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der malträtierte Musikus seine verdiente Belohnung. Dann lösten die Mädchen das Alginat ab und bekamen den Phallus eines Rockhelden in ewiger kalkweißer Erektion.

      Cynthia Albritton, eine der beiden berühmt gewordenen Gipsgießerinnen, geht ihrem Kunstwerk angeblich immer noch nach. Auf ihrer Website hat sie eine Liste ihrer Opfer und Gipsexponate bis 2006 veröffentlicht. An Position #00007, knapp hinter Jimi Hendrix und direkt vor Led Zeppelins Tourmanager Richard Cole, stößt man auf folgenden Eintrag: „Bob Pridden, 8/1/68 (Road Manager —- The Who)“. Das bedeutet, dass der kleine Soundtechniker bereits am 1. August 1968 vor, während oder nach dem Auftritt im Electric Theatre von Chicago eine Probe seiner Männlichkeit abgegeben hat.

      Der Bitte, uns von ihrer Arbeit mit dem aufrechten Bobby zu berichten, wollte­ Cynthia leider nicht entsprechen, da sie gerade an ihrer Autobiografie schreibe und sich vertraglich entsprechend gebunden sah; aber immerhin bestätigte sie mir: „Bob Pridden – oh yes.“

      Tony Fletchers Anekdote, wonach Keith ebenfalls einen Abdruck von sich in Aussicht stellte und die Mädchen aus dem Hotelzimmer warf, weil die Gießflüssigkeit zu heiß für sein bestes Stück war, scheint hingegen eine Fabel zu sein. Doch wenn schon Wiggy Wolff und Bobby Pridden, als Roadies und frühe Halbglatzenträger nicht unbedingt Männer von eminenter erotischer Strahlkraft, mit so erstaunlichen Angeboten bedacht wurden – wie intensiv dürften dann erst die Rockstars den amerikanischen Himmel der Sinnlichkeit erfahren haben?

      Rogers Beteuerung, mit dem Kapitel „Groupies“ bereits Ende der sechziger Jahre abgeschlossen zu haben, erscheint unter diesen Umständen fragwürdig. Vermutlich war sein Dementi mehr dem Umstand geschuldet, dass er zehn Tage vor Beginn der US-Tournee, am 19. Juli 1971, seine langjährige Lebensgefährtin Heather­ Taylor heiratete. Übrigens auf kuriose Weise gleich zweimal: Der erste Vermählungsversuch hatte im Standesamt von Battle, nahe ihrer neuen Besitzung Holmhurst Manor, schon sechs Wochen vorher stattgefunden.

      Roger und Heather hatten eine riesige Feier organisiert, mit vierhundert ­ge­ladenen­­ Gästen und einem eigens auf dem Nachbarfeld errichteten Jahrmarkt. Als der Tross zum Standesamt gezogen war, erklärte der Beamte den geschockten­ Brautleuten, dass er die Trauung nicht vollziehen könne, da Rogers Scheidung von Jacqueline noch nicht aktenkundig geworden sei. Roger behielt einen kühlen­ Kopf und entschied, die Festlichkeiten einfach weiterlaufen zu lassen – ohne die Gäste von der überraschenden Wendung in Kenntnis zu setzen. „Das war die ­verrückteste Hochzeitsfeier, die man sich vorstellen konnte: ohne Hochzeit“, erzählt Roger.

      Der Standesbeamte spielte mit, und am 19. Juli traf man sich wieder, in aller Stille, nur mit den Trauzeugen, um die Eheschließung der vierundzwanzigjährigen­ Heather mit dem drei Jahre älteren Who-Sänger nun auch offiziell zu voll­ziehen. „Meine Ehe ist aus zwei Gründen erfolgreich“, erklärt Roger im Rückblick stolz: „Erstens weil ich das Glück hatte, die richtige Frau zu finden. Wir sind praktisch in der gleichen Straße geboren worden und lernten uns in New York kennen.­ Und zweitens: Heather weiß, wer ich bin. Ich habe ihr nie etwas über mich vorgemacht und immer versucht, ehrlich zu sein.“

      Das war bestimmt kein einfacher Weg, die Beziehung zwischen einem Rockstar und einem ehemaligen Mannequin, das bald Mutter werden sollte, auf absoluter Ehrlichkeit aufzubauen. Aber es klappte. Rogers Ehe hat als einzige der vier Who-Musiker gehalten und scheint auch nach sechsunddreißig Jahren intakt.

