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liegt.

      Es begab sich zu dieser Zeit des tief greifenden Wandels, dass der scharfsinnige und durchtriebene Melesigenes Gershovitz Odemas im Garten Albion den mächtigen Schädel hob, die Schönheit des Landes schaute und wieder jene Gier verspürte, die ihn seit seiner Geburt umtrieb.

      Endlich, nach all diesen Äonen, wollte er die Beschränkungen seines kleinen, buckligen Körpers überwinden und so werden wie sein Schöpfer Peregrinus. Also ging er zu dem Baum, der in der Mitte des Gartens Albion wuchs, und aß von dessen Früchten, deren Verzehr ihm sein Herr Magnus Administratus Manchesteri in Aussicht gestellt hatte.

      Und siehe, die Früchte waren gut.

      Ephelegon ging noch nicht am Himmel unter, als Odemas einer der vielen Einfälle kam, für die er berühmt, ja sogar berüchtigt war.

      Einst hatten die Terraner ihre Heimatwelt Ti verlassen, das Terra Incognita, in den Jahren der alten Zeitrechnung von den huldvollen Jülziish zerstört. Danach schwärmten sie in der ganzen Milchstraße aus und ließen sich überall nieder, dort, wo sie erwünscht waren, und auch dort, wo das Gegenteil zutraf.

      ›Was‹, fragte sich Odemas, ›wenn wir den Nachkommen der Kinder von Terra Incognita geben, was sie sich am meisten wünschen? Nach dieser Welt haben sie sich benannt, und diese Welt sollen sie nun bekommen.‹

      So schuf er das mythische Terra Incognita, das schon bald als Mythos Terra Bekanntheit gewann. Die Robotermanufakturen von Magnus Administratus Manchesteri knatterten und rumpelten und stampften und stellten angeblich antike Andenken her, die von der verlorenen Heimat stammten. Holos von der Firmamentmutter entstanden und von den Damen Luna und Europa und Africa, und alles, was Melesigenes Gershovitz Odemas sich ersinnen und der Magnus Administratus fabrizieren konnten.

      Und das die Kassen klingeln ließ.

      Sie verkauften diese falschen Erinnerungen für viele Galax an jene, die sie haben wollten, und auch an solche, bei denen das Gegenteil zutraf. Und sämtliche Ti-Terrani, die ein Stück erstanden, gerieten ins Schwärmen, wenn sie davon berichteten, und niemand wollte zurückstehen.

      Melesigenes Gershovitz Odemas häufte eine derartige Menge Galax an, dass er sich seinen größten Wunsch erfüllen und den Körper begradigen und den Schädel verkleinern lassen konnte. Nun sah er fast aus wie Magnus Administratus Manchesteri selbst.

      Meine Kinder, hört mir gut zu! Geschäftstüchtig und gewieft waren sie schon immer, diese vermaledeiten Terraner. Aber Geschmack kannten sie nie. Oder wolltet ihr aussehen wie ein ehemaliger Ti-Resident?

      Jetzt wisst ihr, wie der Mythos Terra zustande gekommen ist. Geht nun hinaus in den Etappenhof und berichtet euren Freunden und Spielgefährten, denn die Wahrheit darf niemals unter Sagen und Legenden vergraben sein. Ich trage euer Bild ständig bei mir, ihr Lieben.«

      Mythos Reisen

      von Oliver Fröhlich

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      Finsternis hüllte den Transmitterraum der Touristenfähre ein und wich einen Wimpernschlag später der Gegenstation in der Ankunftshalle.

      »Ah, die Familie Wynter«, hallte Nua und ihrem Mann eine Stimme entgegen. »Ich bin Dani, euer Reisebetreuer. Willkommen im Urlaub eures Lebens.«

      Ein Terraner mit Fünffachkinn und Hängewangen baute sich vor ihnen auf. Er trug ein buntes Jackett, das ihm bereits vor zehn Kilo zu eng geworden war. Das einzig Dünne an ihm schienen die blonden Locken zu sein.

      »Freut euch auf Tage des Abenteuers, auf eine Zeit der Wunder. Erlebt die Attraktionen, die Mythos-Reisen seinen Gästen dank jahrzehntelanger Erfahrung bietet.«

      Dani klang, als ratterte er einen Werbetext herunter. Am liebsten hätte Nua ihren Mann bei der Hand genommen und wäre mit ihm durch den Transmitter auf die Fähre zurückgekehrt. Aber sie wollte nicht undankbar erscheinen. Schließlich hatte ihnen ihre Tochter die Reise zum fünfzigsten Jahrestag des Ehevertrags geschenkt.

