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nur notdürftig in Felle gewickelt, wie einst der Natur-Mensch Enkidu, kommt er an das Ende der Welt. Die Göttin, auf die er hier trifft, soll ihm den Weg weisen, zu Uta-napischti, dem babylonischen Noah und seiner Frau, den einzigen Menschen, denen die Götter das ewige Leben gewährten. Von ihnen erhofft er sich das Geheimnis unendlichen Lebens. Doch spöttisch nur antwortet ihm Siduri, die Göttin:

       Gilgamesch, was streunst du umher?

       Das Leben das du suchst, wirst du nicht finden:

      Als die Götter die Menschheit schufen,

      setzten sie der Menschheit den Tod,

      das Leben aber behielten sie in ihrer eigenen Hand.

       Du, Gilgamesch, lass voll sein den Bauch, und hab’ Freude bei Tag und bei Nacht!

       An jedem Tage bereite dir Freude, spiele und tanze bei Tag und bei Nacht!

      Strahlen mögen all deine Kleider.

       Dein Kopf sei gewaschen, in Wasser seist du immer gebadet!

       Schau auf das Kind, das an der Hand dich ergreift!

       Die Gattin möge sich immer wieder erfreuen in deinem Schoße!

      Nur dies ist das Schicksal der Menschen.

      So muss der herrliche Gilgamesch erfahren, dass ihn, den Fürsten, von den Menschen nichts unterscheidet. Er will es nicht wissen und reist weiter durch Räume und Regionen, die noch nie ein Mensch betreten, bis er letztlich – wie niemand vor ihm – doch zu Uta-napischti gelangt.

      Dieser ist zwar gerne bereit, Gilgamesch das Geheimnis anzuvertrauen, wie er selbst zur Unsterblichkeit gelangte – dies ist die berühmte 11. Tafel des Gilgamesch-Epos mit der Sintflutgeschichte. Aber sein Urteil über den durch Irren und Wirren verwahrlosten Gilgamesch ist gar noch härter als das der Siduri. Gilgamesch, der erfahren hatte, wie Uta-napischti für immer dem Tode entronnen war, erhoffte sich, dem babylonischen Noah das Geheimnis zu entlocken, wie er selbst zu einem Unsterblichen werden könnte. So rät Uta-napischti dem Gilgamesch, eine ganze Woche lang zu wachen. Gilgamesch besteht diese Probe aber nicht und muss so erfahren, dass er den Tod nie wird besiegen können, wenn er nicht einmal dem Schlaf zu widerstehen weiß. Nun geht der weise Uta-napischti mit Gilgamesch hart ins Gericht:

      Was treibt dich, Gilgamesch, denn dauernde Trübsal,

       der du doch aus Fleisch der Götter und Menschen geschaffen?

       […]

       In der Versammlung stellt’ einen Thron man dir hin: ‚Setz dich‘, sagten sie zu dir!

       […]

       Was aber ist dem Dumpfen gegeben?

      Der im Folgenden leider nur schlecht erhaltene Text lässt erkennen, dass Uta-napischti von Gilgamesch verlangt, sich endlich wie ein König zu betragen und seiner Natur, seiner Bestimmung entsprechend für die Menschen zu sorgen und sicherzustellen, dass die Menschen, so wie es die Regeln verlangen, die Götter versorgen. Nicht die Sorge um das eigene Ich, sondern die um die Menschen und die Götter hat das Streben des Königs zu bestimmen, der erst dann wahre Heldentaten, Ordnungstaten vollbringen kann, wenn er sich selbst bescheidet. Der babylonische Noah stattet den verwilderten Gilgamesch mit dem prächtigen Königsornat aus und schickt ihn zurück nach Uruk. Auf Bitten seiner Gattin verrät er, wohlwissend um den Ausgang, Gilgamesch zum Troste, wo er ein Kraut finden kann, das ihn wieder in den Zustand der Jugend zurückzuversetzen vermag. Zwar findet Gilgamesch das Kraut, doch bevor er selbst es essen kann, verschlingt es eine Schlange, die sich dann – wie es Schlangen bis heute tun – verjüngt, indem sie ihre alte Haut abwirft. Gilgamesch hingegen bleibt nicht nur das Geschenk des ewigen Lebens, sondern auch das der zweiten Jugend verwehrt. Er muss sich nun endgültig bescheiden und – wie alle mesopotamischen Könige – mit einem Fortleben in seinem Nachruhm begnügen.

      Dass Gilgamesch den Rat des Sintflutweisen, die nachsintflutlichen Menschen mit den Göttern zu versöhnen, befolgt hat, zeigen nicht nur die ersten Zeilen des Epos, die den herrlichen Bau des „Himmelshauses“ preisen, sondern auch folgende Verse der Einleitung:

      Der, der die heiligen Stätten, die die Sintflut zerstörte, wieder errichtete,

      der den umwölkten Menschen die Kultordnungen festlegte -

      wer ist der, der sich mit seinem Königtum messen könnte,

      und so wie Gilgamesch sagen könnte: Ich, ja ich, bin König.

      Das Königsbild, das hier gezeichnet und späteren Königen zum Vorbild gestellt ist, lässt sich nicht in Einklang bringen, mit dem Bilde des „Orientalischen Despotismus“, das der Westen so gerne – von den Perserkriegen bis heute – von den Herrschaftsformen des Orients zeichnet. So möge man auch hier die uralte Warnung vernehmen, die im Epos von Gilgamesch in die Ohren der Mächtigen gelegt ist: Es bescheide sich der Mensch…

      QUELLEN

      Claudius Aelianus: On the characteristics of animals, hg. u. übers, v. A. F. Schofield, Cambridge (Mass.) 1971. [Der Bericht über die wunderbare Rettung des als Kind von einem Turm geworfenen Gilgamos durch einen Adler findet sich im 21. Kapitel des 12. Buches.]

      George, Andrew R.: The Babylonian Gilgamesh Epic. Introduction, Critical Edition and Cuneiform Texts, London 2003.

      LITERATURHINWEISE

      Hecker, Karl 1994: Das akkadische Gilgamesch-Epos, In: Texte aus der Umwelt des Alten Testamentes, Band III, Lieferung 4, Mythen und Epen II, hg. v. Otto Kaiser, Gütersloh.

      Maul, Stefan M. 1999: Wer baute die babylonische Arche? – Ein neues Fragment der mesopotamischen Sintfluterzählung aus Assur, In: Mitteilungen der Deutschen Orient-Gesellschaft 131, S. 155-162. (Vgl. http://www.assyriologie.uni-hd.de/assurmaul/gilga.htm).

      Maul, Stefan M. 2001a: Reste einer frühneuassyrischen Fassung des Gilgamesch-Epos aus Assur, In: Mitteilungen der Deutschen Orient-Gesellschaft 133, S. 11-32.

      Maul, Stefan M. 2001b: Neue Textvertreter der elften Tafel des Gilgamesch-Epos aus Assur, In: Mitteilungen der Deutschen Orient-Gesellschaft 133, S. 33-50.

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