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das Missionsseminar, Lehrerwohnungen und Verwaltungsräume beherbergte. 1860 zog die Missions­gesellschaft in die Missionsstraße in der Nähe des Spaltentores um. Auf dem dortigen Grundstück errichtete sie das Missionsseminar, die Voranstalt, das Kinderhaus, Verwaltungs- und Ökonomiegebäude neu. |70|

      Wie oben schon gezeigt, gehört die Basler Mission als erste Missionsgesellschaft im deutschsprachigen Raum zum Typus der überkonfessionellen Mission. Die Arbeit in den Missionsgebieten sollte frei sein von konfessionellen Einflüssen und sich allein auf die Botschaft des Evangeliums konzentrieren. Dadurch wurde eine Entscheidung für eine bestimmte Kirchenzugehörigkeit, deren Positionen die Missionare dann in ihrer Arbeit zu vertreten hätten, von vornherein ausgeschlossen. Und umgekehrt gab es keine kirchliche Gemeinschaft, ob frei- oder staatskirchlich, in welcher die Basler Mission ihre Positionen uneingeschränkt vertreten sah.178

      In der Missionsgesellschaft arbeiteten von Anfang an Menschen aus der reformierten Schweiz und aus dem lutherischen Württemberg zusammen, wobei die Unterschiede in der religiösen, regionalen und sozialen Herkunft durch eine gemeinsame pietistische Überzeugung zumindest bis zu einem gewissen Grad ausgeglichen wurden. Dabei zeichnete sich die Missionsgesellschaft durch eine Unsensibilität, vielleicht auch Ignoranz gegenüber der besonderen Problematik von Konfession und Kirche und den daraus resultierenden möglichen Gewissenskonflikten ihrer Mitarbeiter aus. Dies fiel vor allem bei der Zusammenarbeit mit der Church Missionary Society ins Gewicht, welche die pietistisch bzw. erwecklich geprägten Missionszöglinge aus dem lutherischen Württemberg und der reformierten Schweiz auf das anglikanische Bekenntnis ordinierte.179 Laut dem ersten Inspektor, d.h. Leiter der Missionsgesellschaft, Christian Gottlieb Blumhardt sollten Missionsgesellschaften keine eigene Theologie entwickeln, sondern lediglich die «Bibellehre» vertreten.180 Für ihn hatten weiterführende Gedanken über Ekklesiologie, Bekenntnis, Amt und Ordination keinen Platz in der Mission. Der Gewissenskonflikt, in den manche Basler Missionare durch die anglikanische Ordination gerieten, wurde zunächst von der Missionsleitung weder wahr- noch ernst genommen.

      Die theologische Linie der Basler Missionsgesellschaft konnte leicht als «pragmatisch, ja opportunistisch begründete Anpassung an die bestehenden |71| Verhältnisse» gedeutet werden.181 Doch lässt dieser Vorwurf außer Acht, dass hier starke biblizistische, universalistische und eschatologische Motive aus der pietistischen Tradition und dem erwecklichen Umfeld eine Rolle spielten: Bekenntnisse waren von Menschen gemacht, was zählte, war die Konzentration auf das Wort Gottes und die aktive imitatio Christi und imitatio apostolorum, da nur diese für das Kommen des Reiches Gottes eine Rolle spielten. Zudem wurde das Kommen des Reiches Gottes nach den Berechnungen Johann Albrecht Bengels im Jahr 1836 erwartet. Die Naherwartung der Parusie machte viele weltliche Dinge sekundär. Es ist daher vermutlich kein Zufall, dass die Bereitschaft zu ‹konfessionellen Kompromissen› nach dem Ausbleiben von Christi Wiederkunft 1836 nachließ, was sich in der Entstehung der konfessionellen Missionsgesellschaften, aber auch in der zunehmend eigenständigen Missionsarbeit der Basler Mission auf eigenen Missionsgebieten äußerte.

      Die Basler Mission war hierarchisch organisiert. Ihr Leiter, genannt Inspektor, war Vorsitzender des obersten Leitungskreises, des sogenannten Komitees. Die fünf Inspektoren, die der Missionsgesellschaft im 19. Jahrhundert vorstanden, stammten alle aus Württemberg, während das Komitee seine Mitglieder überwiegend aus dem Basler Großbürgertum rekrutierte.182 Die Dominanz württembergischer Missionsschüler und Missionare in den Anfangsjahren drückte sich auch im Basler Spitznamen für das Missionshaus aus: die «Schwabenkaserne».183 Die überkonfessionelle und transnationale Struktur der Missionsgesellschaft zeigte sich in ihrer Organisation und wurde zugleich von ihr garantiert. Das Komitee hielt, bildlich gesprochen, alle Fäden in der Hand, hier wurden alle Entscheidungen getroffen, hier wurden alle Informationen von den Missionaren, von Mitarbeitern, aus den Missionsgebieten und aus dem Missionshaus besprochen. Um diese Kontrolle aufrechterhalten |72| zu können, waren alle Missionare dazu verpflichtet, umfassend Rechenschaft über ihre Arbeit abzulegen und diese Berichte regelmäßig, ab 1850 vierteljährlich, an das Komitee zu schicken.184 Schon während der Ausbildung im Missionshaus wurden die zukünftigen Missionare dazu angehalten, ein Tagebuch zu schreiben, das jeden Sonntag dem Missionslehrer vorgelegt werden musste.185