      »Staunt über die Wasserfälle von Ramur, genießt einen Tag am feinen Sandstrand von Staufberg bei strahlend violettem Himmel, lasst euch bezaubern von ...«

      »Wo sind die Drohnen?«, fiel ihm Nua ins Wort.

      »Äh ... wie bitte?«

      »Die Drohnen. Unsere Tochter hat vor fünf Jahren ihren Urlaub hier verbracht und uns davon vorgeschwärmt. Sie war fasziniert von den Geschichten, die ihr eine Begleiterdrohne erzählt hat.«

      Allerdings hatte sie auch von Besucherströmen gesprochen, von überfüllten Hotels, vor Menschen berstenden Museen und Theatervorstellungen. Etwas, das sich Nua angesichts der beinahe leeren Ankunftshalle kaum vorstellen konnte. Offenbar hatte der Ort, der allein der Phantasie vielleicht doch nicht so cleverer Reiseveranstalter entsprungen war, reichlich von seiner Faszination eingebüßt. Es schien, als entwickelten sich die Terraner zu einem Volk der Mythenmüden.

      »Wir halten menschliche Betreuung für persönlicher«, sagte Dani.

      Und für billiger als den Betrieb der Drohnen, dachte Nua.

      »Lasst euch bezaubern«, fuhr er fort, als hätte sie ihn nie unterbrochen, »von sternenklaren Nächten unter den Zwillingsmonden Lena und Lana. Als Höhepunkt erlebt ihr einen Besuch bei den energetischen Strudelquellen von Azyra, aus denen einst der erste Mensch stieg, erschaffen aus den ...«

      »Dani?«

      »Ja?«

      »Erspar uns das Gefasel.«

      Seine Hängewangen sackten weiter hinab. »Was?«

      »Du klingst wie eine fleischgewordene Werbebroschüre. Niemand weiß, ob es diesen Ort je gegeben und – falls ja – wie es dort ausgesehen hat. Lass es uns hinter uns bringen.«

      »Wie du meinst.« Das geschäftsmäßige Strahlen kehrte auf sein Gesicht zurück. »Aber denk an den Slogan von Mythos-Reisen: Dass es einen Ort nie gab, hindert uns nicht daran, dort Urlaub zu machen.«

      Gemeinsam verließen sie die Halle, und es geschah, womit Nua nie gerechnet hätte: Sie war verzaubert. Die klare Luft, der leicht zitronig-minzige Geruch, die prächtigen Bäume, die saftig blauen Wiesen. Phantastisch. Plötzlich wünschte sie sich, einen realen Ort betreten zu haben und nicht nur einen Urlaubsplaneten mit den Kulissen eines Hirngespinstes.

      »Willkommen in Mythopia«, sagte Dani. »Willkommen in der Hauptstadt von Terra.«

      Mythos Atlantis

      von Verena Themsen

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      Ich bereute meine Frage, als meine Schwester die Mundwinkel in der typischen Weise verzog, die mir sagte, dass wieder einmal ein Vortrag bevorstand.

      »Terra? Machst du Witze? Oder denkst du ernsthaft über dieses Märchen nach?«

      Ich verschränkte die Arme. »Und was, wenn?«

      »Du bist ein unverbesserlicher Träumer. Dabei ist es völlig klar, dass das nichts als ein Mythos ist. Allein schon der Name: Terra, Earth, Erde ... ich meine, eine größere Verallgemeinerung kann es gar nicht geben! Da steht doch in leuchtenden Lettern Gleichnis drüber! Ein Planet, mit dem sich alle identifizieren wollen, in dem man seine Wurzeln sieht, wie würde man den nennen? Natürlich nach dem, was sämtliche von humanoiden Wesen bewohnten Planeten gemeinsam haben: der Erde, auf der sie dort stehen und in der alles wurzelt!«

      Ich wollte etwas einwenden, aber da breitete sie schon die Arme aus und holte genug Luft für den nächsten Teil der Vorlesung. »Und dann schau dir all diese Geschichten an, die angeblich diesem sagenhaften Planeten zugestoßen sind. Verwüstungen durch die Angriffe irgendwelcher Meister, Schwingungsmächte und Pedotransferer, die Abwendung der Kolonien, Verdummung, die Aufnahme in den Schwarm, Simusense, die Entvölkerung beim Sturz in den Mahlstrom,

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