplexe, die ich schon als Kind gehabt hatte, wurden damals riesengroß“, sagte John der Zeitschrift Playboy viele Jahre später.

      Johns Gitarre – das Symbol seiner Verbindung zu Julia – stand in einer Zimmerecke und setzte Staub an. Bandproben kamen überhaupt nicht infrage. Es dauerte Wochen, bis Paul ihn dazu bewegen konnte, ihm überhaupt die Tür zu öffnen, und noch länger, bis John sich wieder mit ihm zusammensetzen wollte, um ein oder zwei Songs zu schreiben. Als er schließlich wieder dazu bereit war, organisierte Paul einige Proben, die nun bei John zu Hause stattfanden, um es dem Bandboss, der noch immer eine sture Gleichgültigkeit zeigte, möglichst einfach zu machen. Paul hielt auch im Herbst weiter daran fest, als er und John wieder zum Unterricht an den jeweiligen Schulen gingen. Johns Freunde an der Kunstakademie waren entsetzt, als sie erfuhren, was ihrem Klassenkameraden im Sommer widerfahren war. John trauerte den ganzen Herbst und Winter um Julia und flüchtete sich in ein immer ausschweifenderes, feindseligeres Verhalten. Um seinen Zorn auf die ganze Welt irgendwie herauszulassen, griff er Fremde ebenso an wie Freunde.

      Bill Harry, ein aufstrebender Autor, der sich mit John in dessen erstem Jahr auf der Kunstakademie angefreundet hatte, erinnert sich: „Viele Leute verloren die Geduld mit John.“56 Im Krieg oder durch Krankheiten hatten so viele junge Menschen ihre Eltern verloren, dass es vielen ähnlich ging wie ihm. Und kaum jemand reagierte deswegen so aggressiv wie er. „Niemand von uns hatte eine so extreme Selbstmitleidsphase

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