      Keiths Ehe dagegen existierte offenbar schon 1971 nur noch auf dem Papier, wie der Teilzeitmitbewohner Richard Barnes berichtete:

      „Kim hätte es lieber gesehen, wenn er sein eigenes Leben geführt und sie in Ruhe gelassen hätte. Keith war sehr lustig, lebendig und spitzbübisch, so dass es schwierig war, ihn nicht zu mögen. Aber er konnte unglaublich gefühllos sein. Wie er die still leidende Kim behandelte, war manchmal regelrecht grausam. Sie war sehr geduldig und verständnisvoll, aber nie sagte er ihr, was er vorhatte. Er riss andere Mädchen in den Clubs auf und schleppte sie sogar mit nach Tara. Er konnte völlig unvernünftig und selbstherrlich sein.“

      Er konnte auch herrlich selbstlos sein, oder unglaublich gefühlvoll; nur eines war er tatsächlich nie: vernünftig. Welcher andere Schlagzeuger wäre sonst auf die Idee gekommen, beim Bangladesh-Wohltätigkeitskonzert in London, das vor über ­dreißigtausend Zuschauern in einem Kricketstadion über die Bühne ging, zum ersten Who-Song mit Kricketschlägern statt mit Trommelstöcken zu spielen? The Who trugen mit ihrem gespendetem Honorar von gut neuntausend Pfund großzügig zum Gesamterlös der Veranstaltung bei, und Pete opferte vor den begeisterten Fans eine Gibson SG – aber worüber sprach man nach dem Konzert wohl am meisten?

      Möglicherweise wollte Keith mit seinem spektakulären Auftritt auch nur darauf hinweisen, dass seine Inspiration auf der Bühne litt, weil er und die ganze Gruppe vorproduzierten Bändern folgen mussten. „Ich muss mit einem Tonband zusammen spielen“, erklärte Keith zu Beginn der US-Tournee frustriert. „Und wenn das Band nicht läuft, läuft gar nichts.“

      Leider funktionierte die damals einmalige Kooperation von Mensch und Maschine auf der Bühne tatsächlich nur bedingt. Bob Pridden hatte den undankbaren Job übernommen, die Tapes zeitgenau während der Gigs einzuspielen und ihre korrekte Widergabe zu überwachen. „Ich habe heute noch Alpträume“, berichtet der Tourtechniker. „Ich drücke auf einen Knopf, und nichts passiert. Oder ich drücke, und das falsche Band spielt ab. Oder ich habe die Bänder ­verloren, vergessen, sie sind irgendwo, und die Jungs stehen auf der Bühne und schauen mich an …“

      Meistens schauten sie nicht nur, sondern brüllten, tobten, fluchten, denn solche Missgeschicke geschahen alles andere als selten. Vor allem Pete ließ dabei jeglichen Humor vermissen. Einmal ging er dem Who-Tontechniker sogar regelrecht an die Gurgel, prügelte ihn zornentbrannt über die Bühne und verfolgte den Fliehenden bis hinter die Bühne, während der Rest der Band ratlos zurückblieb. Pete entschuldigte sich später aufrichtig und ausgiebig, und Bob verzieh und kündigte nicht, was er möglicherweise mehr als einmal bereute, denn das Problem wurde nie ganz gelöst, und Pete blieb ein hitzköpfiger Wüterich, wenn auf der Bühne etwas nicht funktionierte.

      „Wir brauchten die Sounds von Who’s Next“, sagt Roger. „Ich hasste die Bänder­ auch. Wir waren nicht mehr frei zu tun, was dem Gefühl nach richtig gewesen wäre. Wir steckten in einer Maschinerie. Für den Sound war das perfekt; auf der Bühne klangen wir stärker und kraftvoller denn je. Wir spielten ja nach wie vor nur zu viert. Aber unsere Kreativität litt, jedenfalls was meine Parts betraf.“

      Auch Keith hatte anfangs große Probleme, den vorgegebenen Takt der eingespielten Synthesizertracks einzuhalten, weil die Monitortechnik damals noch nicht so ausgereift war, dass er etwas anderes als sich selbst hören konnte, wenn er spielte. Schließlich benutzte er Kopfhörer; aber schon das erste US-Konzert in New York bewies, dass auch das seine Tücken hatte: „Ich hatte meine Kopfhörer auf“, erzählt Keith, „und spielte zu ‚Won’t Get Fooled Again‘, und plötzlich raste Bobby auf mich zu, mit einem gefüllten Wassereimer. Er starrte mich an, als wollte er mir das Wasser über den Kopf gießen. Also sprang ich auf, drehte­ meinen Kopf, und da pufften Rauchwölkchen aus den Ohrhörern – das verdammte Ding brannte!“

      Keith rannte vor lauter Aufregung über die heiße Angelegenheit an seinen Ohren in Johns mahagonifarbene 1964er Gibson Thunderbird, die am Verstärker lehnte. „Und wenn man so eine Thunderbird umschmeißt, bricht sie genau am Sattelsteg“, erklärt John, der darüber so empört war, dass er das teure Lieblingsstück in seiner Sammlung wutentbrannt gleich vollends zerschlug. Glücklicherweise besaß er zwei davon; aber noch in seinem posthum 2004 erschienenen Bildband Bass Culture zeigte sich John verärgert über Keiths „Tollpatschigkeit“ an jenem regnerischen Abend.

      Elektrische Gitarren waren freilich das Geringste, was damals im Forest-Hills-Stadium zerstört wurde. Viel erschütternder und nachhaltiger wirkte der Tod eines einundzwanzigjährigen Ordners, der vor dem Stadion von einem Jugendlichen niedergestochen wurde, den er nicht einlassen wollte, weil er kein Ticket besaß. The Who waren geschockt. Konnte es sein, dass ihre Musik Gewalt im Publikum auslöste?

      „Jugendlicher bei Rockkonzert getötet“ – so titelten die Zeitungen; aber Keith meinte, man könnte genauso

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