      Die Macht des Komitees speiste sich auch daraus, dass sowohl die Schüler des Missionshauses als auch die Missionare in den Missionsgebieten dazu angehalten wurden, einander gegenseitig zu kontrollieren und bei einem Fehlverhalten die Missionsleitung zu informieren. Dies sorgte für eine Atmosphäre des Misstrauens gegenüber den ‹Missionsbrüdern› sowie eine fast willenlose Unterwerfung unter die Autorität von Inspektor und Komitee, was verhinderte, dass sich die Missionare untereinander allzu sehr solidarisierten und sich gegebenenfalls bei Entscheidungen geschlossen gegen die Leitung wendeten.186 Zugleich war dieser stark kontrollierende Zug eine Folge der großen Expansion gerade unter dem Inspektorat Hoffmann und diente der Effektivität und Praktikabilität der gesamten Arbeitsabläufe in der Missionsarbeit.187 Dies äußerte sich zum Beispiel in der ausführlichen Berichterstattung und Korrespondenz, zu der das Leitungsgremium die Missionare verpflichtete. Gerade der Inhalt der Quartalberichte fand sich dann, in redaktionell bearbeiteter Form, in den Publikationen der Basler Mission wieder. Die hierarchische, zentralistische Organisation gehörte jedenfalls zu den Charakteristiken der |73| Basler Missionsgesellschaft, hemmte sie jedoch auch im Laufe des 19. Jahrhunderts in der Entwicklung zeitgemäßer missionarischer Konzepte wie zum Beispiel im Fall der Entstehung einer eigenständigen Frauenmission.

      Frauen als Mitarbeiterinnen in der Mission waren in der Basler Mission zunächst eigentlich gar nicht vorgesehen.188 Dem ersten Inspektor, Christian Gottlieb Blumhardt schwebte das Ideal eines unverheirateten Missionars vor, der sein gesamtes Leben dem Herrn, den Heiden und der Missionsgesellschaft widmen sollte. Eine Verpflichtung zur Ehelosigkeit war für eine protestantische Missionsgesellschaft jedoch ausgeschlossen und nach einigen Jahren wurde deutlich, dass die ‹Heiratsfrage› einer offiziellen Regelung bedurfte.189 Im Dezember 1837 stellte Blumhardt allgemein gültige Heiratsgrundsätze in zwölf Artikeln vor.190 Die Stellung der Ehefrau eines Missionars war damit grundsätzlich geklärt, auch wenn die Kompetenzen und Bedürfnisse immer wieder neu definiert werden mussten und die Leitung die ehrenamtliche Arbeit der ‹Missionsbräute› erst nach und nach anerkannte.191

      Der Arbeit von unverheirateten Frauen in der Mission stand die Basler Missionsgesellschaft jedoch sehr ambivalent – oder soll man sagen: noch ambivalenter? – |74| gegenüber. Die überkonfessionelle und internationale Ausrichtung der Gesellschaft sowie ihre starke Verbindung zu den englischen Missionsgesellschaften, legte eigentlich eine ähnlich arbeitende, selbständige Frauenmission nahe.192 Ab 1841 gab es in Basel ein eigenes Frauen-Missions-Komitee (FMK), das auf Initiative des Missionsinspektors Wilhelm Hoffmann gegründet wurde.

      Ursprünglich sollte das Frauen-Missions-Komitee nach englischem Vorbild selbständig arbeiten, geeignete Frauen suchen und ausbilden und dann an geeignete Stellen in den Dienst der Basler Missionsgesellschaft vermitteln. Doch genau diese Selbständigkeit der Frauen in den englischen Missionen stieß in Basel und bei den anderen deutschsprachigen Missionen auf Kritik und wurde als mangelnde Anbindung an die Arbeit des Missionars gerügt. Im Zuge der Hierarchisierung und Zentralisierung, die in der Basler Mission in den 1840er Jahren und vor allem unter der Leitung von Hoffmanns Nachfolger Joseph Josenhans ab 1850 einsetzte, wurde das Frauen-Missions-Komitee wie auch die der Gesellschaft zuarbeitenden Hilfsvereine stärker in die Muttergesellschaft inkorporiert und die Arbeit durch das Komitee selbst koor­diniert. Ansätze zur eigenständigen Arbeit wurden immer wieder von der Missionsleitung zurückgebunden, 1895 hörte das Frauen-Missions-Komitee end­gültig auf zu existieren.193 Erst im Jahr 1901 gab es unter Friedrich Würz, Missionssekretär und Referent für Heimatfragen, einen Neuanfang und die Frauen in der Basler Mission wandelten sich bis 1925 von ‹Gehilfinnen› über ‹Missionsschwestern› zu gleichgestellten ‹Missionarinnen›.194

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